Mehr Schweizerdeutsch lässt sich nicht erzwingen

Die Aufregung ist gross um die Forderung der Basler SP nach einer Quote für Schweizerdeutsch sprechende Kinder an den Schulen. Das Parlament wird dazu aber wohl Nein sagen. Und das ist auch gut so.

Die Basler SP will in den Schulen eine Quote für Schweizerdeutsche Kinder einführen – ein Unsinn. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Aufregung ist gross um die Forderung der Basler SP nach einer Quote für Schweizerdeutsch sprechende Kinder an den Schulen. Das Parlament wird dazu aber wohl eher Nein sagen. Und das ist auch gut so. Ärgerlich ist die Verlogenheit in der Schulpolitik dennoch.

Schon lange hat ein simpler Vorstoss aus Basel im ganzen Land nicht mehr für so viel Gesprächsstoff gesorgt – und das sogar schon vor der Debatte im Grossen Rat.

Die grossen Zeitungen aus Basel, Zürich, Bern und der Ostschweiz – sie alle haben in den vergangenen Tagen über den Anzug von Sibylle Benz (SP) berichtet. Und selbstverständlich interessierte sich auch das Schweizer Fernsehen für ihre Forderung nach einer Quote von mindestens 30 Prozent Kinder Schweizerdeutscher Muttersprache an den Basler Schulen.

Die soziale und sprachliche Durchmischung sei Voraussetzung für den schulischen Erfolg, sagt Benz und in der ganzen Berichterstattung stiess diese Position auf einiges Verständnis. Auch bei Fachleuten wie Beat Zemp. Der Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes sprach von einer «Chance», die man nun nutzen müsse, um «Ghetto-Schulen zu verhindern».

Der Ärger über Eymann ist verständlich

Zuletzt verschob sich die Debatte allerdings weg von der inhaltlichen Ebene auf eine eher zwischenmenschliche. Schuld daran ist Erziehungsdirektor Christoph Eymann (LDP), der eine Quote von 30 Prozent für reine Willkür hält und darum in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» ankündigte, den Vorstoss «erst mal abhängen zu lassen», falls er am Mittwoch im Grossen Rat angenommen werde.

Nun ist es leider normal, dass sich Regierungsräte um Anregungen und Forderungen des Parlaments foutieren. Nicht normal ist allerdings, dass sie so ehrlich, überheblich oder einfach nur unüberlegt sind, das auch offen zu sagen.

Entsprechend gross ist nun der Ärger unter einzelnen Parlamentariern, wie die Basler Zeitung heute protokolliert (online leider nicht verfügbar).

Die Wut ist verständlich. Dennoch würde es sich lohnen, noch einmal ein paar nüchterne Gedanken über den Inhalt des Vorstosses anzustellen.

Ein Heer von Juristen steht bereit

Dabei käme man bald einmal zum Schluss, dass sich die Schweizerdeutsch-Quote (warum eigentlich nur Schweizerdeutsch und nicht wenigstens noch Hochdeutsch?) nicht durchsetzen lässt. Nur schon wegen der Eltern, die Heere von Juristen losschicken würden, um umstrittene Schüler-Verschiebungen zu verhindern. Und falls sie keinen Erfolg haben, ziehen jene, die es sich leisten können, einfach weg.

Unter stillschweigender Billigung des Erziehungsdepartements wird bereits im heutigen System getrickst und betrogen. Kinder werden in anderen Quartieren ins Tagesheim geschleust, an ferne Mittagstische geschickt, bei der Grossmutter oder unter irgend einer Briefkastenadresse angemeldet, nur damit sie auch dort in die bevorzugte Schule gehen können. In eine Schule mit möglichst vielen deutschsprachigen Kindern aus gutem Haus.

Etwas mehr Ehrlichkeit

Wirklich lösen könnte man dieses Problem nur mit einer Stadtplanung, die diesen Namen auch verdient und für eine bessere Durchmischung sorgt.

