Der Rücktritt von Daniel Vasella kommt überraschend – und irgendwie doch nicht so ganz. Die Tatsache, dass sein Nachfolger Jörg Reinhardt erst im August sein Amt antreten wird, spricht aber dafür, dass dieser Rücktritt nicht längerfristig geplant war.
Über die Gründe des abrupten Abgangs lässt sich nur spekulieren, die Betroffenen hüllen sich in Schweigen. Vasellas Kommentar, dass sich Novartis «auf solidem Kurs» befinde, dass er «Vertrauen in die Führungsstärke von Joe Jimenez und seinem Spitzenteam» habe wie auch «in die Strategie des Unternehmens», ist das, was man halt so sagt, wenn man abgeht und Streit vermeiden möchte. Nur der Hinweis auf seine «25 Jahre im Unternehmen» deuten leise an, dass es Daniel Vasella als Novartis-Präsident nicht mehr so richtig wohl war, dass er langsam genug hatte.
Natürlich hat er allen Grund, stolz zu sein auf sein Lebenswerk, insbesondere auf seine Arbeit an der Spitze der Novartis, die er ab 1996 aus den beiden Vorgängerfirmen Ciba-Geigy und Sandoz zu einem der grössten Pharmakonzerne der Welt zusammenführte – mit stetig steigenden Umsätzen und soliden Gewinnen von rund zehn Milliarden Dollar im Jahr.
Zu schaffen machten ihm aber in den letzten Jahren die Diskussion um sein Doppelmandat als CEO und VR-Präsident sowie die Kritik an seinem exorbitanten Salär. In beiden Fällen stand er der Kritik ziemlich verständnislos gegenüber. Was war denn gegen sein Doppelmandat einzuwenden? Er hatte doch 14 Jahre lang bewiesen, dass er es kann – und zwar sehr gut. Warum sollte er kein Salär in zweistelliger Millionenhöhe beziehen? Er hatte doch besser gewirtschaftet als die kaum minder gut bezahlten Kollegen in anderen Firmen der Branche. Der Kritik ging er zusehends aus dem Weg. Noch am vergangenen Wochenende konstatierte die «NZZ am Sonntag»: «Daniel Vasella ist still geworden in letzter Zeit.»
Sein Image als oberster «Abzocker» wurden für die Novartis wie für ihn selber langsam lästig.
Denkbar, dass er mit seiner Interpretation eines aktiven VR-Präsidenten dem Aufgabenbereich von CEO Joe Jimenez zuweilen zu nahe kam. Denkbar, dass sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein manchem Kollegen auf die Nerven ging.
Im soeben im NZZ-Verlag erschienenen Novartis-Buch «Von Basel in die Welt», zu dem Daniel Vasella das Vorwort verfasste, ist jedenfalls die Legende zu seinem Foto deutlich länger als jene zu allen anderen historischen Novartis-Granden. Denkbar auch, dass sein mediales Image als oberster «Abzocker» für die Novartis wie für ihn selber langsam lästig wurde. Vasella hat nicht mehr dagegen angekämpft.
Das Timing seines Rücktritts hat geradezu Symbolkraft: Am 22. Februar 2013 findet die Generalversammlung der Novartis statt, nur wenige Tage später die Volksabstimmung über die Abzocker-Initiative, zu deren «Helden» Daniel Vasella zu seinem Leidwesen gehört. Vor zwei Jahren, an der Novartis-GV 2011, musste er in einer konsultativen Abstimmung über das Salärkonzept eine sanfte Ohrfeige seiner Aktionäre einstecken: Fast 40 Prozent stimmten dagegen. Und heuer schossen die Spekulationen ins Kraut, ob angesichts des widrigen Umfelds gar seine Wiederwahl gefährdet sei. Und was wäre, wenn er wiedergewählt und kurz darauf die Initiative angenommen worden wäre? Die daraus unweigerlich resultierende Diskussion wollte sich Daniel Vasella wohl nicht mehr antun. Recht hat er.