In einem Interview mit dem Medienmagazin «Persönlich» sagte Rolf Bollmann, CEO der Basler Zeitung Medien, dass er nicht viel von den BaZ-Abgängern und ihrem Journalismus halte. Zwei Tage später veröffentlichte die BaZ ein Porträt über Regierungsrätin Eva Herzog und legte neue Qualitätsstandards fest.
Lieber Rolf Bollmann,
Sie sind seit September CEO der Basler Zeitung. Im Auftrag von Christoph Blocher arbeiten Sie nun daran, die Basler Zeitung wieder in die gewinnbringende Zone zu bringen. Das geht flott voran: Viele Leute sind schon entlassen worden, weiteren steht die Entlassung bevor. Die Sonntagsausgabe der Basler Zeitung wird eingestellt, die Abonnenten der BaZ erhalten dafür zu einem Aufpreis von 65 Franken die Sonntags-Zeitung, die aus dem Verlag Ihres früheren Arbeitgebers Tamedia stammt.
Das freut natürlich auch Tamedia. Sie kann die Auflage der absteigenden Sonntags-Zeitung schönen, was die Konkurrenten von der NZZ mit der «NZZ am Sonntag» und der Nordwestschweiz mit dem «Sonntag» ärgert. Das ist ein forscher Spielzug, da hat ein Stürmer ein Goal geschossen. Aber eigentlich sind Sie ja gar kein Stürmer, wie wir in einem Interview mit dem Medienmagazin «Persönlich» lesen durften. Sie sind, respektive Sie waren in jüngeren Jahren ein Verteidiger. «Eisenfuss» war Ihr Übername (und «grösster Verbrecher im Schweizer Fussball», wie uns das Fussballmagazin «Zwölf» verrät). Ein Eisenfuss, an dem kein Stürmer vorbeikam. Und Sie haben immerhin Nati-A gespielt und einen Stürmer wie Otmar Hitzfeld kaltgestellt.
«Widerliche Figuren»
Im selben Interview lesen wir auch, was Sie von Journalisten und Journalistinnen halten. Insbesondere von jenen, die die BaZ in den letzten zwei Jahren verlassen haben oder entlassen wurden. Diese Abgänger sind gemäss Ihren Aussagen: «Kollegenschweine», «Charakterlumpen», «Journalisten der vierten Klasse», sogenannte «Nullnummern», «widerliche Figuren, die im Journalismus rumturnen», und «Taugenichtse», die ihr Leben nicht im Griff haben und sich erlauben, mit primitiven Artikeln über Menschen zu urteilen, mit denen sie nie gesprochen haben.
Da ich und einige andere in der Basler Medienszene einst und bis vor Kurzem bei der BaZ gearbeitet haben, fühlen wir uns natürlich betroffen. Und sind beschämt. Wir wagen uns nicht einmal mehr in die Augen zu sehen. Wir Charakterlumpen.
Da wir ja aber irgendwo hinschauen müssen, richten wir unsere Blicke – damit wir sie nirgendwo sonst hinrichten müssen – in irgend eine Zeitung. Und halt auch mal in die Basler Zeitung. Da lesen wir einen Bericht über die Basler Regierungsrätin Eva Herzog. Da schreibt ein BaZ-Journalist, der gewiss kein Charakterlump ist, über die Finanzdirektorin. Offenbar hat sie dem Journalisten mitgeteilt, dass sie keine Lust hat, ihr Privatleben auszubreiten. Sie ist zwar jederzeit bereit, über ihre Arbeit Red und Antwort zu stehen, aber offenbar mag sie nicht über ihr privates, familiäres Umfeld, das in erster Linie mal aus einem Lebenspartner und zwei gemeinsamen Kindern besteht, berichten. Sie macht lieber ihren Job.
Fantasien, Gerüchte
Das gefällt dem Journalisten aus Ihrem Betrieb nicht. Frustriert darüber, erfindet er nun sexuelle Affären, sexuelle Ausschweifungen, Kiffereien der Regierungsrätin – und verwirft sie gleich wieder. Es seien nur Fantasien, Gerüchte. Aber er druckt sie in der Zeitung ab. Der Qualitätsjournalist lässt sich über den Körper der Regierungsrätin aus, über ihre Bewegungen, ihre Haarfarbe, spinnt Fantasien in seine kuriosen Ideen. Er druckt es in der Zeitung. Die Verantwortlichen und der Chefredaktor lassen das zu. (Normalerweise weisen wir mit Links auf die Artikel hin, über die wir berichten. Aber bei diesem Artikel verzichten wir Taugenichtse für einmal darauf.)
Lieber Herr Bollmann, Sie haben ja mächtig Dampf abgelassen, als Sie über die Journalisten herzogen. Die Zeitung, deren CEO Sie sind, setzt nun mit dem Porträt über Eva Herzog neue Massstäbe. Das also ist das Ergebnis, wenn ein Verteidiger mit Eisenfuss-Qualitäten Stürmer wird und nur noch Journalisten beschäftigt, die todsicher weder Charakterlumpen noch Nullnummern sind. Interessant.
Mit freundlichem Gruss
Urs Buess