Im Schulbereich könnte man höchstens für etwas mehr Ehrlichkeit sorgen – mit einer freien Auswahl der Schule. Auf diese Weise könnten nicht mehr nur die besonders Schlauen ihre Schule selbst bestimmen, sondern alle. Theoretisch zumindest. Praktisch würde wohl auch dieses Angebot vor allem von den gut Gebildeten und gut Verdienenden genutzt. Die Folgen wären die gleichen wie heute schon: Klassen mit fast nur deutschsprachigen Kindern in den einen Schulen, Klassen mit fast nur Fremdsprachigen an anderen.

Die zweitschlimmste Plattitüde – und doch auch: eine Weisheit

So kann man im Moment nur darauf setzen, dass die wohl zweitplatteste Plattitüde («die Qualität des Unterrichts hängt vom Lehrer ab») ebenso zutreffend ist wie die aller platteste («der Ball ist rund und ein Fussballspiel geht 90 Minuten plus Nachspielzeit»).

Denn wo sonst gibt es so viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer wie in den so genannten Problemschulen?

Ihrem Image hat die SP nun leider eher noch geschadet. Ansonsten wird von ihrem Vorstoss nicht viel übrig bleiben. Auch die Aufregung wird sich bald wieder gelegt haben. Zum Glück.

Ein Hin und Her

Sibylle Benz selbst ist nach eigener Aussage «etwas überrascht» über die Aufregung, die ihr Vorstoss ausgelöst hat. Zumindest bis zu einem gewissen Grad fühlt sie sich auch falsch verstanden. Ihr Ziel sei keine fixe Quote (auch wenn im Anzug von 30 Prozent beziehungsweise einem Drittel Schweizerdeutsch sprechender Kinder pro Klasse die Rede ist) – sondern ganz einfach eine bessere Durchmischung der Schulklassen und eine «qualitative Diskussion» über mögliche Massnahmen.
Nicht in Frage komme für sie zudem, Schülerinnen und Schüler quer durch die ganze Stadt in ein anderes Quartier zu verschieben: «Es ist wichtig, dass die Kinder zu Fuss in die Schule gehen können und nicht mit dem Auto hin und her gefahren werden.» Darum rege sie in dem Vorstoss auch nur «eine Flexibilisierung der Quartiergrenzen» an, die eine «geschickte Zuteilung der Lernenden» auf die einzelnen Schulstandorte ermöglichen würde. «Mein Grundanliegen ist es, die Bildungschancen aller Kinder zu erhöhen. Und weil Bildung über Sprache erfolgt, liegt der Schlüssel in der Verbesserung der Sprachkompetenz», sagt Sibylle Benz.
Bis vor Kurzem ging man noch davon aus, dass der Vorstoss morgen Mittwoch vom Grossen Rat überwiesen wird. Dies in der Annahme, dass nicht nur die linken Parteien dafür sind, sondern auch die SVP, welche die Basler Schulen schon lange massiv kritisiert, insbesondere auch wegen des teilweise hohen Ausländeranteils in den Klassen. Entsprechend freudig äusserten sich Vertreter dieser Partei, dass nun offenbar auch die linken Parteien die Schulproblematik entdeckt hätten.
An der Fraktionssitzung sprach sich die SVP nun aber doch mehrheitlich gegen den Anzug aus – weil eine staatlich angeordnete Verschiebung von Schulkindern möglicherweise auch von einem Quartier ins andere unliberal wäre, wie die TagesWoche aus Kreisen der SVP erfuhr. Aus den gleichen Gründen werden wohl auch die anderen bürgerlichen Parteien mehrheitlich Nein stimmen.
Damit zeichnet sich im Hinblick auf die Parlamentsdebatte nun eher eine Ablehnung ab, unabhängig davon, dass das Grüne Bündnis noch unentschlossen scheint.

Nächster Artikel