In den skurrilen Wirren um die Cüpli-Favela an der Art machten einige Entscheidungsträger der «Kunststadt Basel» eine schlechte Figur. Dabei wären nur ein wenig Gelassenheit und ein Quäntchen Mut vonnöten gewesen.
Die Favela ist weg. Die 44. Art Basel ist Geschichte. Und im Rückblick reibt man sich ungläubig die Augen ob der skurrilen Ereignisse, die sich vor Wochenfrist vor den Toren der renommierten Kunstmesse abspielten, tagelang für hitzige Diskussionen sorgten und recherchierenden Journalisten mitunter auch den Vorwurf einbrachten, eine Petitesse hochzuspielen.
Werfen wir doch einmal einen nüchternen Blick zurück.
Das TagesWoche-Video, das die polizeiliche Räumung des Messeplatzes dokumentiert, hat sich in Windeseile hunderttausendfach in Onlinemedien weltweit verbreitet. Selbst die sonst eher zurückhaltende Kunstfachpresse schaltete sich überraschend kritisch in die Debatte ein. So kommentierte etwa das deutsche Magazin «Art» schnörkellos und fadengerade: «Die Kunstwelt schreibt sich gerne Toleranz auf ihre Fahnen. Da sollte es auch möglich sein, dass ihre Akteure sie für ein paar Stunden selbst praktizieren.»
Lesen die Titelgeschichte über die Favela-Farce sowie das Interview mit dem Favela-Erbauer, dem japanischen Künstler Tadashi Kawamata, in der gedruckten TagesWoche vom Freitag, 21.6. – im Abo, als App oder am Kiosk.
Auch wenn offizielle Darstellungen vielleicht Anderes vermuten lassen könnten: Es handelte sich am vergangenen Freitag nicht um einen Aufmarsch gefährlicher Chaoten. Es gab keine Vandalenakte. Am Nachmittag wurde friedlich gegen die Art-Favela demonstriert – am Abend tanzten junge Frauen und Männer ausgelassen zu Reggaemusik. Erst nach dem Polizeieinsatz fielen böse Worte und flogen Klappstühle.
War das Ganze wirklich Grund genug für einen Polizeieinsatz mit Reizgas und Gummischrot – wie dies während der schweren Jugendunruhen in den fernen 1980er-Jahren ziemlich erfolglos praktiziert wurde?
Die traurige Seite der Lustig-lustig-Gesellschaft
Die Wirren um Tadashi Kawamatas Kunst-Favela warfen ein grelles Licht auf die unschöne Seite der Spassgesellschaft: Im Messepalast flanierte der Kunstadel am regimekritischen Werk eines Ai Weiwei vorbei, vor der Tür wurden Demonstranten aufgerieben.
Und danach wurde nobel geschwiegen.
Tagelang hielt es die Messe nicht für nötig, die Ereignisse zu kommentieren, die sich vor den Augen ihrer internationalen Gäste abgespielt hatten – Ereignisse, mit denen man im Vorfeld eigentlich hätte rechnen können.
So erfolgreich sich die Art von der Basler Bevölkerung abschottet – die «Welt da draussen» lässt sich nicht so einfach aussperren.
Tadashi Kawamata ist bekannt für polarisierende Kunstaktionen im öffentlichen Raum. An der Documenta 1992 in Kassel zum Beispiel wurden einige seiner Favela-Bauten von Demonstrierenden zerstört. Zu solchen Dummheiten liessen sich Basels jugendliche Kritiker glücklicherweise zu keinem Zeitpunkt hinreissen. Gegenüber der TagesWoche, der Kawamata diese Woche in Paris ein exklusives Interview gewährte, meinte der Künstler aber: «Ich weiss um den provokativen Gehalt meiner Arbeiten.»
Lässiges Spiel mit dem Feuer
So erfolgreich sich die Art Basel inzwischen von der Stadt und ihrer Bevölkerung abgeschottet hat – die «Welt da draussen» lässt sich nicht so einfach aussperren. Kaum hatten die lokalen Medien über das «Favela Café» auf dem Messeplatz berichtet, meldeten sich erste kritische Stimmen aus der (alternativen) Kulturszene.
Der Rest dieser Geschichte ist bekannt: Statt ein kreatives Szenario für den Fall der Fälle zu entwickeln, spielte die bedeutendste Kunstmesse der Welt lässig mit dem Feuer, rief die Feuerwehr, obwohl es gar nicht brannte – und entfachte so erst den Brand.
Mit Verlaub: So funktioniert Kommunikation nicht mehr im Zeitalter der sozialen Medien.
Gerne hätten engagierte junge (und wahrscheinlich auch ein paar nachdenkliche ältere) Menschen im Verlauf dieser Woche ein Zeichen anderer Entscheidungsträger vernommen. Etwa von jenen Regierungsräten, die im Verwaltungsrat der MCH Group sitzen und dort die Interessen der Baslerinnen und Basler als «Mitbesitzer» der Messe vertreten. Oder ein paar klare/klärende/kritische Worte des Regierungspräsidenten, der sonst selten eine Gelegenheit verpasst, sein Verständnis für die Bedürfnisse der Jugend- und Alternativkultur zu bekunden.
Im Gesamtregierungsrat sei der Polizei-Einsatz kein Thema gewesen, liess die Basler Regierung der TagesWoche via ihren Sprecher ausrichten. Und: «Die Kommunikation obliegt der Messe Schweiz und dem Justiz- und Sicherheitsdepartement.» Womit sich der Kreis wieder schliesst. Mit Verlaub: So funktioniert Kommunikation nicht mehr im Zeitalter der sozialen Medien.
Ist da noch ein Plätzchen für Unkonventionelles?
In den vergangenen Monaten wurden junge Leute, die in ihrer Stadt Unkonventionelles und Spontanes auf die Beine stellen wollten, verschiedentlich vor den Kopf gestossen. Der jüngste Eklat vor den neuen prächtigen (und mit viel Steuergeldern ermöglichten) Messehallen, aber auch die mangelnde Sensibilität bei der Aufarbeitung der Geschehnisse lässt für künftige Debatten über die Nutzung des öffentlichen Raums Ungutes erahnen.
Dabei wären in diesem Fall nur ein wenig Gelassenheit und ein bisschen Mut vonnöten gewesen.