Die Lokalzeitung schaltet auf Wahlkampf-Modus. Das sieht im Jahr 2016 so aus: Weil dem Revolverblatt der nötige Pulverdampf fehlt, schiesst man halt selber scharf und erklärt Basel zur Gefahrenzone.
Es gibt Leute, die wollen die Welt auch an Orten brennen sehen, an denen sie mehrheitlich in Ordnung ist.
Sie wissen: Das gibt Wählerstimmen. Ganz egal, ob ihre Feuerwehr-Crew überhaupt etwas taugt oder dem Ort gar schaden würde. Ganz egal auch, ob es überhaupt brennt.
Denn die Welt muss – auch das haben diese Leute längst gemerkt – nicht einmal wirklich brennen. Es reicht, den Leuten das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihr Hab und Gut verlieren könnten, ja, dass sie an Leib und Leben bedroht sind. Akut. Immer und überall. Und vor allem: Immer mehr und immer schlimmer.
Hier. Jetzt. Daheim. In Basel.
Revolverblatt im Kleinbasler Hochrisiko-Gebiet
Für Besitzer, Herausgeber, Chefredaktoren und Schreiber von Zeitungen, die mit ihrem Tun politische Interessen verfolgen, heisst das in diesem Fall konkret: Wer Feuer sehen will, legt den Brand in seinen Zeilen und Spalten gleich selbst. Dann sehen die Leute Rauch in der Stadt. Auch dort, wo gar kein Feuer ist.
Das ist am Donnerstag in der «Basler Zeitung» geschehen. Der Wahlkampf geht in die heisse Phase, die BaZ hat den Revolver geladen – und abgedrückt.
«Wenn es Nacht wird im Kleinbasel – Die Überfälle und Gewalttaten zwischen Bässlergut und Oberer Rheinweg häufen sich». Peng.
Total daneben
Folgendes wird da behauptet: Taten «häufen sich». Es gebe eine «Auffälligkeit von Vorfällen», ja «Hotspots» – im Kleinbasel, und («in weniger grossem Ausmass») auch im Bereich Barfüsserplatz/Steinenvorstadt/Zolli sowie im Schützenmattpark. Es geht nicht um Bagatelldelikte: Die im Artikel behandelten Kategorien sind, der Reihe nach:
«Verschiedene Raubdelikte, versuchter Raub, gewalttätige Auseinandersetzungen mit und ohne Waffe, Angriffe mit Messer und Keilereien mit Verletzten … Raub- und Überfalldelikte … Gewalttätige Auseinandersetzungen … Raubüberfälle oder versuchte Raubdelikte … überfallen, bedroht, beraubt … Verletzungen durch Messerstiche, Kopfverletzungen … Opfer von sexueller Gewalt … Überfälle … Angriffe, Bedrohungen mit einem Messer sowie Raubfälle … Raub … Ladendiebstähle … etliche Fälle von sexueller Belästigung/Angriffen von Joggerinnen/Spaziergängerinnen … Raubüberfälle und gewalttätige Auseinandersetzungen.»
Mancher Korrespondenten-Bericht über Bandenkriege irgendwo weit weg von Basel mutet vergleichsweise harmlos an. Doch noch brennt das Feuer nicht hell genug. Die Zustände sind beschrieben, nun müssen die Schuldigen benannt werden. Das klingt dann so, ebenfalls der Reihe nach:
«Mindestens zwei Täter hatten «schwarze Hautfarbe» … Und ob die Flüchtlings- und Migrationswelle keine negativen Auswirkungen auf die Sicherheit am Rheinknie hat … die Geschädigten haben mehrfach angegeben, die Täterschaft «sprach Arabisch», hatte «braune Hautfarbe» oder «dunkle Hautfarbe», es handle sich um «ausländische Personen» oder die Person «sprach Französisch». Auch der Vorfall … ist auf einen Migranten zurückzuführen …der mutmassliche Täter, ein 36-jähriger Ägypter … viele Bewohner aus dem Bässlergut wurden gefasst… etliche Fälle… gingen auf das Konto von Personen aus dem Empfangs- und Verfahrenszentrum… bei einem Grossteil der Täterschaft handle es sich um solche mit Migrationshintergrund… Aufgrund der Täterbeschreibungen … könne nicht ausgeschlossen werden, dass gewisse Raubüberfälle und gewalttätige Auseinandersetzungen von Leuten begangen würden, die einen Bezug zum Bässlergut hätten.»
Die kriminellen Taten, die ausländischen Täter, werden im Text wild durcheinandergemixt. Der Cocktail, gefährlich und daneben, ist damit fertig.
