Als der Kanton Basel-Stadt vor drei Jahren das Volkshaus verkaufte, schwebte den neuen Besitzern ein «kultureller Leuchtturm» vor. In den vergangenen Monaten machte sich ein enttäuschend grosser Wackelkontakt bemerkbar.
Wenn an diesem Wochenende Tausende ans Clubfestival BScene pilgern, öffnet auch das Volkshaus Basel seine Türe. Oder besser gesagt: sein Seitentürchen. Dort, wo man vor einigen Jahren den Konzertclub Culturium vorfand, spielt während der BScene die elektronische Musik. Das ist neu. Ein Vorgeschmack auf das, was im Volkshaus-Konzept als «No. 8 Club» angekündigt ist und noch räumlich umgesetzt werden soll.
Andere Säle im Volkshaus erstrahlen bereits in neuem Glanz. Nur bekommt man den weniger oft zu Gesicht, als man sich ursprünglich erhofft hatte. Offensichtlich haben die Betreiber den ursprünglich freigesetzten Effort an Eigenveranstaltungen zurückgefahren.
Lange Zeit Sorgenkind der kantonalen Immobilienverwaltung
Ursprünglich. Kein schönes Wort im Zusammenhang mit der Volkshausgeschichte, dessen Sinn und Zweck immer wieder öffentlich diskutiert worden ist. Ein Sorgenkind der kantonalen Immobilienverwaltung war es lange Zeit, viele Ansprüche und Wünsche prallten aufeinander, Zoff mit dem trotzigen Pächter kam hinzu, ebenso eine wurstige Infrastruktur, weshalb Immobilien Basel-Stadt den Ärger loswerden und den Gebäudekomplex veräussern wollte.
Das wirtschaftlich beste Angebot war gesucht. Allerdings musste das Nutzungskonzept überzeugen und der Kultur sollte ein grosses Gewicht eingeräumt werden. Denn eine Petition hatte 2010 beachtlichen Zuspruch erhalten: «Popstadt Basel retten!» Unter dem – zugegeben – reisserischen Titel wurde die Bereitstellung eines Pop-Saals gefordert, einer Alternative zum Stadtcasino, wofür sich der Festsaal des Volkshauses erwiesenermassen hervorragend eignete. Allein die Akustik: ein Traum.
5700 Unterschriften waren ein starkes Signal, das war auch den Behörden klar. Weshalb in der Ausschreibung die kulturelle Nutzung ausdrücklich erwünscht war. Eine Jury wurde hinzugezogen, um die Eingaben auch auf die Kulturkonzepte zu prüfen. Den Zuschlag erhielt die Jugendstil AG, eine Firma der Zürcher Unternehmer Leopold Weinberg und Adrian Hagenbach.
Sie gaben sich bei ihrer Präsentation vor drei Jahren als betont «kunstaffin». Gastronomisch war ihr Leistungsausweis durchaus eindrücklich: Mit dem Hotel und Szenelokal Helvetia waren sie in ihrer Heimatstadt Zürich schon in jungen Jahren sehr erfolgreich. In Basel wollten sie dem Volkshaus frischen Wind einhauchen und die Säle Stück für Stück um- und programmatisch aufbauen, eine Kontinuität herstellen, auf dass das Haus vom Kleinbasel aus in die ganze Region ausstrahle. Manchen Baslern war ihr eleganter Auftritt allerdings suspekt, sie befürchteten, das Volkshaus werde zum Basler «Kaufleuten».
Das «Kaufleuten» macht vor, wie es ginge
Heute stellen wir fest: Es wäre schön, wenn das Basler Volkshaus mit dem «Kaufleuten» vergleichbar wäre. Die wöchentliche Aufzeichnung der TV-Satiresendung «Giacobbo/Müller» ist dort längst nicht die einzige Konstante. Im «Kaufleuten» haben auch Konzerte und Lesungen einen festen Platz. Warum? Weil man geduldig Aufbauarbeit leistete, Geld und Zeit investierte, in ein Netzwerk, in Werbung, in ein (pop-)kulturell interessiertes Publikum.
Es dauerte Jahre, bis das «Kaufleuten» nicht mehr nur als House-Heimat für die Möchtegernschickeria aus der Agglo wahrgenommen wurde (ein Image, das dem Lokal hartnäckig anhaftete), sondern klar wurde, dass dieses auch geistige Nahrung zu bieten hat. Demnächst stellen John Niven, Lukas Bärfuss und Wladimir Kaminer ihre neuen Bücher vor. Metronomy geben ein Konzert, ebenso Patti Smith. Das «Kaufleuten» ist eine echte Bereicherung im Zürcher Kulturangebot geworden.
