Zwei Initiativen, für die Sie auch zuhause hätten bleiben können

Die Grünliberale Partei fährt mit ihrer Energiesteuer-Initiative eine historische Klatsche ein, die CVP-Initiative scheitert deutlich. Wann stimmen wir wieder über eine sinnvolle Idee ab?

Die Parteien sollten ihre Initiative besser durchdenken. Der Bürger will nicht grundlos zur Urne marschieren. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Grünliberale Partei fährt mit ihrer Energiesteuer-Initiative eine historische Klatsche ein, die CVP-Initiative scheitert deutlich. Wann stimmen wir wieder über eine sinnvolle Idee ab?

Man musste keine hellseherischen Fähigkeiten besitzen, um zu wissen, dass beide Volksinitiativen am heutigen Abstimmungssonntag den Bach runter gehen werden. Dass es so drastisch ausfallen würde, das Ergebnis der Energiesteuer-Initiative gar historische Dimension annehmen würde, das überrascht.

Wer an diesem Sonntag zuhause blieb, verpasste wenig. Die Verfassungsartikel waren recht sinnfrei formuliert. Die Energiesteuer-Initiative hielt uns einen radikalen Umbau unseres Steuersystems vor: die Abschaffung der Mehrwertsteuer und damit Mindereinnahmen des Bundes von 23 Milliarden Franken.

Kein europäisches Land, ausser die Kleinstaaten San Marino und der Vatikan, verzichtet auf die Mehrwertsteuer. Sie ist ein notwendiges Mittel eines gesellschaftlichen Systems, quasi ein Deal mit der Bevölkerung: Mit dem Käse, dem Auto, das du kaufst, zahlst du einen Teil für Schulen, Strassen, soziale Sicherheit und so weiter. Die Mehrwertsteuer mag ungerecht sein – Reiche und Arme zahlen gleich viel Anteil an jedem Produkt – sie ist jedoch nicht ersetzbar. Schon gar nicht mit einer Steuer auf etwas, das man abzuschaffen gedenkt.

Die Grünliberalen wollten sagen: Wir sind für saubere Energie und haben frische Ideen. Das hat nicht funktioniert.

Genau das wollte die Grünliberale Partei mit ihrer Energiesteuer-Initiative. Statt Produkte des alltäglichen Lebens zu besteuern, sollte eine Steuer auf nichterneuerbare Energien – also Atomstrom, Kohlekraft und Erdöl – eingeführt werden. Und weil die Energiesteuer 23 Milliarden Franken in die Kassen spülen müsste, wären die Preise für fossile Energien markant gestiegen. Am Anfang hätte sich der Benzinpreis verdoppelt, bis in einigen Jahren wäre der Preis ins Unermessliche gestiegen – der letzte Liter Benzin hätte 23 Milliarden Franken gekostet, so viel, wie die Steuer hätte ersetzen müssen.

Warum haben grünliberale Politiker diese Widrigkeit nicht verstanden? Sie wollten es nicht verstehen. Sie haben von Anfang an damit gerechnet, dass die Initiative scheitert – vielleicht nicht grandios scheitert, wie geschehen, aber zumindest knapp scheitert. Die Grünliberalen wollten sich für den Wahlkampf ein Label aufdrücken: Wir sind für saubere Energie und bieten frische Ideen. Am Ende blieben keine Ideen, dafür grünliberale Tagträume, die der Partei vermutlich nicht den erhofften Schub für die Wahlen im Herbst geben werden. Der einzige Trost: Die Initiative ist bald vergessen. Die Grünliberalen werden sich ins Glied der Energiewende-Befürworter einreihen und zukünftig ihre Anliegen genauer durchdenken.

Den Mittelstand, den die CVP vor Augen hat, den gibt es so nicht mehr.

Ebenso wenig konnte die Familien-Initiative der CVP mit gescheiten Inhalten punkten. Sie sollte Familienzulagen von der Steuer befreien. Warum nicht, kann man sich fragen? Die Antwort ist einfach: Weil es nichts bringt. Durchs Band zeigten die Schweizer Leitmedien schlüssig auf, dass die Initiative, wenn überhaupt, dann den wohlstehenden Familien am meisten zugute kommt. Die Sache ist die, dass bei der CVP-Übung etwa eine Milliarde Franken dem Fiskus verloren gegangen wären. Und dieses Geld hätte an anderer Stelle im Haushalt gefehlt. Die CVP sprach von Sparübungen, am Ende wären vermutlich Steuererhöhungen angestanden – eine Mehrheit hätte die Steuergeschenke für eine Minderheit bezahlt.

Die CVP versprach sich von der Initiative den Mittelstand zu erreichen. Nur: Den Mittelstand, den die CVP vor Augen hat, den gibt es so nicht mehr. Einen Franken sparen, dafür einen Franken an anderer Stelle ausgeben? Das klingt wenig überzeugend.

Parteien müssen ihre Initiativen besser durchdenken und Fehlkonstruktionen vermeiden. Der Stimmbürger will nicht grundlos zur Urne marschieren.

Bei beiden Anliegen stand die parteipolitische Profilierung im Vordergrund und nicht die eigentliche Sache. Seit Jahren versuchen die Parteien ihre Themen via Volksinitiativen zu verkaufen. Dabei übernehmen die Medien eine entscheidende Rolle. Sie transportieren die Ideen der Volksinitiativen vor den Abstimmungen – je schriller die Initiative, desto lauter der Medienrummel. Das bewies die Ecopop-Initiative einmal mehr, über die bereits Jahre im Voraus berichtet wurde.

Wenn es den Parteien darum gehen würde, echte Veränderungen zu bewirken, dann müssten sie ihre Initiativen konsistenter machen und Fehlkonstruktionen vermeiden. Der Stimmbürger wäre dann nicht genötigt, wie an diesem Sonntag grundlos zur Urne zu marschieren.

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