Fakten: Fehlanzeige
Als Beleg dienen dem Blatt weder Statistiken noch seriöse Recherche, sondern ein Querschnitt durch eine Auswahl von Polizeimeldungen. Da zeichnen sich die erwähnten «Hotspots» ab. Die BaZ findet so etwa heraus: «Verglichen mit anderen Stadtquartieren ist die Gefahr, im öffentlichen Raum überfallen oder angegriffen und dabei verletzt zu werden, im Kleinbasel grösser als auf dem Bruderholz, im Gellert oder in der Breite.»
No Shit, Sherlock: Wer hätte gedacht, dass Verbrechen auf der Strasse in der Regel dort verübt werden, wo das Leben stattfindet, wo sich die meisten Menschen aufhalten. Tausende, jeden Tag. Zehntausende am Wochenende, bis in die frühen Morgenstunden.
Die Basler Staatsanwaltschaft veröffentlicht am selben Tag – auch das kein Zufall – ihren Bericht «Trendentwicklung Kriminalität im ersten Halbjahr 2016». Im Vergleich zur Kriminalstatistik des Jahres 2015 zeigen erste Trends, dass sich keine signifikante Veränderung abzeichnet in den Kategorien:
- Vorsätzliche Körperverletzung / Tätlichkeit
- Einbruch- und Einschleichdiebstahl
- Raub / Entreissdiebstahl
Sinkende Zahlen für die erste Jahreshälfte zeichnen sich ab für:
- Tötungsdelikt, vorsätzlich, inkl. Versuch (minus 30%)
- Taschendiebstahl (minus 20%)
Steigende Zahlen zeigen die Trends bei:
- Sachbeschädigung (plus 15%)
- Vergewaltigung (plus 10% – Stichtag 30.06.2015 = 9 Fälle, bzw. 30.06.2016 = 10 Fälle)
- Gewalt und Drohung gegen Behörden (plus 10%)
Damit zeigt sich: Bei den im Text Mantra-artig wiederholten Verbrechenskategorien ist kaum eine signifikante Veränderung festzustellen. Dass jedes Verbrechen eines zu viel ist: geschenkt. Tatsache ist aber auch: Basel-Stadt war kaum je sicherer als in den vergangenen Jahren. Das zeigen die Jahres-Statistiken deutlich.
Für das laufende Jahr gilt trotz Trend-Bericht: «Eine Interpretation der Kriminalitätsstatistik des laufenden Jahres ist erst im März 2017 möglich, wenn sämtliche Zahlen vorliegen», sagt Peter Gill, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft.
Der BaZ-Mix aus statistisch nichtssagenden Tatbeschreibungen und ausgewählten Beschreibungen der Herkunft der mutmasslichen Täter ist ein Gift-Cocktail, nichts weiter. In einer Stadt notabene, deren Einwohner zu über 35 Prozent Ausländer sind. Die BaZ liess sämtliche Meldungen aus, die Täterbeschreibungen enthalten wie:
«Unbekannter, 20-25 Jahre alt, ca. 175 cm gross, ca. 65 kg schwer, helle Hautfarbe» (Raub, 11.8.) … «Kurze Zeit später konnte die Polizei den mutmasslichen Täter, einen 22-jähriger Schweizer, festnehmen» (Festnahme nach gewalttätiger Auseinandersetzung, 16.7.) … «Aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung und der Ermittlungen der Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft konnte am 15.08.2016 bei einer Personenkontrolle der mutmassliche Täter, ein 35-jähriger Schweizer, festgenommen werden» (Festnahme nach Raub, 18.8.)»
Stadtmarketing aus Herrliberg
Bleibt zu hoffen, dass sich der Schaden, den solche Berichte anrichten, in Grenzen hält. Die «Kriminalitätswelle» vor vier Jahren – ebenfalls viel heisse Luft statt echtem Feuer – hat jedenfalls nicht zum erwünschten Resultat geführt. Stadt-Basler und -Baslerinnen mögen keine Übertreibungen. Höchstens, wenn es darum geht, Basel besser darzustellen, als es ist.
Aber hier ist genau das Gegenteil der Fall. Die Salven gehen derart daneben, dass sie wohl wiederum wirkungslos verpuffen werden. Stadtpolitisch.
Was die Chefredaktoren und Besitzer aus Wädenswil, Weisslingen und Herrliberg – Markus Somm selbst hatte den Wahlkampf in einem Leitartikel schon am 23. April lanciert, unter anderem mit der Feststellung, Basel drohe zur «Provinz» zu verkommen, die Stadt umgebe der «indiskrete Charme des Untergangs» – bezwecken, ist klar. Mehr Stimmen für Rechtsaussen. Um jeden Preis.
Doch die Aussen-Wirkung des Heruntermachens der lebenswerten Kultur- und Industriestadt Basel zum angeblichen Gangster-Ghetto darf nicht unterschätzt werden. Das Stadtmarketing aus Zürich – aus der eigenen Stadt heraus – erweist Basel keine guten Dienste. Im Gegenteil.