Nur wer Vorurteile zementiert, wird gehört

Ein schwarzer Kommentator lässt seiner Wut über die Wahrnehmung der Geschehnisse in Baltimore freien Lauf.

Protestierende springen nach dem Tod von Freddie Gray in Baltimore auf einen Polizeiwagen (25. April 2015). (Bild: SHANNON STAPLETON)

Ein schwarzer Kommentator lässt seiner Wut über die Wahrnehmung der Geschehnisse in Baltimore freien Lauf.

Dieser Eintrag wurde auf der Community-Plattform Reddit veröffentlicht. Es ist die Antwort von User mach-2 auf ein Video, in dem ein schwarzer Youtuber aus Baltimore die gewaltsamen Proteste gegen die Polizeigewalt scharf verurteilt und die Protestierenden mit den Aggressoren in «Planet der Affen» vergleicht.

Thom Nagy hat den Text mit Zustimmung des Autors übersetzt und zur besseren Verständlichkeit leicht redigiert. Das englische Original finden Sie hier. Unserer Meinung nach befasst er sich aus einer Perspektive mit diesem schwierigen Thema, die im deutschsprachigen Raum zu kurz kommt.
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Der Mann im Video hat recht, die schlechte Organisierung und das generelle Chaos erschweren die Ziele der schwarzen Protestierenden nur und es ist eine verdammte Schande, die Plündereien und die Idiotie in Baltimore zu sehen. Er hat auch recht wenn er sagt, dass die Medien uns nur das zeigen, was sie uns zeigen wollen.

Was der Typ im Video nicht erwähnt hat, sind die vier Tage dauernden friedfertigen Proteste, bevor die Scherereien begannen. Darüber hinaus ist auch er in die Falle getreten, aufgrund der Bilder, die er in den Medien gesehen hat, froh zu sein, dass er nicht dabei war. Wenn er seine eigenen Worte beherzigt hätte, wäre er hingegangen. Er hätte der von ihm beschriebene Nigga sein sollen, der gegen den Strom schwimmt und diejenigen mit den Kameraphones dazu bringt, die Idiotie aufzubrechen. Letztendlich ist es einfach zu urteilen, wenn man nicht einmal an den friedlichen Protesten teilgenommen hat.

Hier ist ein Beispiel dafür, das es nicht bis in die Abendnachrichten schaffen wird:

Es ist sehr einfach, auf Martin Luther King zu verweisen und zu behaupten, er würde sich heute im Grab umdrehen, weil man sieht, wie ungebildete Schwarze Krawall machen. Aber was dabei nicht bedacht wird: In der Zeit von King war der Rassismus im Gesetz verankert und damit fassbar, sodass er darauf zeigen und sagen konnte: «Diese Gesetze unterdrücken uns.» Er hatte eine klar fassbare Rechtfertigung für sein Handeln.

Heute sind wir in einer Welt der Hundepfeifen. Die Polizisten sagen nicht offen, dass sie schwarze Männer jagen, sondern «Verbrecher» und «Drogendealer» oder «urbane Jugendliche». Den Blödsinn, den diese «Jugendlichen» machen, machen auch weisse Teenager. Ein Beispiel dafür ist der Mord an James Craig Anderson. Oder dieses Video einer Gruppe weisser Kids, die einen Asiaten in einer Gasse verprügeln. 

Einfache Stereotypen

Idiotie ist wie eine Welle, die stärker wird, wenn sie auf ihresgleichen trifft. Arme Leute beim Plündern zu sehen ist keine neue Erkenntnis über Phrenologie oder die Degeneration des schwarzen Mannes. Es ist so verdammt einfach zu sagen: «Das hat meine Stereotypen bestätigt» und «dieser schwarze Mann bestätigt mich in meinem Rassismus», weil es nur eine Minderheit braucht, mit der man nie zu tun hat, um die Wahrnehmung von anderen Minderheiten zu bestätigen.

