Ein eingeschworenes Team, ein fähiger Moderator als Kapitän und die langjährige Freundschaft zweier Ausnahmespieler: Das waren die Zutaten zum Gewinn des Davis Cup.
Welch ein Sieg, welch ein Drama, welch ein Happy-End. Diese drei Tage von Lille, die mit dem Schweizer Triumph im Davis Cup-Finale endeten, werden in die eidgenössische Sportgeschichte und ins kollektive Gedächtnis der Nation eingehen. Vor allem, weil nichts selbstverständlich war an diesem Sieg.
Es ist ein Traumsieg, der aus dem Alptraum einer letzten Vorbereitungswoche entstand, in der alles komplett schiefzugehen drohte – da war das Verletzungspech von Federer, da war die Fehde zwischen Federers Frau Mirka und Stan Wawrinka, da war der schwere Gegner, da war mehr Zweifel als Zuversicht.
Streitigkeiten wurden beiseite gelegt, Konflikte ausgeräumt – und so der Weg frei für den Höhepunkt einer goldenen Epoche.
Doch die Mannschaft um Severin Lüthi hat im allerbesten Sinne den Davis Cup und seine Werte vorgelebt: Im Wissen, dass sie nur als verschworene Einheit eine Chance im Hexenkessel von Lille haben würden, legten die Schweizer alle Streitigkeiten rasch beiseite, beseitigten jegliches Konfliktpotenzial und traten als Gemeinschaft mit eisernem Erfolgswillen auf. Gefestigt im Inneren, gefestigt für die Aussenwelt.
So schafften sie denn auch einen Sieg, der als neuer Höhepunkt in der goldenen Epoche des Schweizer Tennis gelten darf, mindestens gleichberechtigt mit den ersten Grand Slam-Erfolgen der Solisten Hingis, Federer oder Wawrinka oder dem Olympiagold von Federer und Wawrinka. Mögen sich viele auch an Triumphe auf den Centre Courts gewöhnt haben, in der Verwöhnära eines Roger Federer – dieser Mannschaftserfolg ist alles andere als selbstverständlich in einem Sport mit globaler Wirkung und Strahlkraft, den Hunderte von Millionen Menschen auf allen Kontinenten betreiben.
Kein selbstverständlicher Sieg
Selbstverständlich ist dieser Sieg auch deswegen nicht, weil man an der unmittelbaren Vorgeschichte, dem sogenannte Mirkagate, erkennen kann, welche Kleinigkeiten mitunter welche Konsequenzen haben können – nicht zuletzt, wenn es um ein Tennisteam mit seiner fragilen Verfasstheit und inneren Balance geht.
Anderswo fanden die besten Spieler einer Nation nie zu einer gemeinsamen Anstrengung, weil sie sich nicht mochten, weil sie nicht mit dem Trainer auf einer Wellenlänge funkten. Oder weil anderes Wichtiges oder Nichtiges im Wege stand. Der Nachbar Deutschland mit seinen Stars Becker und Stich kann davon ein Lied singen, zusammen gewannen die beiden Wimbledon-Sieger den Davis Cup nie.
Nur weil Federer und Wawrinka seit Jahren eine Freundschaft verbindet, konnten sie auch die Differenzen ausräumen, die so unpassend auf den letzten Metern vor der Vollendung des grossen Traums auftauchten. Hier allerdings kommt auch Severin Lüthi ins Spiel, der Teamchef, der seit Jahren beiden Spielern in verschiedensten Funktionen geschliffen dient, ohne dass bei dem einen oder dem anderen Eifersüchteleien aufgetreten wären.
Grosses Jahr für Schweizer Tennis
Lüthi, der ausgleichende Moderator, ist genau so ein Vater des Sieges wie jeder Spieler in diesem Team, und das Wörtchen jeder ist bewusst gewählt. Auch Marco Chiudinelli und Michael Lammer holten ihre Punkte in diesem Länderspiel-Jahr – und traten wieder klaglos in den Hintergrund, als im Endspiel die ganze Kraft der aussergewöhnlichen Frontmänner Federer und Wawrinka gefordert war.
Der Sieg von Lille veredelt auch ein grossartiges Schweizer Jahr im Welttennis, das schon im Januar mit dem Australian Open-Triumph von Wawrinka vortrefflich begonnen hatte. Wawrinka war auch die dominierende Figur dieses Davis Cup-Finals, voller Selbstbewusstsein, voller Power, ein Mann, der sich auf dieser riesigen Bühne noch einmal zeigte, was alles in ihm steckt.
Das ganze Potenziel wurde zum richtigen Moment am richtigen Ort genutzt.
Die Saison war allerdings auch eine, in der Federer wieder in die Elitegruppe seines Sports aufrückte, die Nummer 2 der Weltrangliste wurde und nicht weniger als fünf Titel holte. Dazu begeisterte auch die junge Belinda Bencic mit ihrem steilen Aufstieg, der neue Träume weckte.
Doch zunächst sollten sich die Schweizer kompromisslos an diesem Davis Cup-Titel erfreuen. Einem Titel, der gegen ein Team, ein Land errungen wurde, das den ältesten Nationenwettbewerb lebt und verkörpert wie kein zweites. Über 80’000 Zuschauer an den drei Finaltagen sprechen Bände für die Davis Cup-Leidenschaft der Grande Nation. Aber auch für die Standfestigkeit und Klasse des Teams von Swiss Tennis, das sein ganzes Potenzial im richtigen Moment am richtigen Ort nutzte. Chapeau.