Hipsterhochburg und Rückzugsort: Berlin mit den Augen eines Einheimischen

Wasserwerfer und Kinderwagen gehen in Berlin ebenso gut einher wie Dönerbuden und Staatsbesuche. Dieser Stadt ist nichts fremd – und in mancher Hinsicht auch nichts zu eigen.

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Wasserwerfer und Kinderwagen gehen in Berlin ebenso gut einher wie Dönerbuden und Staatsbesuche. Dieser Stadt ist nichts fremd – und in mancher Hinsicht auch nichts zu eigen.

Berlin sei, liest und hört man allenthalben, die angesagteste, die hippste Stadt. Ob von Deutschland oder von Europa oder weltweit, das spielt bei diesem Superlativ keine Rolle. 

Wenn das Berghain Geburtstag feiert – zehn Jahre alt ist dieser Club, diese globale Partyinstitution an sich, eben geworden – sind die Partygänger aller Welt im Bild: 

Nicht irgend eine beliebige Grossstadtlocation, sondern der «angesagteste, der hippste, der frivolste  Club der Welt» feiert. Im Berghain lässt man sich gehen. Da ist Berlin, dieses verrückte, freie, ungebundene und zugleich tolerante Berlin, welches einem Fixstern gleich über den Kreativ-, den Abenteuer-  und der gerne wenigstens wochenendlich und von weither zugereisten, hier «aktiv» am «Kreativprozess» teilnehmenden Menschen schwebt. Wie gesagt: Weltweit.

Aber das «Berghain» steht weder als «Partyclub» – da fallen mir noch zahlreiche andere Namen ein – noch als Kreativzentrum alleine in der Stadt herum. 

Stadt der Startups

Die Berliner Schönschreibpropaganda hat natürlich noch zahlreiche andere Lieblingsthemen. Etwa: Hunderte Startups. Junge Unternehmer noch und noch. Nicht wie anderswo lautstark gefordert mit billigen Deklarationen aus dem politisch-unternehmerverbandgesponserten, propagandistischen Raum heraus, sondern beispielsweise durch eine staatliche Institution ganz alltäglich und deshalb kaum vernehmbar gefördert. Diese staatliche Institution stellt zum Beispiel folgenden Text ins Netz:

Für Unternehmen in der Gründungsphase hält die IBB (Investitionsbank Berlin) vielfältige Angebote bereit. Die Förderprogramme unterstützen junge Berliner Unternehmen mit Personal- und Sachmittelzuschüssen, individuell zugeschnittenen Darlehen sowie mit nicht-monetären Förderangeboten bei Existenzgründung und -festigung.

Oder: Hunderttausende, die in Berlin studieren. Zwei komplette Universitäten mit teilweisem «Exzellenzcharakter» und jeweils zehntausenden Studierenden, eine technische Universität, eine Universität der Künste, deren Angebote und deren Vielfalt in Europa nirgendwo erreicht werden. Ein Wissens-Standort, wie ihn vergleichsweise in Europa allenfalls noch in Paris, Moskau und London gibt. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Theatern, den ebenso zahlreichen Kinos, den drei Opernhäusern und den rund 180 Museen, vor allem dem UNESCO-Welterbe Museumsinsel, der Neuen Nationalgalerie, dem Kulturforum und einer Musikszene, deren Vielfalt weltweit keinen Vergleich heranlässt! 

Mit all dem und mit den oben bereits erwähnten Startups, welche in dieser Stadt oft in Verbindung zur Wissenschaft jeglicher Art stehen, ist Berlin mit dem Adjektiv «riesig» ziemlich präzise umschrieben.

