So vernünftig müssten auch mal die Politiker sein

Mit dem dreifachen Nein zu den Bildungsinitiativen hat das Baselbieter Volk einen vernünftigen Entscheid gefällt. Nun müssten endlich auch Regierung und Parlament Augenmass zeigen – sonst gibts in der Baselbieter Schule bald erhebliche Probleme.

Die Gegner der Bildungsinitiativen überzeugten erst die Kinder, die ihre Plakate so lustig drehen konnten. Und dann das Stimmvolk. Gelöst sind die Probleme in der Schule damit aber noch längst nicht. (Bild: Michael Rockenbach)

Mit dem dreifachen Nein zu den Bildungsinitiativen hat das Baselbieter Volk einen vernünftigen Entscheid gefällt. Nun müssten endlich auch Regierung und Parlament Augenmass zeigen – sonst gibts in der Baselbieter Schule bald erhebliche Probleme.

Deutlich kleinere Klassen, weniger Unterrichtsstunden für die Klassenlehrer und die Garantie für alle Schülerinnen und Schüler, die nächst gelegene Sekundarschule besuchen zu dürfen: Es waren eigentlich ganz sympathische Forderungen, die das überparteiliche Komitee in seinen drei Bildungsinitiativen gestellt hat. Die Lehrer, die Kinder und Jugendlichen, die Eltern – sie alle konnten sich einen Vorteil versprechen.

Und doch hatten die Initiativen einen entscheidenden Nachteil: 30 Millionen Franken hätten sie Kanton und Gemeinden gekostet. Das ist viel Geld. Geld, das der marode Kanton leider nicht hat. Darum ist das Nein zu allen drei Initiativen ein vernünftiger Entscheid, auch wenn das die Lehrerinnen und Lehrer nicht gerne hören werden.

Noch viel weniger lieb wäre ihnen aber wahrscheinlich die Alternative gewesen, die ihnen die Baselbieter Regierung im Falle eines dreifachen Ja präsentiert hätte. Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) hat bereits offen davon gesprochen, Unterrichtsstunden zu streichen. Ein krasser Abbau. Und damit eine blöde Idee, wie selbst Wüthrich einräumt. Eine bessere Idee wäre von Wüthrich und seinen Ratskollegen allerdings kaum zu erwarten gewesen, so hilflos wie sie seit Monaten regieren oder besser gesagt: zu regieren versuchen.

Der grundlegende Widerspruch bleibt

Darum muss man dem Volk dankbar sein für seinen Vernunftsentscheid, der erst noch überraschend deutlich gefallen ist (mehr zu den einzelnen Initiativen unten im Kasten; alle Resultate auch aus den einzelnen Gemeinden hier).

Fast ebenso klar wurde der Gegenvorschlag der Regierung angenommen (56 Prozent), der nun etwas kleinere Klassen bringen wird. Das ist immerhin ein Trost für die Abstimmungsverlierer.

Es ändert aber leider auch nichts am grundsätzlichen Widerspruch in der Baselbieter Bildungspolitik: Einerseits soll die aufwändige Schulreform Harmos durchgezogen, andererseits überall gespart werden. Diese Rechnung geht auf die Dauer nicht auf. Gross angelegete Umstellungen sind nie gratis, sofern sie mehr hinterlassen sollen als frustrierte Mitarbeiter und unzufriedene Kunden. Oder eben frustrierte Lehrer und unzufriedene Schüler.

Darum hat Wüthrich recht, wenn er nun betont, das Abstimmungsergebnis sei «kein Freipass» für neue Sparmassnahmen in der Bildung. Oder für einen «Qualitäts- und Bildungsabbau», wie er es nennt.

Das wird aber nicht ohne Weiteres die Mehrheitsmeinung in einer Regierung, die noch immer verzweiftelt auf der Suche nach Sparmöglichkeiten ist.

 

Die Abstimmung im Detail: Am 25. November sagten die Baselbieter Nein zu allen drei Bildungs­initiativen – und zwar klar mit bis zu 65 Prozent Nein-Stimmen; angenommen wurde dafür der Gegenvorschlag der Regierung zu einer der drei Initiativen – zu jener «gegen überfüllte Klassen», die mit 63 Prozent abgelehnt wurde.

In dieser Initiative wurde gefordert, dass sowohl die Richt- als auch die Höchstzahl von ­Schülern auf allen Stufen gesenkt wird. In der Sekundarschule, Niveau E, zum Beispiel von 26 auf 22 (Höchstzahl) beziehungsweise von 22 auf 20 (Richtzahl). Der mit 56 Prozent der Stimmen angenommene ­Gegenvorschlag verspricht eine ­«Anpassung mit mehr Augenmass» – das heisst: in der Primar sowie in der Sek, Niveau E und P, eine Senkung der Höchstzahl von 26 auf 24.

Die zweite Initiative zur «Optimierung der Betreuung» war jene, die beim Volk am schlechtesten ankam (65 Prozent Nein). Mit diesem Begehren sollte  die Pflichtstundenzahl der Klassenlehrer in der Primar und in der Sek um eine Lektion gesenkt werden. Die frei werdende Zeit sollte in die ­individuelle Betreuung der Schüler ausserhalb des ordentlichen ­Unterrichts investiert werden.

Mit der Initiative gegen «Zwangsverschiebungen» sollte erreicht werden, dass alle Jugendlichen die nächst gelegene Sekundarschule besuchen können. Seit vergangenem Schuljahr drängt der Kanton darauf, dass die Klassengrössen besser ausgenutzt werden, auch wenn dafür Jugendliche an weiter entfernte Schulen geschickt werden müssen. An dieser Praxis ändert sich nun nichts, nachdem die entsprechende Initiative mit 59 Prozent der Stimmen abgelehnt worden ist.

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