Spiel mit dem Feuer

Die Eigeninteressen der politischen Kräfte Italiens blockieren die Bildung einer Regierung. Ein Kommentar.

Pierluigi Bersani, der mit der Regierungsbildung beauftragt ist, steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe. (Bild: Keystone)

Die Eigeninteressen der politischen Kräfte Italiens blockieren die Bildung einer Regierung.

Jetzt ist auch noch der Aussenminister zurück getreten. Italiens Politik stellt sich bereits als kaum verständliches Spektakel zwischen Opera Buffa und Trauerspiel dar.

Mitten in der heissen Phase des schwierigen Versuchs, eine Regierung zu bilden, gab Giulio Terzi di San’Agata sein Amt auf, weil er in der Affäre um zwei in Indien festgehaltene italienische Marinesoldaten von den anderen Mitgliedern der Regierung Monti übergangen worden sei.

Neblig-trübe Aussichten

Ein solcher Akt zu einem der politisch sensibelsten Zeitpunkte der vergangenen Jahre rettet weniger den eigenen Ruf, sondern fördert die Instabilität im Land. Und die Stabilität Italiens, der drittgrössten Volkswirtschaft der Euro-Zone, bedeutet bekanntlich auch ein großes Stück europäischer Sicherheit. Man muss sich Sorgen machen um Italien.

Denn von einer wie auch immer gearteten Einigung zur Bildung einer Regierung wirken die politischen Kräfte des Landes meilenweit entfernt. Der vom 87 Jahre alten Staatspräsidenten Giorgio Napolitano beauftragte Chef der Linksdemokraten, Pierluigi Bersani, hat noch bis Ende dieser Woche Zeit, eine Mehrheit in der ersten Kammer des Parlaments, dem Senat, zu finden. Dann muss er das Ergebnis seiner Sondierungen dem Staatspräsidenten präsentieren. Nach aktuellem Stand sind seine Aussichten neblig-trüb.

Insgesamt gehen die Chancen auf eine rasche Einigung gegen Null. Das liegt vor allem an den starren Positionen der drei wichtigsten politischen Kräfte, die jeweils knapp ein Drittel der Stimmen bei der Parlamentswahl Ende Februar erreichten: Die Demokratische Partei (PD), die knapp Wahlsieger wurde, das Berlusconi-Lager (PdL) sowie die 5-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppe Grillo. Damit ist auch schon das Dilemma vorgezeichnet.

Zwei von dreien müssen sich einigen

Zwei der drei Lager müssen sich einigen, um eine Mehrheit zu Stande zu bringen. Aber anstatt sich zu einigen und Italien auf dem Reformweg voranzubringen, stellen sie Eigeninteressen in den Vordergrund. Diese wirken aus der jeweiligen Perspektive schlüssig, blockieren aber den politischen Betrieb und haben de facto Führungslosigkeit zur Folge.

Die gegenwärtige Regierung von Ministerpräsident Mario Monti ist pro forma noch im Amt, hat aber keine legislativen Möglichkeiten mehr. Monti hat sich durch seine (erfolglose) politische Kandidatur als parteilose Integrationsfigur zudem aus dem Spiel genommen. Aus guten Gründen schliesst Bersani eine Allianz mit Berlusconi aus.

Die italienische Linke würde bei den eigenen Wählern unglaubwürdig, liesse sie sich erneut mit dem Ex-Premier ein. Denn der signalisiert zwar Kooperationsbereitschaft, verschweigt der Öffentlichkeit aber, dass diese an fixe Bedingungen geknüpft ist. Im Kern strebt Berlusconi, der seine Partei nach dem Wahlerfolg wieder voll im Griff zu haben scheint, juristische Garantien im Hinblick auf seine Strafprozesse an. Deshalb spielt bei den Verhandlungen auch die Personaldebatte um die Person des künftigen Staatspräsidenten eine entscheidende Rolle.

Grillo-Bewegung verpasst Chance

Der Nachfolger Napolitanos wird Mitte Mai gewählt, er hätte die Möglichkeit den bereits 76 Jahre alten Berlusconi im Fall einer definitiven Verurteilung zu begnadigen. So ist das in dieser Phase überaus wichtige Garantie-Amt zum Teil des politischen Kuhhandels geworden.

Auf dieses unwürdige Spektakel, das Italien in der Vergangenheit zu oft geboten hat, spekuliert nun die 5-Sterne-Bewegung. Sie hat definitiv ausgeschlossen, einer von anderen Kräften gebildeten Regierung in den Sattel zu helfen und bleibt damit ihrem im Wahlkampf geäusserten Protest gegen die Parteienherrschaft treu.

Doch aus ideologischen Gründen verpasst die Grillo-Bewegung eine historische Chance, die so nicht wieder kommen wird. Grillo spekuliert auf Neuwahlen, den Zusammenbruch der erstarrten Parteien und den eigenen Wahlsieg. Er riskiert damit zu viel. Am Ende könnte er die Chance verspielt haben, zusammen mit der Demokratischen Partei die wichtigsten Reformen (Wahlrecht, Reduzierung der Staatsausgaben, Wachstum) durchzubringen.

Denn auch Neuwahlen versprechen keine wesentliche Veränderung der Kräfteverhältnisse. Der politische Patt könnte zum Dauerzustand werden. Auf den Finanzmärkten freuen sich die Geier bereits auf das italienische Aas.

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