Aber, erst einmal:

Im Alltag, dem im Bus, in der U- und der S-Bahn oder im Osten der Stadt im Tram wahrnehmbaren, dem Stau-Alltag auf den Stadtautobahnen und den täglich bis zu 14 und mehr Stunden vollgefüllten Hauptstrassen inklusive, beim Einkaufen bei ALDILIDLNETTO oder KAISER’SEDEKA und so weiter, beim  türkischen Bäcker um die Ecke und in den tausenden Cafés, Kneipen, den Currywurst- und den Kebabbuden in der Nachbarschaft, oder an den Touristenmassen-Versammlungsorten der Stadt und vor allem in einer Berliner Einrichtung von Weltrang, dem «Spätkauf», begegne ich, der ich in Berlin lebe, einfach unmittelbar und überraschungsfrei zahlreichen Menschen jeden Alters.

Ob der eine nun grad seine Halbleiche aus dem Nachtclubleben, welches ein bis zwei, oder im Berghain auch drei Tage dauern kann, ausführt, ein anderer zur Frühschicht fährt und sich ein Croissant oder eine Schrippe holt, ob eine Startup-Unternehmerin aus der vielgerühmten «jungen» Modebranche neben mir steht, oder eine Raum- oder, jaja, eine Altenpflegerin aus der polnischen Nachbarschaft, ob grad eine RBB-Radioreporterin nach Arbeitsschluss mal kurz eine Limonade holt, oder der Professor seinen Wein: es sind einerseits anonyme Menschen, anderseits sichtbare Bewohner der Stadt.

Ob sie so genannte «Fremde» sind, weiss ich nicht. Der Begriff «Fremde» interessiert mich alltäglich in meinen Bewegungs – und Beziehungsabläufen in der Stadt überhaupt nicht. Fremd sind die meisten. Und trotzdem leben hier zwischen dreieinhalb und vier Millionen Menschen miteinander. Sie kommen erstaunlich friedlich nebeneinander durch und lassen sich meistens gegenseitig in Ruhe.  

Neukölln? War da nicht was?

Was aber ist denn mit der massiv auftretenden Migrations- und damit der Integrationsproblematik, Stichwort «Neukölln»? Ist die Stadt nicht daran, auseinanderzubrechen, sich in Ghettos zu verabschieden? 

Das mit dem Wort «Fremder» umschriebene, mit medial gestählten Festbegriffen wie «Migration», «Migrationshintergrund», «Asylproblematik», «Überfremdung», sowie «Integrationsdefizit» oder dem Sammelbegriff «Ausländer» hochgezüchtete, angeblich «brennende» Stadtproblem, begegnet mir alltäglich.

Natürlich zetern zahlreiche Fachleute und viele gefragt oder ungefragt sich als solche verstehende Politiker, Journalisten und furchtbar laut sich artikulierende – und von vielen Medien dankbar als Sensationsstoff multiplizierte – «pro Deutsche» gegen das angeblich vom Islam betriebene Zurückdrängen des christlichen Abendlandes und des «normalen Deutschen» an und für sich. Sie verlangen die «vollständige Integration».

Früher nannten sie es «Assimilation» Heute heisst es allenthalben, und immer im Tonfall, der von «den Fremden» etwas verlangt, quasi ein Einrittsticket in «unsere Kultur» nämlich, INTEGRATION. Was darunter zu verstehen ist, wird aber normalerweise weder gesagt noch diskutiert. Weil es ja meistens gar nicht um «Integration» geht, sondern um das verlangte Verschwinden anderer als irgendwie herkömmlicher sozialer Erscheinungen in der Versenkung einer Überanpassung. 

Nur: Viele Berlinbewohner halten sich sichtlich nicht an diese «deutsche» Erwartung an die «Hinzugekommenen». Diese Feststellung gilt meiner Erfahrung nach sowohl für langjährige, als auch neu dazugekommene Stadtbewohner.

Anders gesagt: Das medial und politisch hochgespielte Migrations- und Integrationsthema ist alltäglich weder besonders intensiv erlebbar, noch existiert nachhaltig irgend eine über Einzelfälle hinaus wahrnehmbare Stimmung gegen erkennbar Andere, die in vielfältigen Erscheinungen in dieser Stadt leben.

