Zeit für eine Entschuldigung

Beim breiten Protest über die Polizeiaktion gegen Kunstaktivisten auf dem Basler Messeplatz handelt es sich nicht bloss um eine «Sommergeschichte», wie der Polizeidirektor die Berichterstattung zu bagatellisieren versucht. Es geht um die Frage: Wie weit darf die Polizei in einem Rechtsstaat gehen? Ein Kommentar.

Intern in der Kritik: Sicherheitsdirektor Baschi Dürr. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Beim breiten Protest über die Polizeiaktion gegen Kunstaktivisten auf dem Basler Messeplatz handelt es sich nicht bloss um eine «Sommergeschichte», wie der Polizeidirektor die Berichterstattung zu bagatellisieren versucht. Es geht um die Frage: Wie weit darf die Polizei in einem Rechtsstaat gehen?

Was ist los mit unseren Sicherheitskräften? Diese Frage stellten sich viele in Basel nach dem Einsatz gegen eine harm­lose Kunstaktion auf dem Messeplatz vom letzten ­Freitag.

Erneut sei die Meinungs- und Versammlungs­freiheit mit Füssen getreten worden, empören sich Kritiker in Onlineforen – wie vor einem Jahr nach der Favela-Räumung während der Art Basel oder dem polizeilichen Vor­gehen gegen eine Nestlé-kritische Flugblattaktion an der Uni Basel im letzten November. Und bereits kursieren Verschwörungstheorien, in denen die Überaktivität der Polizei mit der OSZE-Konferenz in Verbindung gebracht wird, die im Dezember am Rheinknie über die Bühne geht. 

Die Basler als «Crash Test Dummies» für den künftigen Grosseinsatz? Das ist vielleicht zu hoch gegriffen.

Lustig, lustig – wirklich?

Umgekehrt tut sich ­Baschi Dürr keinen Gefallen, wenn er ­die Polizeiaktion verharmlost. Noch während des Einsatzes hatte der Polizeidirektor einen Tweet favorisiert, in dem die Berichterstattung über die skurrilen Geschehnisse als übertrieben verspottet wurde.

Und auch im TagesWoche-Interview spielt er das Ereignis als «Sommergeschichte» herunter.

Das ­sehen viele Tausend Online-Leser anders. Vor allem aber jene Opfer der Aktion, die stundenlang im Waaghof eingesperrt wurden und sich aus «Sicherheitsgründen» nackt ausziehen mussten, obwohl sie nur zufällig auf dem Messeplatz waren und offensichtlich nicht zu den Kunstaktivisten gehörten. 

Staatsrechtler findet Aktion «klar erklärungsbedürftig»

Am vergangenen Freitag sind die Sicherheitskräfte zu rasch zu weit gegangen. Statt sich über Medienschaffende und Kritiker lustig zu machen, wären Selbstkritik und eine Entschuldigung gegenüber den zu Unrecht festgenommenen – oder in der Diktion der Verantwortlichen: «kontrollierten» – Personen angebracht. 

Das Ganze wird ein politisches Nachspiel haben, wie SP-Grossrätin Tanja Soland diese Woche am Rande einer Grossratssitzung erklärte. Und vielleicht auch ein juristisches. So hält etwa der Basler Staatsrechtler Markus Schefer die Polizeiaktion für «klar erklärungsbedürftig». 

Es wird dabei auch die Frage zu klären sein, inwieweit es im Ermessen eines Polizeidirektors liegen darf, bestimmte Anlässe per Dekret zu zensieren – oder wie es Baschi Dürr selber formuliert: «Unser Ziel lautete: Wir wollen zu dieser Thematik während der Art keine Veranstaltung.» 

Kürzlich lobte die TagesWoche die umsichtige Polizei­arbeit auf dem besetzten Migrol-Areal. «Der Einsatz des Räumungstrupps war souverän», schrieb Redaktor Matthias Oppliger: «Anders als vor einem Jahr bei der Favela-Räumung schienen die Beamten ihrer Aufgabe gewachsen zu sein.»

Nach den jüngsten Ereignissen auf dem Basler Messeplatz und den Reaktionen der Verantwortlichen kann davon leider keine Rede mehr sein.

Lesen Sie mehr über die Pappdeckel-Blamage der Basler Sicherheitskräfte in der Wochenausgabe vom 27. Juni – auf Papier oder in der App der TagesWoche.

Nächster Artikel