Die Baselbieter Sparstrategie mag radikal sein, visionär ist sie nicht. Die Massnahmen schneiden am Schluss dem Mittelstand ins Fleisch – sofern sie überhaupt durchkommen.
Es war keine Offenbarung, es war vor allem eine Bestätigung, die der Baselbieter Regierungsrat gestern vorlegte. Wesentliche Posten des Sparprogramms waren schon bekannt: die Kürzung der Uni-Beiträge, die höheren U-Abo-Preise, auch dass beim Personal gespart werden soll.
Das Sparprogramm ist deftig. 400 Vollstellen streicht der Kanton bis 2019, das ist jede zehnte Stelle auf der Verwaltung; wer bleiben darf, erleidet eine flächendeckende Lohnkürzung von einem Prozent. Der Alleingang mit dem U-Abo macht den Kanton zu einer Hochpreisinsel im Tarifverbund Nordwestschweiz. Und dem städtischen Protest gegen die Kürzung der Uni-Beiträge ab 2018 machte der Basler LDP-Bildungsdirektor Christoph Eymann Luft: Er warnt vor einem drohenden «Rückschritt der Uni in die Provinz».
«Es kann so nicht weitergehen», liess sich Finanzdirektor und Regierungspräsident Anton Lauber (CVP) in der «Basellandschaftlichen Zeitung» gleich nach der Medienkonferenz zitieren. Das stimmt. Und doch geht es weiter.
So will der Kanton etwa noch immer Netto-Investitionen von 200 Millionen Franken pro Jahr tätigen. Das freut vor allem Baudirektorin Sabine Pegoraro (FDP). Die Steuern bleiben unangetastet.
Das leidvolle Kostentreiber-Mantra
«Bildung, Soziales, Gesundheit» – das sind die Kostentreiber, lautete das Mantra der Spar-Medienkonferenz. Ausbaden werden es vor allem zwei Direktionen.
Anton Lauber geht mit gutem Vorbild voran und spart selbst tüchtig. Seine Finanz- und Kirchendirektion will bis 2019 kumuliert 387,6 Millionen einsparen. Die grossen Posten hierbei: ein Selbstbehalt auf den Krankheitskostenabzug, die Deckelung des Fahrkostenabzugs auf 3000 Franken und eine Reduktion der Prämienverbilligung.
Die Bildungsdirektion unter der neuen Leitung von Monica Gschwind (FDP) gedenkt, bis 2019 kumuliert 128,8 Millionen Franken einzusparen.
Doch den grössten Teil macht dabei die Kürzung bei den Staatsverträgen aus: Insgesamt 50 Millionen Franken bringt die erhoffte Beitragskürzung an die Uni bis 2019, 14,7 Millionen die Kürzung der Kulturpauschale an Basel-Stadt. Einsparungen, die die Direktion selbst direkt kaum schmerzen werden.
Den Rest bestreiten die anderen drei, wobei die Bau- und Umweltschutzdirektion nur die Streichung der U-Abo-Subvention als wesentliche Massnahme präsentierte. Isaac Rebers (Grüne) Sicherheitsdirektion will vor allem die Bussen und Gebühren korrigieren, ansonsten gilt für ihn wie für Thomas Weber (SVP) in der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion neben einigen kleinen Anpassungen vor allem: «mehr Disziplin».
Prügelknabe ist der Mittelstand
Und so trifft es am Schluss ausgerechnet den Baselbieter Mittelstand am härtesten. Das Lieblingskind der bürgerlichen Politik wird die erhofften dauerhaften Einsparungen von 188 Millionen tragen müssen. Mit den Reduktionen im Bildungsbereich, mit höheren Gebühren für den öffentlichen Verkehr, mit Lohnkürzungen der Staatsangestellten und tieferen Abzügen.
Die Finanzstrategie 2016 bis 2019 ist in ihrer Strenge wohl radikal. Visionär ist an ihr aber nichts. Vordergründig tastet die Regierung sehr wohl Tabus an: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons, angesehene Institutionen wie die gemeinsam getragene Universität, den Kulturvertrag, das beliebte U-Abo.
Was bleibt, ist die Tatsache, dass dies alles konventionelle Leistungskürzungen sind – eine Reaktion auf gewachsene Strukturen. Eine neue Investitionsstrategie, die Erschliessung neuer Einnahmequellen oder zumindest die Erwägung einer Anpassung der Steuerkurve: Fehlanzeige. Stattdessen verwaltet der Kanton das Alte.
Von den geplanten 188 Spar-Millionen liegen rund 110 Millionen in der Beschlusskompetenz des Regierungsrats. Das verschafft Luft, um vielleicht einen möglichen parlamentarischen Widerstand zu umgehen – bislang hat der Landrat noch jedes Sparpaket bis zur Untauglichkeit verstümmelt. Doch der ausserparlamentarische Widerstand wächst bereits.
Und das, obwohl der starke Block der bürgerlichen Regierungsparteien sogleich seine Unterstützung für die Sparstrategie ihrer Regierung angekündigt hatte. Bereits reklamiert der Verband der Baselbieter Gemeinden, der bei Weitem nicht links politisiert: Er hält es in einer Mitteilung für «absolut inakzeptabel, dass der Kanton 30 Millionen Franken, die er den Gemeinden für die finanzielle Entlastung bei der Ergänzungsleistung schuldet, nicht auszahlen will».
Die Schlacht am Finanzloch ist eröffnet
Die Linke protestiert gegen die höheren U-Abo-Gebühren, die Personalverbände werden gegen die Abbaupläne aktiv.
Basel-Stadt will es gar nicht erst so weit kommen lassen, dass die Baselbieter ihre Uni-Beiträge um 25 Millionen Franken kürzen. Und selbst das «Komitee Starke Schule Baselland», das in seiner Mitteilung noch auf alt Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) als Kostentreiber eindrischt, zerlegt in derselben Mitteilung die Massnahmen im Schulbereich – nur um schliesslich mitzuteilen, dass das Komitee die meisten Vorschläge «dezidiert» ablehnt.
Die Schlacht am Finanzloch ist eröffnet. Will die Baselbieter Regierung den Leidensdruck für die drohende Steuererhöhung verstärken, so hat sie jetzt ideale Vorarbeit geleistet.