Fremd sind nur die Touristen

Fremd kommen einem hie und da, allerdings vor allem in den angesagten, hippen Stadtbezirken, die Touristen entgegen. Über elf Millionen Touristen haben 2013 Berlin heimgesucht, wird von der offiziellen Berliner Statistik vermeldet:

Gäste insgesamt 2013

11.324.947

Übernachtungen insgesamt 2013

26.942.082

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer 2013

2,4 Tage

Durchschnittliche Bettenauslatung 2013

55,0 %

Ich habe mir den Spass erlaubt, diese 11’324’947 ohne einen tieferen Grund durchschnittlich auf die 365 Tage des Jahres 2013 zu verteilen. Nun, es sind in dieser Rechnung gar nicht so viele, nämlich bloss knapp 32’000 Touristen täglich. Zieht man von den über 11 Millionen jene runde Million ab, welche schätzungsweise über Neujahr die «Hauptstadt» überfällt, sind die Zahlen angesichts der eigenen Einwohnerzahl für Berlin doch sehr kommod. 

Was aber reitet denn die «Süddeutsche Zeitung», in ihrer Wochenendausgabe vom 16./17. August 2014 unter dem Titel «Der Sound von Rollkoffern» über den Tourismus in Berlin festzuhalten:

«Berlin – eine Besucherattraktion in Zahlen

500’000 Besucher, Tages- wie Übernachtungsgäste, halten sich durchschnittlich täglich in der Hauptstadt auf. Sie könnten in 580 Reisebussen oder 160 Flugzeugen anreisen.

29’828 Hotelbetten gab es nach dem Mauerfall in der Hauptstadt, heute sind es 135’349.

10’000 Menschen tanzen jedes Wochenende in Berliner Clubs….» 

und den Berlinerinnen und Berlinern zu unterstellen, sie hassten quasi kollektiv «die Touristen»?

Zuerst will ich mal die Differenz zwischen meinen errechneten rund 32’000 täglich anwesenden und den 500’000 Tagestouristen, welche die SZ für Berlin konstatiert, etwas genauer bedenken:

Meine Zahlen entspringen einem Verfahren, welches man als Erbsenzählerei kennt: Da werden einfach die Hotel-Anmeldungen gezählt, wobei man mit dem gleichen Zahlenmaterial auch gleich noch die «durchschnittliche» Aufenthaltsdauer der Hotelgäste errechnen kann, was zu jener vielsagenden Zahl 2,4 Tage führt, welche die fast 12 Millionen erfassten Stadtbesucher in Berlin durchschnittlich im Jahr 2013 zu verbringen beliebten.

Vielsagend, weil 2,4 Tage nicht gerade auf Ferienaufenthalte, sondern eher auf Spritztouren oder, wie das heute genannt wird, «Städtetourismus» verweisen.

Gedränge herrscht vor allem bei den Evergreens der Reiseführer

Nun habe ich meinerseits bei den von mir errechneten 32’000 täglichen Stadtbesuchern natürlich jene unbekannte Zahl an Touristen nicht berücksichtigen können – weil offenbar vom statistischen Amt nicht erfasst –, welche bei Bekannten oder Freunden unterkommen, die in einer der tausenden Ferienwohnungen abtauchen und/oder die sich für einen Tagesausflug nach Berlin bewegen. Ob da alles in allem täglich 500’000 zusammenkommen, kann ich nicht beurteilen, genau so wenig, wie ich weiss, ob da nun gefühlte 50’000 oder nur errechnete durchschnittliche 32’000 «Fremde» täglich durch das Brandenburger Tor drängeln, auf dem Pariser Platz oder in der Engnis des Potsdamer Platzes oder am «Checkpoint Charlie» herumstehen, nachts dann auf der Oberbaumbrücke, am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg  oder in der U-Bahn Freiluftparty machen und den Schlaf auch der tolerantesten Anwohner von «hippsten» Gegenden verunmöglichen. 

