Verhinderer sind immer die Anderen

Die Beamtenschelte langweilt. Wer Verhinderung verhindern will, muss über Behörden und Verbände hinaus denken.

Die Beamtenschelte langweilt. Wer Verhinderung verhindern will, muss über Behörden und Verbände hinaus denken.

Gibt es eine Kultur des Verhinderns? Hat das Verhindern in Basel System? Wird zu viel verhindert in dieser Stadt?

Tatsächlich treibt das Verhinderungswesen gelegentlich seltsame Blüten: Welche Gemeine Barfi-Schnecke hat einen WWF-Vertreter damals legitimiert, sich gegen das neue Stadtcasino stark zu machen? Weshalb ist es nicht gelungen, die sinnvolle Stadterweiterung Richtung Burgfelden über die Runden zu bringen?

Wenn Bedenken sich türmen

Zu befürchten ist auch, dass grosse und bedeutende Projekte an den Rand der Verhinderung gebracht werden. Etwa die Hafen- und Stadtentwicklung, die dem Hafen neue Optionen und der eingeschnürten Stadt etwas Luft und dringend benötigten neuen Wohnraum verschaffen würde. Oder bei der Kaserne, wo nach gefühlten 100 Jahren ein feines Erneurungsprojekt vorliegt – und wo sich vor und hinter den Kulissen wieder die Bedenken zu türmen beginnen.

Kann man deswegen von einer Phalanx der Verhinderer sprechen? Sind Heimatschutz und Denkmalpflege gar die «Achse des Bösen»? Sind es die Behörden generell?

Als ob Staatsangestellte nicht in der Lage wären, kreativ mitzudenken.

Zunächst: Die allseits beliebte Behördenschelte langweilt. Ob Fasnacht, Stammtisch oder die Berichterstattung zu Hans-Peter Wessels «Schwedenreisli»: transportiert wird das Bild des beamteten, notorischen Verhinderungstäters. Als ob Staatsangestellte nicht in der Lage wären, kreativ mitzudenken und Spielräume auszuloten.

Auflagen rauben den Mumm

Wer zu viel Verhinderung verhindern will, muss über Behörden und Verbände hinaus analysieren. Muss die gut gemeinten Ansprüche von 1001 Interessensgruppen in Frage stellen. Und die Schweizer Perfektion, die sich etwa in den Bauauflagen niederschlägt: Wer schon mal einen Bauentscheid in den Händen gehalten hat, weiss, dass ein Kamillentee bei Weitem nicht reicht, um den Schwächeanfall aufzufangen, der einen beim Lesen der seitenlangen Auflagen ereilt.

Jede einzelne Auflage mag für sich betrachtet, aus dem extraspezifischene Blickwinkel heraus herleitbar sein. Mag sogar einleuchten. Doch in der Summe haben die Auflagen Verhinderungspotenzial, kosten Geld und rauben den Mumm für das aktuelle und das nächste Projekt.

Die Grenzen der Mitsprache

Selbst die in der Verfassung verankerte Mitwirkung bewirkt gelegentlich (immer öfter?) das Gegenteil des Gemeinten: Wo sich Mitwirker permanent widersprechen, wo Unmögliches eingefordert und notorisch Kritik geübt wird, mutiert jedes Mitwirkungsgremium zum Verhinderungszirkel. Hier müssten bessere Spielregeln eingeführt werden. Sodass am Ende Entwicklung, nicht Verwicklung rausschaut.

Ob das demokratische System mit dem kategorischen Ja und Nein auf dem Stimmzettel bei einer komplexen Materie – und das ist die Stadtentwicklung – überhaupt taugt? Manchmal wünschte man sich mehr Differenzierung und damit auch Ermöglichung. In der Art von: Nein, die Lochblech-Architektur von Zaha Hadid ist das falsche Projekt für das Stadtcasino. Und ja, ein Neubau täte dem Barfi gut. Nein, den Rheinuferweg in der gesamten geforderten Länge habe ich noch nie vermisst. Und ja, der Abschnitt von der Wettsteinbrücke bis zur Münsterfähre ist bei Niedrigwasser schon heute begehbar – weshalb nicht gleich als filigraner Steg und nicht als rutschiger Betonsockel?

Etwas mehr Gelassenheit und Goodwill für die Ideen anderer wäre angezeigt.

Das kategorische Ja oder Nein lässt Projekte tendenziell ins Verhindererlager kippen. Gibt den Kategorikern Aufschwung, denen, die jedes Gebäude, das ihr Reihenhäuschen überragt, gleich als «Klotz» bezeichnen. Die Hochhäuser per se einen Affront finden. Und auch spielende Kinder, nach acht Uhr abends sowieso.

Etwas mehr Gelassenheit, Fähigkeit zum Seitenwechsel und Goodwill für die Ideen anderer wäre angezeigt. Und mehr runde Tische. Nun, da der Plastikbeizenstuhl aus der Innenstadt verbannt ist (ein gelungener Verhinderungscoup übrigens –wer vermisst den Monoblock ernsthaft?), können wir uns nun ja ungeniert den Tischen zuwenden.

Wie wäre es mit mehr Weitblick?

Verhindern wir eckige und fordern wir runde Tische mit lauter Leuten, die etwas weiter blicken! Die das brachfallende Wirtschaftsgebiet im Klybeck zum Leben erwecken. Den Lysbüchel promoten. Der Internationalen Bauausstellung IBA Basel 2020 den Daumen drücken. Um- und Zwischennutzungen wagen. Sich abseits der grossen medialen Aufmerksamkeit für regionale Projekte einsetzen wie das 3er-Tram, das geplante Herzstück der Regio-S-Bahn oder Landschaftsparks über die Grenzen hinweg. Und die sich beharrlich und kommunikativ für wichtige Entwicklungen engagieren. Für eine massvolle und doch mutige Hafen- und Stadtentwicklung etwa. Oder für die Kaserne, auf dass bis zur Neunutzung nicht weitere gefühlte 100 Jahre ins Land gehen.

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Andreas Courvoisier führt ein Projekt- und Stadtentwicklungsbüro in Basel.

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