Papstrücktritt hinterlässt Hypothek

Benedikt XVI. gebührt höchster Respekt für seinen sensationellen Schritt, Ende Februar lebend aus dem Papstamt scheiden zu wollen. Gleichwohl ist der Papstrücktritt eine Hypothek für den Nachfolger, meint unser TagesWoche-Kommentator.

Papst Benedikt an der Gründonnerstags-Predigt (Bild: sda)

Benedikt XVI. gebührt höchster Respekt für seinen sensationellen Schritt, Ende Februar lebend aus dem Papstamt scheiden zu wollen. Gleichwohl ist der Papstrücktritt eine Hypothek für den Nachfolger, meint unser TagesWoche-Kommentator.

Der Papst tritt zurück. Als die Meldung kam, traute ich meinen Ohren nicht. Damit hatte kein noch so eingefleischter Beobachter gerechnet. Für seinen in der Moderne einzigartigen Entscheid, am 28. Februar das Papstamt niederzulegen, ist Benedikt XVI. allerdings aller Respekt zu zollen, zumal er seinen Rücktritt mit seinen schwindenden körperlichen und geistigen Kräften begründet.

Schon 2010 hatte der damals 83-jährige Papst in einem Interview zu Protokoll gegeben: «Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten.» So überraschend kommt der angekündigte Rücktritt – übrigens der einzige der Moderne entsprechende Schritt dieses Papstes – denn wohl doch nicht.

Auf der Suche nach tieferliegenden Gründen für die Rücktrittsankündigung kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Missbrauchsskandal und die Vatileaks-Affäre dem fast 86-jährigen Papst die letzten Kräfte geraubt haben. Dabei wollte Papst Benedikt die katholische Kirche in seinem Pontifikat auf ein festes Fundament stellen und gestärkt in das neue Jahrtausend führen. Damit ist es nichts geworden.

Skandale überschatten Benedikts Amtszeit

Im Gegenteil. Zu den Skandalen wegen sexuellen Missbrauchs durch Priester und wegen Vatileaks, also der Weitergabe streng vertraulicher Dokumente aus der engsten Umgebung des Papstes, bleibt ein Schatten über der achtjährigen Amtszeit von Benedikt XVI.. Unter ihm hat der Vatikan beharrlich dringend nötige Reformen in der römisch-katholischen Kirche blockiert: über das längst überfällige Frauenpriestertum darf bei den Katholiken offiziell nicht mal mehr diskutiert werden. Auch bewährte verheiratete Männer – Theologen und Seelsorger – können nicht Priester werden. Die ökumenische Eiszeit hat sich weiter verhärtet, nachdem Benedikt den anderen christlichen Kirchen das Kirche-Sein abgesprochen hat. Die Liste liesse sich problemlos verlängern.

Ostern, also Anfang April, wird das neue Oberhaupt der Katholiken gewählt sein, so heisst es im Vatikan. Doch auch wenn Benedikt XVI. zurückgetreten ist, wird sein Kurs wie ein lebendiger Schatten für den neuen Papst eine Verpflichtung bleiben. Insofern ist der Papstrücktritt bei allem Respekt auch eine Hypothek, die die Hoffnung auf einen neuen Aufbruch nicht gerade zu stärken vermag.

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