Aber eigentlich spielen differenzierende Überlegungen zu diesem gesamten Thema gar keine Rolle, weil für viele Berlinbewohner diese ganze Tourismusgeschichte vor allem an den Wochenenden und speziell bei so genannten Brückenwochenenden sehr gut spürbar ist. Etwa wenn unsereiner Lust auf Kino oder das Bedürfnis auf ein Nachtessen mit Freunden beim Türken an der Bergmannstrasse oder in irgend einem Stammrestaurant auf dem Prenzlauer Berg hat. Man hat dann keinen Platz. Oder man muss sich das nasale Getratsche des US-Englischen oder das tiefste Bayerisch oder, besonders unbeliebt, das überall herumflatternde Schwäbisch abhören. Am schlimmsten sind aber die immer gleichen Berlin-Elogen von Leuten, die erkennbar keine Ahnung haben.

«Selbst ist die Attraktion»  

Was Touristen so tun, wenn sie sich in der Hauptstadt aufhalten, ist sowieso ziemlich komisch. Sie stellen sich häufig ganz und gar freiwillig als ziemlich tölpelhaft oder dann aus irgend einem Grund als immer halbbesoffen aus. Als Berlinbewohner schaut man verwundert, wie ausgereifte Männer grölend und bierflaschenschwingend im Dutzend an einem Mehrpersonenfahrrad mit eingebauter Bar von der Machart übelster Geschmacksprovinz namens «Gelsenkirchener Barock» herumtrampeln und es sichtlich unglaublich originell finden, was sie gerade tun. Dazu machen sie Selfies, damit die Zu-Hause-Gebliebenen sehen, was «man» in Berlin so tut.

(Um Missverständnissen vorzubeugen: Berlinerinnen und Berliner finden solcherlei Freizeittätigkeit grösstenteils lächerlich, oft genug auch abstossend und vor allem äusserst läppisch – wie auch das Herumkutschieren mit überlangen US-Strassenkreuzern aus den Reaganjahren oder das Absingen der Nationalhymne vor dem Reichstagsgebäude oder im Zustand der mittleren Angetrunkenheit irgendwo auf einer der Touristenmeilen).

Woraus aber besteht denn nun eigentlich der Alltag, den man als Berlinbewohner so vor sich herlebt ? 

Was geschieht dann, wenn nicht gerade eine kreative Idee ihre Geburtswehen vollbringt? Wenn das Bett dann heimgesucht wird, wenn der durchschnittliche, der so furchtbar normale Mensch schläft, nämlich nachts ? 

Was ist denn da noch so besonders «angesagt» an Berlin?

«Big Appetite» auf den «Big Apple» der Nullerjahre

Zwei kleine Gedankengänge können eine gewisse allgemeinere, kurz gehaltene Situationsbeschreibung einleiten:

Zum einen:

Was von 1945 bis etwa 2000 als blosse Deklamation, verbunden mit ziemlicher Gewissheit, dass es mit Berlin und Hauptstadt eh nichts mehr wird auf der einen, und der im Westen mit ziemlicher Arroganz ins Lächerliche gezogenen Rolle Ost-Berlins als «Hauptstadt der DDR» auf der anderen Seite der Stadtmedaille vor sich hinlebte, entpuppte sich innert kürzester Zeit als Laboratorium für Stadt, Migration, Kreativität, Theater- und Zirkuswelt, Opernhauptstadt Europas und und und. Berlin löste «Big Apple» als DIE Stadt im globalen, mindestens im westlichen Urbanitätsdenken ab, weil, etwa laut Lonely Planet 2013, Berlin Ausdruck von «Big Appetite» sei und der Hunger nach Neuem überall geradezu sichtbar werde. Was dann, kann man folgern, unter anderem immer mehr Hungernde nach Neuem anzieht. Diese «Neuen» wiederum verwahren sich dagegen, als vorübergehende blosse Flanierer apostrophiert zu werden, denn sie verstehen sich als der leibhaftig gewordene Prozess ihrer Zeit.

