Wieder einmal der Geheimdienst

Die Affäre um den Walliser Weinhändler Dominique Giroud rückt den Geheimdienst einmal mehr ins Zwielicht. Nun muss die Politik im Hinblick auf die geplanten neuen Überwachungsgesetze handeln.

Horch, was geflüstert wird: Parabol-Antennen für die Telekommunikation bei Leuk im Wallis. (Bild: OLIVIER MAIRE)

Sololäufe von Agenten und politische Einseitigkeit bringen den Schweizer Nachrichtendienst einmal mehr in die Bredouille. Und das zu einem Zeitpunkt, da die Lizenz zum Schnüffeln erweitert werden soll.

Vor uns liegen eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Vier dubiose Gestalten sind in Untersuchungshaft, weil sie verdächtigt werden, mit unlauteren Mitteln gegen Journalisten vorgegangen zu sein und damit einen Angriff auf die Pressefreiheit verübt zu haben. Die schlechte Nachricht: Es gibt Anzeichen dafür, dass einmal mehr der Nachrichtendienst des Bundes (NBD) in die Affäre verwickelt ist.

Und gleich noch eine gute Nachricht: Die Medien berichten darüber. Diese Berichte haben einen gewissen Unterhaltungswert: Es ist von Krimi die Rede. Im präsentierten Porträt des verschwörerischen Quartetts hat nur der des Betrugs verdächtigte Walliser Weinhändler Dominique Giroud einen Namen.

Die anderen bleiben anonym: ein Genfer Privatdetektiv mit Strafverfahren wegen Nötigung am Hals und Pornoschnipseln in der Schublade, ein zwielichtiger Agent des NBD mit unschöner Vorgeschichte und ein junger Hacker-Profi, der auch schon für den schweizerischen Rüstungskonzern Ruag tätig war.

Weltanschauliche Voreingenommenheit

Unfreiwilliger Mitspieler ist der NDB-Chef Markus Seiler, der sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, seine Leute nicht im Griff zu haben und – schlimmer noch – den geplanten Ausbau seines NDB-Gesetzes ernsthaft zu gefährden. Dieses Gesetz sieht nämlich die Regularisierung genau solcher Interventionen vor, wie sie jetzt in der Walliser/Genfer Privataktion eingesetzt worden sind: Eindringen in Computer, Verwanzen von Räumen, Abhören von Telefonen. Das alles im Namen der Terrorbekämpfung.

Die geheimdienstliche Nebenaktion erscheint vor allem darum problematisch, weil sie im Dienste krimineller Privatgeschäfte steht. Ihr liegt aber auch noch eine weltanschauliche Voreingenommenheit zu Grunde. Und damit wird die Frage wichtig, was für Leute beim NDB arbeiten dürfen und wer ihre Verstrickungen wie überprüft.

Problematische Nähe zum rechten Milieu

Der Weinhändler und der NDB-Mann sollen der erzkonservativen Pius-Bruderschaft nahestehen, wie übrigens auch der Walliser Finanzdirektor Maurice Tornay, der für die Untersuchung der Steuerhinterziehung des Weinhändlers zuständig ist. Die Frage, ob der Nachrichtendienstler tatsächlich Verbindungen zu den Pius-Brüdern unterhält, liess sein Chef unter Berufung auf die verfassungsrechtlich geschützte Glaubensfreiheit unbeantwortet. Dabei ist es müssig, nach formellen Mitgliedschaften zu fragen, informelle Sympathien könnten mindestens so relevant sein.

Nähe zum rechtem Milieu wird in Nachrichtendienstkreisen stets als weit weniger problematisch eingestuft als ihre Entsprechung auf dem linken Flügel. Zu Recht wurde bemerkt, dass der Umgang mit einer muslimischen Variante zur christlichen Bruderschaft sicher ein Ausschlussgrund für eine Tätigkeit im NDB wäre.

Man darf sich in diesem Zusammenhang auch fragen, ob ein Schweizer Pass Gewähr für Zuverlässigkeit bietet, wie umgekehrt (was kein erfundener Fall ist) eine Mitarbeit beim Nachrichtendienst trotz bester Qualifikation für das Erstellen von Länderberichten automatisch ausgeschlossen ist, bloss weil man als Bürger von Lörrach den roten Pass nicht hat.

Zwei Fehler sind einer zu viel

Die Walliser Weinaffäre wird noch eine Weile für Unterhaltung sorgen. Solche Affären kommen und gehen, die Problematik der Geheimdienstaktivitäten aber bleibt. Es ist primär eine Problematik der nicht nur durch die amerikanische NSA-Schnüfflerei gefährdeten Bürgerfreiheit. Es ist aber auch eine Problematik der fachlichen und moralischen Qualität von Nachrichtendienstlern sowie der Kosten solcher Aktionen.

Geheimdienste sind geheim, doch das darf nicht bedeuten, dass die zivile Aufsicht nur nachlässig stattfindet.

Und es ist schliesslich eine Problematik der politischen Kontrolle. Dass Geheimdienste geheim sind, liegt in der Natur der Sache. Das darf aber nicht bedeuten, dass deswegen und unter Berufung auf höchste Ziele (nochmals: im Namen der Terrorbekämpfung) die unbedingt nötige zivile Aufsicht nur nachlässig stattfindet.

Bessere Kontrollinstrumente für mehr Vertrauen

Auch für den Geheimdienst gilt: Wo gearbeitet wird, können Fehler passieren. Aber gerade in diesem heiklen Bereich dürfte auch gelten, dass ein zweiter Fehler einer zu viel ist. Der NDB muss sich gleich mehrere Fehler vorhalten lassen. Die Übernahme des jetzt inhaftierten Agenten, der als Angehöriger des Genfer Spezialdiensts 2004 eine zweifelhafte Rolle im Einsatz eines Moschee-Spions (Fall Covassi) gespielt hat. Und es ist gerade zwei Jahre her, dass ein DNB-Mitarbeiter gigantische Mengen geheimer Daten entwenden konnte.

Jetzt sind die sechs Parlamentarier der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) sowie die Mitglieder der Sicherheitspolitischen Kommissionen der beiden Räte speziell gefordert. Die GPDel hat im Hinblick auf das anstehende neue NDB-Gesetz schon vor der jüngsten Affäre in einem längeren Bericht bessere Kontrollinstrumente und stärkeren Datenschutz gefordert. Jetzt ist ernsthafte Umsetzung gefragt, um das erschütterte Vertrauen wieder aufzubauen. Passiert das nicht, hat nicht nur NDB-Chef Seiler ein Problem, sondern auch das Kontrollorgan, das gesamte Parlament und die ganze Schweiz.

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