Der Zufall bestimmt das Programm
Was man vom Basler Volkshaus leider (noch) nicht sagen kann. Zunächst irritierte, dass Markus Simmen, der ursprünglich als Leiter einer Volkshaus Event AG vorgesehen war, sein Amt gar nie richtig antrat. Mit Lukas Wyniger stellten die Besitzer immerhin einen musikbegeisterten Basler ein, der die Hoffnungen und Erwartungen des Konzertpublikums kannte und einen sehr ansprechenden Start hinlegte: Er füllte den grossen Saal mit internationalen Bands wie den britischen Archive sowie mit nationalen Grössen wie Stress oder Phenomden, investierte auch in Experimente wie die kunterbunte Gruppe Bonaparte. Eine gelungene Mischung, die aufhorchen liess.
An eigenen Veranstaltungen wird gespart
Das Versprechen, nebst Fremdveranstaltungen ein eigenes Programm aufzuziehen, wurde jedoch nicht lange eingelöst. Es war offensichtlich, dass nach einigen Rückschlägen an der Kasse – bei der amerikanischen Rockgruppe Nada Surf konnte der Saal nicht zur Hälfte gefüllt werden – bei den Eigentümern bereits der Geduldsfaden riss. Frappant, wie in den letzten Monaten an Eigenproduktionen gespart wurde. Doch mit Diavorträgen und sporadischen Konzerten allein kann sich das Volkshaus nicht als unverzichtbarer Ort fürs kulturelle Basel etablieren. Zumal bei Vermietungen oft der Zufall eine Rolle spielt: Sind die Säle verfügbar? Oder hat ein Pharmaunternehmen bereits ein lukrativeres Bankett gebucht?
Die BuchBasel brachte im Herbst 2013 immerhin mal die Literatur an die Rebgasse, im Frühjahr zieht das Jazzfestival nach (weil es wegen Bauverzögerungen des Jazzcampus ausweichen musste). Der Blues ist schon länger da (Blues Now!, Blues Festival Basel)– und ewig, so scheint es, das Charivari. Aber Kontinuität und ein klares Profil lassen sich nicht durch punktuelle Vermietungen gewährleisten, ein Stammpublikum lässt sich auf diese Weise kaum aufbauen.
Ausdauer wäre angesagt, um dem Volkshaus ein Kultur-Profil zu geben.
Es mag sein, dass der Kanton Mitschuld trägt, indem er einen zu hohen Preis verlangte. Dennoch erhoffte man sich mehr Mut. Bankette und Vermietungen sind risikofrei für die Besitzer, die dritte Säule aber, wie sie einst in einem dicken Dossier stolz präsentiert wurde, jene der Eigenproduktionen, ist verschwindend klein.
All das ist bedauerlich. Manche sagen jetzt, sie hätten es kommen sehen. Das bringt nichts mehr. Wichtiger ist der Appell an die Besitzer, mehr Ausdauer zu zeigen, sich einen Ruck zu geben und ein eigenständiges Profil aufzubauen.
Ihre vollmundigen Ankündigungen klingen noch nach: Das Volkshaus solle für «kulturellen Anspruch» stehen, sagten sie vor drei Jahren. Ob die «Mönche des Shaolin Kung Fu» dazugehören, die nach BScene als Nächstes auf dem zusammengewürfelten Programm stehen?
Lukas Wyniger hat den Stab abgegeben
Und wo sind die engen Kooperationen mit dem Architekturmuseum geblieben? Wo die Events eines «Arts Club»? Die Stand-up-Comedy? Lukas Wyniger mag die Entwicklungen nicht kommentieren, er hat vor wenigen Tagen den Stab abgegeben, um fortan als Musikredaktor bei Radio SRF3/Virus zu arbeiten. Offensichtlich, dass ihn diese Möglichkeit mehr begeistert hat als jene, die sich ihm zuletzt im Volkshaus boten. Sein Nachfolger heisst Lawrence Pawelzik, hat sich die Sporen im Rhypark abverdient, im Bankettgeschäft und mit Partys für junge Menschen.
Ob er den Wackelkontakt des «kulturellen Leuchtturms» beheben wird? Im April werden wir mehr wissen. Dann informiert das Volkshaus über Erkenntnisse und Strategien.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 28.02.14