Was in Baltimore passiert, ist ein Widerhall von Ferguson. Wir sprechen hier von einer Gruppe von Menschen, die vom Gesetz und von denen, die behaupten, sie würden es vertreten, in die Frustration geprügelt wurden. Erst sagten die Leute, Schwarze seien gefährlich. Wenn wir nicht verhaftet werden wollen, sollen wir keine Kriminaltaten begehen, sagten sie. Ist das nicht der Rat, den Freddie Gray befolgte, als ihm der Rücken an acht Stellen gebrochen wurde?

Was in Baltimore passiert, ist ein Widerhall von Ferguson.

Freddie Gray wurde verhaftet, weil er ein Klappmesser dabeihatte. EIN KLAPPMESSER. Wie viele Weisse sehen wir mit dem Gewehr in der Hand, die die Freiheiten anführen, welche ihnen von den amerikanischen Gründervätern gegeben wurden? Und dieser Typ wurde für ein Springmesser verhaftet, sein Rückgrat an acht Stellen gebrochen von einer Farce von Gesetzeshütern.

Oder dieser Typ, der niedergeschossen wurde und dann einen Taser untergeschoben kriegte. Oder dieser Reservist, der einen Schwarzen niederschoss und sagte, er hätte gedacht, seine Pistole sei sein Taser. Der Typ geht auf die Bahamas. Auf die fucking Bahamas.

Bestürzende Beispiele

Nach dem Fiasko um Mike Brown gab es eine Untersuchung der Polizei von Ferguson, in der tiefgehende Korruption zutage kam. Davon war hier auf Reddit nichts zu sehen.

Hat jemand von diesen Ereignissen in Missouri gehört?

Parma, MO: «Die erste afro-amerikanische, weibliche Bürgermeisterin in der Geschichte von Parma Missouri wurde am Dienstag vereidigt. Die Hälfte des Parma Missouri Police Departments trat am Mittwoch zurück. Fünf der sechs Offiziere beendeten ihre Arbeit sofort, drei weitere Mitarbeiter der Stadt haben ihre Positionen ebenfalls geräumt.»

Kinloch, MO: «Nur wenige Minuten von Ferguson entfernt findet sich Kinloch. Dort wurde diesen Monat eine neue Bürgermeisterin gewählt: Betty McCray, 64, seit sieben Jahren Stadtrat. Aber die Versammlung der Stadträte weigerte sich, sie zu vereidigen, und jetzt kann McCray nicht ins Rathaus einziehen. Am Donnerstag, nachdem sie von Beamten in St. Louis County in der Nähe von Clayton vereidigt wurde, erschien sie in Kinloch, wo Rathaus und Polizeistation kombiniert sind. Der Zutritt wurde ihr verweigert und man übergab ihr Papiere zur Amtsenthebung.»

Ich verstehe es, Reddit. Ihr seht Schwarze als Kriminelle und diejenigen von uns, die eure Vorurteile bestätigen als artikuliert und logisch und ja, es ist richtig, dass diese dummen Idioten dumme Idioten sind. Aber wenn ich die entsprechenden Threads zu den Unruhen lese, dann ist es nicht nur Kritik. Es ist ausgewachsener Sturmfront-Mist.

Blockierter Dialog

Reverend Al Sharpton und Jesse Jackson touren durchs Land und führen Gespräche mit schwarzen Gemeinden. Trotzdem gilt der Konsens, dass Schwarze nicht über Verbrechen an Schwarzen sprechen. Wenn wir darüber reden, hört ihr nicht zu oder sagt, dass wir die Schuld den Weissen geben. Wenn wir anfangen Dinge wie sozioökonomische Faktoren zu berücksichtigen, ruft ihr «Social Justice Warrior» [Anmerkung Redaktion: ein abwertender Ausdruck für Leute, die sich im Internet für soziale Anliegen einsetzen]. Die Diskussion ist nur genehm, wenn «die animalistischen Verbrecher» das Narrativ sind.

Wenn andere Redditors [Community-Mitglieder bei Reddit] für einmal doch darüber reden, werden sie angebrüllt und als weisse, privilegierte Tumblrinas bezeichnet, weil jeder links von Hitler ein Social Justice Warrior ist, fast als ob Weisse, die Verständnis zeigen und die Perspektive von Minderheiten einzunehmen versuchen, Verrat an ihrer Rasse begehen.

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Die Unruhen von Baltimore in Bildern

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