Was darf Satire?

Nach dem «Tschinggen»-Witze reissenden Berner Stapi hat nun auch das Schweizer Fernsehen seinen Satirestreit. Womit wir wieder mal bei der Frage wären: Was darf Satire? Die Diskussion sollten wir uns schenken. Ein Kommmentar.

Nach dem «Tschinggen»-Witze reissenden Berner Stapi hat nun auch das Schweizer Fernsehen seinen Satirestreit. Womit wir wieder mal bei der Frage wären: Was darf Satire? Die Diskussion sollten wir uns schenken.

Ein Stadtpräsident versucht lustig zu sein und macht Italienerwitze. Eine Welle der Empörung geht über das Land. Die Hauskomikerin von SRF malt ihr Gesicht schwarz an und macht sich über Oprah Winfrey lustig. Erst passiert – gar nix. Zwei Wochen später aber dann doch noch. Geht ja gar nicht, heisst es nun. Moralwächter wollen das Fernsehen wegen Rassismus verklagen. Stand so zu lesen in der «Schweiz am Sonntag» vom 12. Januar. 

Die gleiche Zeitung liess in der gleichen Ausgabe SVP-Tribun Christoph Blocher erzählen, in der Schweiz herrsche «eine Art Pogrom-Stimmung» gegen seine Partei. Kein Witz. Keine Ironie. Purer Ernst.

Es ist mir bekannt, dass nicht mehr alle jungen Leute wissen, was ein «Pogrom» ist. Statt einer langfädigen Abhandlung, hier der Wikipedia-Link. Und dazu die Erklärung, dass man bei dem Begriff normalerweise an die Reichskristallnacht denkt (und auch dazu sicherheitshalber der Wikipedia-Eintrag).

Blochers Masche ist nicht eben neu. Rechtsextreme Kreise ziehen immer wieder mal den hinkendsten aller Vergleiche. So gefiel sich der österreichische Haider-Nachfolger Heinz-Christian Strache unlängst an einem Wiener Burschenschafterball mit der Aussage «Wir sind die neuen Juden».

In Deutschland wäre eine derartige Verharmlosung des Holocaust kaum denkbar. Schon gar nicht von einem der führenden Politiker des Landes. In Österreich erntete Strache wenigstens einen gehörigen Shitstorm. In der Schweiz erzeugte Blochers Vergleich allenfalls da und dort ein stilles Stirnrunzeln.

Sorry, Leute, aber wenn sich Birgit Steinegger oder Victor Giacobbo die Gesichter schwärzen und ihre Neger- und Inder-Sketches für lustig halten – das ist kein wirkliches Problem. In Deutschland lassen sie die Ausländer Ausländerwitze vortragen, das ist zwar politisch etwas korrekter, aber auch nicht lustig. Und wie soll ein Tschäppät drauf kommen, dass Italienerwitze unschicklich sind, wo doch Harald Schmidt auch immer Polenwitze gemacht hat?

Gegen schlechten Humor hilft keine Medizin. Das Rezept gegen solchen Mist ist dennoch denkbar einfach: Fernseher ausschalten oder – im Falle eines Politikers – beim nächsten Mal nicht mehr wählen.

Die Rassismus-Strafanzeige gegen SRF, stand gestern in der «Schweiz am Sonntag», werde nur eingereicht, wenn sich das Fernsehen nicht öffentlich für seinen Fauxpas entschuldige. Und auch dann nur, um eine Diskussion über die Grenzen der Satire anzuzetteln. Diese Diskussion sollten wir uns besser schenken. Denn etwas Vernünftiges kann dabei gar nicht herauskommen. Die Antwort auf die Frage, was Satire darf, hat Kurt Tucholsky vor fast hundert Jahren bereits gegeben: «Alles.» 

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, was man mit Zeitungen machen will, die einem Blocher einen derartigen Brunz nicht nur durchlassen, sondern aus seinem ungeheuerlichen Statement auch noch die Überschrift schnitzen. Verbieten wäre vermutlich der falsche Weg.

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