Die Streichung des Fachs Philosophie, Psychologie und Pädagogik in Basel ist unsinnig. Ein Erfolg wird abgeschafft – Schülerin Lenya Köchlin hält ihre Argumente dagegen.
Im Jahr 1589 wurde das Humanistische Gymnasium auf dem Basler Münsterhügel gegründet. Der Historiker Jacob Burckhardt und der Philosoph Friedrich Nietzsche lernten oder lehrten dort. Mit dem Gymnasium am Münsterplatz (GM) befindet sich auf dem Münsterhügel das älteste als Schule gebaute Haus Basels. Das GM trägt seit jeher mit seinem Fächerangebot zum Bild der stolzen Humanistenstadt Basel bei.
Am 23. August 2012 bekam diese schöne Fassade für uns Schülerinnen und Schüler völlig überraschend Risse. Das innovative, junge Schwerpunktfach Philosophie, Psychologie und Pädagogik (PPP), kaum eingeführt und überaus erfolgreich, soll ab 2014 bereits wieder abgeschafft werden.
Der Entschluss des Erziehungsdepartements stösst bei einem Teil der Schülerschaft, für die ich zu sprechen gebeten wurde, auf wenig Verständnis. Die Begründung des Beschlusses ist kaum nachvollziehbar: Etwas derart Erfolgreiches und Beliebtes soll Zugunsten einer Vereinheitlichung und des Erhalts der fünf Basler Gymnasien aus dem Weg geräumt werden.
Uns Schülern wird oft vorgeworfen, wir hätten kaum Interesse an der Schulbildung. Und was, wenn wir dann plötzlich Interesse an einem Fach zeigen, das eine wichtige Alternative zu den Schwerpunktfächern Sprache, Kunst, Sport oder Naturwissenschaften bildet? Ein Fach, das zu freiem Reden, Denken und zur Mitverantwortung erzieht und bildet? Zählt denn dieses Interesse nicht? Wir möchten als überzeugte PPPler, die diese Ausbildungsrichtung schätzen, für unser Schwerpunktfach kämpfen.
Sollte unser Bildungssystem nicht für bestmögliche und zeitgerechte Ausbildung stehen? Sollte es sich nicht den Bildungsbedürfnissen der Schüler und Schülerinnen anpassen statt umgekehrt?
Ein Rektor muss doch seinen Schützlingen ein möglichst attraktives Menü auf seiner Speisekarte anbieten dürfen. Stellen Sie sich vor, der Wirteverband streicht plötzlich alles Süsse von der Karte, um das Gemüse attraktiver zu machen. Kann es wirklich sein, dass das attraktive Schwerpunktfach PPP gestrichen wird – bloss um weniger attraktive Fächer reizvoller zu machen und andere Gymnasialstandorte aufzuwerten?
Das Hauptargument des Erziehungsdepartements, der Erhalt der fünf Gymnasien in Basel könne nur mit der Opferung des jüngsten Faches PPP erreicht werden, ist zweifelhaft. Auch wir wollen jedes einzelne Basler Gymnasium erhalten. So tauschen wir uns betreffend Bildungspolitik über die Standortgrenzen hinweg aus.
Eine gewisse Konkurrenz zwischen den Gymnasien mag vielleicht bestehen, doch die Schülerschaften überwinden diese. Wir sind davon überzeugt, dass, wenn wir es schaffen, es auch die Rektoren schaffen können. Und erst recht das Erziehungsdepartement. Denn wer Wettbewerb verordnet, muss auch damit rechnen, dass Wettbewerb entsteht und muss damit umgehen können.
In unseren Augen muss es in einer fortschrittlichen Stadt wie Basel möglich sein, ein beliebtes Fach anbieten und unterrichten zu können, ohne dass das gesamte gymnasiale Bildungskonzept ins Wanken kommt. Schulfächer sind keine Steuersätze, die man je nach Konjunktur anheben oder senken kann!
Aus unserer Sicht zeichnet sich das heutige Bildungskonzept der Gymnasien nicht unbedingt durch Klarheit und Stabilität aus. Die Leitung Bildung des Erziehungsdepartements möchte zurück zu einem stabilen System. Aber bitte nicht durch das Streichen unseres Schwerpunktfaches, dessen inhaltliche Qualität noch nicht einmal evaluiert werden konnte. Dies gefährdet die Weiterentwicklung unseres Bildungssystems – und es verunsichert uns Schüler und Schülerinnen, die mit Begeisterung und Wissensdurst eine geisteswissenschaftliche Richtung eingeschlagen haben.
Blicken wir noch tiefer in die Kristallkugel, sehen wir einen zunehmenden Lehrermangel und die Untervertretung von Frauen in den empirischen Geisteswissenschaften auf uns zukommen. Unklar erscheint auch, wie sich die Gymnasien bezüglich Konkurrenzkampf oder Schülerzahlen in Zukunft entwickeln werden. PPP soll durch Englisch im Schwerpunkt ersetzt werden. Durch eine Weltsprache, die wieder nur an einem staatlichen Schulstandort, nämlich am GM, exklusiv angeboten wird, könnte unter Umständen eine ähnliche Entwicklung ausgelöst werden wie durch PPP – der Konkurrenzkampf unter den Gymnasien würde nicht behoben.
Und was passiert, wenn es im Gegenteil nicht den erwarteten Erfolg bringt? Was geschieht dann mit unserem Schulhaus, das in den vergangenen Jahren nicht «unkontrolliert» gewachsen ist, sondern dank einer innovativen Idee, engagierten Lehrern, Unmengen von Geld und einem kämpferischen Rektor verlorene Schüleranteile zurückgewonnen hat? Ist der Beschluss, PPP abzuschaffen, unser Ticket in eine ungewisse Zukunft, aus der wir uns erst vor fünf Jahren mühsam gerettet haben?
Jetzt hoffen wir, dass die nötigen Werkzeuge in die Hand genommen werden, um den Riss, der sich seit dem 23. August in der Fassade zeigt und unser Vertrauen gefährdet, auszubessern – auf dass die Bildungsstadt Basel nicht an Glanz verliert.
Quellen
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.09.12