Zypern und die Finanzkrise: Sanieren ist besser als strafen

Nach dem Nein Zyperns zum Rettungspaket der EU wäre ein Ausschluss Zyperns aus dem Euroraum der falscheste Schritt.

Schlangestehen vor der Bank: Die Pläne der Regierung, den Anlegern an die Konten zu gehen, lösten Panik und Proteste aus. (Bild: Keystone/KATIA CHRISTODOULOU)

Nach dem Nein Zyperns zum Rettungspaket der EU wäre ein Ausschluss Zyperns aus dem Euroraum der falscheste Schritt.

Das zypriotische Parlament hat selbstbewusst Nein gesagt zu den Zumutungen von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (Troika). Gut so. Bedenklich sind dagegen die anti-deutschen Töne, die in eben jener Par­lamentsdebatte zu hören waren. Zum Beispiel: «Schäuble und Merkel: Ihr könnt das Geld ja euren Mitbürgern wegnehmen, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen.»

Dieser Satz des Abgeordneten Zacharias Koulias ist womöglich noch dümmer, als es das Sanierungspaket für Zypern war. Denn er bedient exakt die Vorurteile vieler nordeuropäischer Steuerzahler.

Falsche Mittel

Das zypriotische Banken- und Finanzsystem hat in den letzten Jahren massiv über seine Verhältnisse gelebt und ist nach dem ebenfalls von der Troika verordneten griechischen Schuldenschnitt abgestürzt: Die Banken sind faktisch pleite. Nicht weil die Troika die Notbremse gezogen hat, sondern weil sie sich zuvor zu stark aufgebläht hatten. Die Sanierung wird knapp 16 Milliarden Euro kosten, was dem Bruttoinlandprodukt des Landes entspricht. 10 Milliarden davon wird die EU aufbringen, also auch die «Mitbürger» von Schäuble, die Koulias verspottet.

Das wird aber nur geschehen, wenn die Zyprioten selber die restlichen 5,8 Milliarden bereitstellen. Die Zwangsabgabe auch für Konten von Kleinanlegern war dafür ­sicher das falsche Mittel. Die Beschränkung der Zwangsabgabe auf grosse Vermögen dagegen könnte die russischen Grossanleger vergraulen. Und das würde das Finanzsystem des Landes ebenfalls ins Schleudern bringen.

Statt Technokraten sollten demokratisch legitimierte Stellen die Geschicke der EU leiten.

Wenn der zypriotische Parlamentspräsident Giannakis Omirou nun meint, den «Neo-Kolonialismus» der EU beklagen zu müssen, sollte er seinen Finanzminister im Auge behalten. Der klärt gerade in Moskau Hilfsmöglichkeiten ab. Auch diese Hilfe wäre gewiss nicht gratis: Die Erdgasvorkommen vor der Küste Zyperns locken die Rus­sen sehr. Da würde dann wohl russischer Neo-Kolonialismus drohen.

Das Nein des zypriotischen ­Parlaments bringt alle Beteiligten in Zugzwang. Die Troika wird von ihrer harten Haltung abkommen müssen, auch wenn sie dabei ein wenig das Gesicht verliert. Die EZB wird die Liquidität von Zyperns Banken über den bisher als ultimative Limite verkündeten kommenden Montag hinaus gewährleisten müssen. Zypern wird gezwungen sein, die geplante Zwangsabgabe in gemässigter Form umzusetzen: Mittelfristig sollte der Bankenplatz schrumpfen; die eine oder andere geordnete Liquidation wird unumgänglich sein.

Demokratische Legitimation

Der Schluss aus dem neuerlichen EU-Debakel kann sicher nicht sein, Zypern aus der Euro-Zone zu entfernen. Im Gegenteil: Für das Wohlergehen aller Europäer sollten in Zukunft nicht mehr zusammengewürfelte Gremien wie die Troika zuständig sein, sondern demokratisch legitimierte europäische Behörden. Brüssel wäre dann für die Zyprioten nicht mehr die Hauptstadt eines Kolo­nialreichs, sondern ihre eigene Hauptstadt. Und die EZB wäre nicht mehr Mario Draghis Technokratenverein, sondern die Nationalbank aller Europäer.

Wir Schweizer aber sollten fortfahren, unsere heil gebliebene Währung als Touristen auf die Insel Aphrodites zu tragen. Diese ist wunderschön, und die Menschen sind liebenswert: Die Zyprioten ­haben Bes­seres verdient, als dass wild gewordene Spekulanten ihre Ersparnisse verzocken.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.03.13

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