Vor der Basler Fasnacht beschäftigen sich manche Medien und Traditionswächter mit Pseudo-Problemen: Zum Beispiel mit jenem, ob die Basler Detailhändler auch Cowboyhüte und Pappnasen verkaufen dürfen.
Auf dem Land tobt die Fasnacht, in Deutschland der Sturm (und dazwischen der Karneval). Und in Basel-Stadt sorgt man sich über die Auswüchse, die in den Regalen der Detailhändler zu finden sind: Cowboyhüte, Indianerfedern, Schminkfarben. Dürfen Coop und Migros in der Stadt, die die einzig wahre Fasnacht erfunden hat, solche No-Gos verkaufen?
Das fragte sich bisher niemand. Aber die «Schweiz am Sonntag» war sich nicht zu schade, ein kleines Empörungsstückchen aufzuführen. In der Hauptrolle: alt Comité-Obmann Felix Rudolf von Rohr als Wächter der Basler Fasnachtstugenden (andere würden sagen: als Harlekin), der sich über das Fasnachtssortiment aufregen mag.
Auf die Schminke in den Stadtläden hingewiesen, lässt er sich in der «SchwamS» mit den Worten zitieren: «Das ist total lätz und macht die Bemühungen, den Menschen die Basler Fasnacht näherzubringen, zunichte.» Abgesehen davon, dass selbst mir als Ostschweizer auffällt, dass die Formulierung «total lätz» völlig lätz klingt und die Bemühungen vieler Urbasler zunichte macht, uns den puren Dialekt näherzubringen, finde ich diese alljährlichen dogmatischen Warnrufe der Berufsfasnächtler ermüdend. Die Verfechter dieser schönen Basler Tradition stehen sich selber auf dem Fuss, wenn sie vor den drey scheenschte Dääg stets aufs Neue den Mahnfinger erheben und vor allen möglichen Verfehlungen warnen.
Die brasilianische Zuwanderin könnte meinen, dass man sich als Zuschauerin einen schillernden Cowboyhut aufsetzen soll. Na und?
Dabei schwingt eine «Die Fasnacht gehört uns»-Attitüde mit, die sich mit der liberaldemokratischen Haltung beisst, mit welcher sie sich sonst so gerne brüsten. Und man könnte meinen, dass ein Allschwiler Fasnächtler sich gefälligst nicht in der Stadt mit Spassartikeln einzudecken habe. Vermutlich aber sorgt sich Felix Rudolf von Rohr um was anderes als den Allschwiler Gastfasnächtler. «Fremde Kulturen gehören nicht zur Basler Fasnacht», sagte er schon 2012 in einem Interview.
Was ist das Problem?
Der Mann fürchtet unter anderem, dass Migranten durch das Fasnachtsangebot der Detailhändler fehlgeleitet würden. Sprich: Die brasilianische Zuwanderin könnte meinen, dass man sich als Zuschauerin einen schillernden Cowboyhut aufsetzen soll. Na und? Sollte die Lust am Kreativen, am Verkleiden nicht zunächst einfach mal grundsätzlich begrüsst werden? Sie markiert den Einstieg in die Fasnachtskultur. Und dieser Einstieg ist nicht für jeden gleich erschwinglich. Falls sich ein Besucher nun tatsächlich eine Pappnase aufsetzt, wird er von alleine merken, dass andere darüber ihre echte rümpfen. Spätestens dann, wenn ihm ein Waggis eine Orange auf die Rübe knallt.
Doch kein Grund zur Panik, noch ist Basel weit von einer Karnevalsstadt entfernt. Angst machen sollte den Oberen nicht die Unterwanderung, sondern vielmehr die Überalterung. Das manifestiert sich auch in der verkrusteten Haltung.
Die Fasnacht ist kein Museum, sondern eine Tradition, die sich ständig weiterentwickelt.
Statt zu jammern, sollten sie sich freuen, dass die Fasnacht gerade auch Migrantinnen und Migranten animiert und integriert. Mit der Pracht, Kreativität und Stimmung lässt sich der Eigensinn der Fasnacht transportieren, was sie ist und was sie bedeutet. Aber Verbotsschilder? Die gibts doch in Basel schon genug.
Kommt hinzu, dass die Fasnacht kein Museum ist, sondern eine Tradition, die sich ständig weiterentwickelt. Vor 100 Jahren gabs noch keine Künstlerlarven. Und in 50 Jahren? Gibts hoffentlich noch genügend Köpfe, die sich eine aufsetzen wollen. Um das sicherzustellen, sollten sich die Berufsfasnächtler darauf konzentrieren, Zugewanderte zu begeistern und behutsam an der Hand zu nehmen. So wie dies Eltern machen, die mit ihren Kindern an den Cortège pilgern.
Schauen Sie sich an den beiden Cortèges mal um sich: Wie leer wäre es am Strassenrand ohne Migranten, ohne Touristen? In jeder (Migranten-)Familie, die sich ins Getümmel stürzt, sind potenzielle Cliquenmitglieder zu verorten. Das sollten sich die Wächter der Tradition vor Augen halten, statt sich darüber aufregen, dass Fasnachtsschminke in lokalen Geschäften feilgeboten wird.
Abschliessend betrachtet gibt es für die Lösung dieses Konflikts nur drei Möglichkeiten:
- Das Comité lanciert eine Durchsetzungsinitiative, auf dass der Basler Fasnachtscode in der Verfassung verankert wird. Verkauft ein Geschäft künftig eine Pappnase (Ausnahme: Zauberlädeli), kann der Betreiber sofort aus der Stadt ausgeschafft werden. Rayonverbot erhält zudem jeder Mann, der an der Basler Fasnacht mit geschminktem Gesicht erwischt wird (Ausnahme: Er kann sich als Mike Shiva ausweisen).
- Man sieht von einer Durchsetzungsinitiative ab und kümmert sich um die wahren Probleme. Zum Beispiel um den Nachwuchs. Denn der kommt nicht, weil man pedantisch auf Regeln rumreitet – diese sollte man en passant vermitteln. Der Nachwuchs kommt in erster Linie, weil man bei diesem die Lust geweckt hat, mitzuwirken. Von daher sollen sich die Dogmatiker in ihren Elfenbeinkostümen doch besser fragen, wie sie die Fasnachtskultur in die Zukunft retten wollen. Und mit wem.
- Wir lassen das mit dieser Fasnacht: Mer mache dicht.