Scherbenhaufen und Chance

Das Nein zum Steuerabkommen ist nicht nur für Deutschland ein schlechtes Geschäft, sondern auch für die Schweiz. Aus diesem Grund sollte die Schweiz ein starkes Signal aussenden und den automatischen Informationsaustausch selber anbieten – so schnell wie möglich und wenn nötig einseitig.

Kein guter Tag für Wolfgang Schäuble: Der deutsche Finanzminister war für das Steuerabkommen - die letzte Chance ist aber noch nicht vorbei. (Bild: Gero Breloer)

Das Nein zum Steuerabkommen ist nicht nur für Deutschland ein schlechtes Geschäft, sondern auch für die Schweiz. Aus diesem Grund sollte die Schweiz ein starkes Signal aussenden und den automatischen Informationsaustausch selber anbieten – so schnell wie möglich und wenn nötig einseitig.

Das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik ist am Nein des deutschen Bundesrats gescheitert; es fand statt der erforderlichen 35 nur 21 befürwortende Stimmen. Das Ergebnis ist ein Scherbenhaufen. Die Regierung kann zwar noch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. Sie kann den ablehnenden, rot-grün regierten Bundesländern auch die eine oder andere Milliarde als Umfall-Belohnung versprechen. Das wird aber kaum helfen, denn in Deutschland sind bald Wahlen – und die SPD hat das Banken- und Finanzmarkt-Bashing zum Wahlkampfthema erkoren. Ob das Steuerabkommen tatsächlich klinisch tot ist, wird sich spätestens am 14. Dezember herausstellen, wenn der deutsche Bundesrat zum letzten Mal in diesem Jahr tagt.

Mit dem Nein verzichtet der deutsche Bundesrat zunächst einmal auf die Ablasszahlung von etlichen Milliarden Euro für hinterzogene Steuern der Vergangenheit. Zudem liegt mit dieser Ablehnung auch die geplante Abgeltungssteuer auf Eis, mit der künftig deutsche Guthaben in der Schweiz an der Quelle hätten belastet werden sollen (wir kennen das bei uns als «Verrechnungssteuer»).

Die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat macht damit ein schlechtes Geschäft. Denn ob die deutschen Steuerfahnder «auf die harte Tour» – also mit der illegalen Beschaffung von Bankkundendaten für die Vergangenheit mehr herausholen können als mit der Ablasszahlung, steht in den Sternen. Deutsche Experten gehen davon aus, dass die wirklich grossen Steuerflüchtlinge den unsicher gewordenen Schweizer Hafen längst in Richtung Asien verlassen haben. Was zur Strafverfolgung übrig bleibt, sind die von den deutschen Fahndern so genannten «BMW-Kunden»; die heissen nicht so, weil sie ihr Geld mit dem BMW in die Schweiz bringen, sondern weil es sich um «Bäcker, Metzger, Wirte» handelt. Zur Kasse werden also eher kleine und mittlere Steuersünder kommen. Ob das die Steuermoral in Deutschland stärkt?

Auch für die Schweiz ist das Nein aus Berlin ein schlechtes Zeichen. Denn es bedeutet, dass die Fahndung nach Kundendaten weiter gehen wird, dass betroffene Banken in vielen Fällen mit Bussen belegt werden, dass dadurch ihr ganz normales Geschäft in Deutschland beeinträchtigt wird. Und zwar so sehr, dass über kurz oder lang der automatische Informationsaustausch als das kleinere Übel erscheinen wird. Die Grossbanken stellen sich auf dieses Szenario bereits ein, etliche Privatbanken fürchten es wie der Teufel das Weihwasser.

Der grösste Schaden für die Schweiz besteht aber darin, dass wegen dieses Neins keine Ruhe einkehrt. Denn das war das wichtigste Ziel der Schweizer Unterhändler: einen Strich unter die Vergangenheit ziehen, für die Zukunft auf Schwarzgeld verzichten und eine Regelung finden, die Steuerehrlichkeit deutscher Kunden zu gewährleisten. Nach dem Nein bleibt zunächst alles beim alten. Alle paar Wochen fliegt wieder ein Steuersünder auf – und mit jedem einzelnen Fall wird der Ruf der Schweiz noch ein bisschen stärker ramponiert. Als ehrlicher Schweizer Steuerzahler habe ich es satt, immer wieder mit dem Finanzsektor in einen Topf gesteckt zu werden.

Als Schweizer sollten wir nicht abwarten, bis deutsche Politikern diesen Schlaumeiern das Handwerk legen. Wir sollten nach dem Nein aus Berlin vielmehr den automatischen Informationsaustausch selber anbieten – so schnell wie möglich und wenn nötig einseitig. Das wäre ein starkes Signal – und die Chance, unseren Banken tatsächlich eine Weissgeldstrategie zu verpassen.

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