Wer so spart, macht den Kanton kaputt

Rund 180 Millionen Franken will der Baselbieter Finanzdirektor sparen, um die Staatskasse zu sanieren. Dies, nachdem er in den letzten Jahren Steuergeschenke von 250 Millionen gemacht. Nun gehts um die Bildung – wieviel soll sie an die Sanierung beitragen? Ein Kommentar. 

Rund 180 Millionen Franken will der Baselbieter Finanzdirektor sparen, um die Staatskasse zu sanieren. Dies, nachdem er in den letzten Jahren Steuergeschenke von 250 Millionen gemacht. Nun gehts um die Bildung – wieviel soll sie an die Sanierung beitragen?

Es wird immer alles teurer. Alles? Vielleicht gerät Ihnen mal eine Tabelle mit den Baselbieter Steuertarifen von 2002 in die Hände. Vergleichen Sie sie mit der heutigen – und Sie stellen fest: In den letzten zehn Jahren mag zwar vieles teurer geworden sein. Die Steuern aber nicht. Alle zahlen weniger. Wer gut verdient, zahlt massiv weniger. Wer nicht so gut verdient, ein bisschen weniger.

Geschenke machen glücklich. Und tiefere Steuern sind Geschenke. Die Baselbieter Finanzdirektion hat sie in den letzten Jahren grosszügig verteilt. Geschenke sind – das wissen alle, die vor Weihnachten einkaufen – Ausgaben. Und Ausgaben muss man dem anpassen, was man einnimmt. Das hat jeder Buchhalter irgendwann gelernt.
Im Baselbiet haben die Ausgaben, zu denen auch die Steuergeschenke gehören, die Einnahmen längst überstiegen. Das hätte man schon lange merken können. Die ehrgeizigen Pläne etwa, das Oberbaselbiet verkehrstechnisch mit Tunnels in Sissach und Frenkendorf und mit Umfahrungen rassig zu erschlies­sen, zeigten sich für die Staatskasse schlicht als überrissen. Die Sissacher Umfahrung bezahlte die Regierung noch, für die Umfahrung Frenkendorf/Liestal reichte es nicht mehr.

Teures Jahrhundertbauwerk

Die seit Jahren dauernden, grös­senwahnsinnig anmutenden Erdverschiebungen bei der geschichtsträchtigen Hülftenschanze für eine Strasse, die Liestal und das Oberbaselbiet mit der Stadt Basel und der Autobahn A 2 verbinden soll, könnte der Kanton eigentlich gar nicht bezahlen. Darum hat ein guter Freund von Finanzdirektor Adrian Ballmer, der frühere FDP-Nationalrat und Wirtschaftskammer-Chef Hans ­Rudolf Gysin, dafür gesorgt, dass zusätzliche Einnahmen das Jahrhundertbauwerk ermöglichen. Mit einer Volks­initiative sorgte er für die nötigen Einnahmen. Die Baselbieter haben der Initiative zugestimmt, die Motorfahrzeugsteuern für den Bau der Umfahrung an der Hülftenschanze zu erhöhen. Für etwas mehr Stras­se zwischen Pratteln und Liestal zahlen wir freiwillig viele Millionen.

Der Staatskasse nützt das aber nichts. Sie ist weiterhin leer. So leer, dass der Finanzdirektor, der in den letzten Jahren so tüchtig Steuergeschenke (etwa 250 Millionen jährlich) verteilt hat, weiterhin in ein grosses Loch starrt. Der Anblick graut ihm, und deshalb hat er ein Sparprogramm aufgestellt, das jährlich Ausgaben in der Höhe von 180 Millionen erübrigen soll.
Das Sparprogramm besteht – ­neben einigen anderen Posten – im Wesentlichen darin, bei der Bildung, bei den Schulen zu sparen und Beiträge an den eng verbundenen Stadtkanton Basel zu kürzen. Wieso eigentlich will man sich in Liestal mit Knausern von Basel distanzieren und baut gleichzeitig eine luxuriöse Verkehrsachse vom Oberbaselbiet in die Stadt? Glaubt man wirklich, dass das Geld aufwärtsfliesst?

Ganz und gar unfreisinnig

Vor allem aber: Warum kommt ein freisinniger Finanzdirektor auf die Idee, so massiv bei der Bildung zu sparen, wenn das Geld knapp wird? Seine Partei, die FDP (früher nannten sie sich «die Radikalen»), hat massgeblichen Anteil an der Gründung des schweizerischen Bundesstaates im 19. Jahrhundert. Ein ­wesentlicher Grund des freisinnigen Erfolgs war es, gegen den Widerstand der alten Ordnung die Volksschule zu schaffen. Das Rezept: eine solide Bildung für alle und nicht nur für die Reichen. Der Hintergedanke: Eine gut ausgebildete Bevölkerung lässt sich nicht für dumm verkaufen, sondern weiss sich zu wehren, kann sich in der Berufswelt durchsetzen und versteht es, eine wirtschaftlich solide Zukunft aufzubauen.

Fast 200 Jahre lang haben die Freisinnigen und die anderen Bürgerlichen an dieses Rezept geglaubt. Die Schweiz und die meisten Kantone sind damit gut gefahren. Doch dann kamen – seit Anfang der 1990er-Jahre – einige schnell­denkende Neoliberale, die weismachten, das allein seelig machende Rezept für Wohlstand seien tiefe Steuern und ein magerer Staat. In den armen Innerschweizer Kantonen mag das funktioniert haben. Bis zu jenem Zeitpunkt haben diese zu einem grossen Teil von Subventionen und Finanzausgleich gelebt, nicht von der Steuerkraft der Einwohner. Falls sie herausragende Bildungs­institute hatten, weltbekannte Internate etwa, so waren sie von Klöstern finanziert. Aber für Bildung haben sie weder vor noch nach den Steuersenkungen auffallend viel Geld ausgegeben.

Die Reichen kamen nicht

In einem Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungskanton wie dem Baselbiet funktioniert das nicht. Die tieferen Steuern, die Steuergeschenke, haben uns zwar gefallen. Aber genützt haben sie nichts. Weder sind Reiche zugezogen, die den Steuerausfall wettgemacht hätten, noch wollten sich neue Unternehmen ansiedeln. Die Steuerpolitik der letzten Jahre führte ins Fiasko. Und wenn man nun die Misere überwinden will, indem man bei der Bildung spart, dann reiten wir längerfristig noch tiefer in den Schlamassel.

Eigentlich gibt es gar keine andere Lösung, als die unsinnigen Teile des Sparpakets zu versenken. ­Finanzpolitisch ist das Baselbiet dann zwar nicht weiter als vor zwei Jahren. Kurzfristig jedenfalls. Auf längere Sicht aber lohnt es sich, neue Strategien auszubrüten, um die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen. Vielleicht gehören dazu auch gewisse Anpassungen im Steuerbereich, so unpopulär das tönen mag. Möglicherweise hat der Finanzdirektor keine Lust auf solche Korrekturen. Das ist verständlich: Wer Geschenke macht, ruft sie ungern zurück. Drum wäre es vielleicht gar nicht so ungeschickt, wenn jemand anders diese Aufgabe übernähme. Denn wer in eine Sackgasse gerät, findet oft am schlechtesten einen Weg aus ihr heraus.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.03.12

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