Man hat als Berlinbewohner in den letzten 15 oder 20 Jahren erlebt und auch gelernt, dass eine Stadt nie fertig ist, wenn ihren Bewohnern und ihren Zuwanderern die Chance gelassen wird, wachsen zu dürfen. Wachsen nicht bloss an Bauten oder an Einwohnern, sondern auch an Ideen, an Phantasie, an Theater. Theater verstanden als Darstellung des Eigenen wie des Fremden. 

Dass ausgerechnet eine deutsche Stadt in diese Rolle schlüpfte und sich in ihr unverdrossen weiterhin aufhält, verwundert vielleicht, oder genauer: verwundert mich eigentlich am meisten.

Denn, zweiter Gedanke, Berlin ist ja auch die Hauptstadt Deutschlands. 

Ob sich Deutschland in seiner Hauptstadt quasi aufgehoben fühlt, sich in ihr erkennt, ist eher fraglich. Umgekehrt allerdings stellt sich die Frage: Fühlen sich die Berliner als «Hauptstädter» Deutschlands, etwa jenen zahlreichen Bewohnern von Paris verwandt, welche sich durchaus als «Frankreich an sich» verstehen?

Dazu erst einmal das Folgende:

Die Hauptstadtrolle ist kein Schleck. Kommt irgend ein zweit- oder gar ein erstrangiger «Staatsmann» zur Kanzlerin, oder zum Bundespräsidenten, oder auch nur fürs Wochenende ins Adlon, wartet das gewöhnliche Berlin in Erscheinungsformen wie Fussgängerinnen, Velofahrer, Buskunden, natürlich Autofahrern an polizeilich kurzfristig abgesperrten Strassenzügen geduldig, bis die jeweilige Wagenkolonne, eskortiert von Dutzenden Polizisten auf Motorrädern und ebenfalls Dutzenden Sicherheitsbegleitfahrzeugen, weitherum hörbar begleitet von ununterbrochenem Alarmgeheul, vorbeigebraust ist.

Diese kurzfristigen Sperrungen können, bei den normalen Verspätungsritualen von bedeutenden Persönlichkeiten, lange andauern und passieren wöchentlich mehrmals. Berlin ist schliesslich eine wichtige Hauptstadt. Und weltweit existieren viele zweit- und erstrangige Präsidenten, Ministerpräsidenten und machmal auch Aussenministerinnen, denen das Absperritual protokollgemäss zusteht.

Dann, ins Stammbuch all der an Deutschland herumnörgelnden deutschschweizerischen «Direktdemokraten» geschrieben:

Von den täglich in mehrfacher Ausführung stattfindenden Demonstrationen mit Strassenabsperrungen, Busumleitungen, Tramverkehrseinstellungen und ähnlich publikumsfreundlichen Begleiterscheinungen nur soviel: Man kann in Berlin alltäglich lernen, dass es wirklich nichts gibt, was nicht mit einer Demonstration, oft verbunden mit einer Gegendemonstration, in Erinnerung gerufen werden muss. Die auch noch weit ausserhalb eines «courant normal» angesiedelten Meinungen einzelner Kleinstgruppen, aber auch politische Vorstellungen oder Ablehnungen von Zehntausenden in hellen Scharen Angereisten können in dieser Stadt in den allermeisten Fällen auf «unseren» Strassen ohne Einschränkungen, aber mit Polizeibegleitung – dies, seit einiger Zeit bemerkenswert ohne martialisches Getue – Ausdruck finden.

Der Berliner siehts – und nimmts gelassen

Interessant scheint mir zu sein, dass ich kaum je irgend eine gröbere Beschimpfung von Demonstranten wahrgenommen habe. «Man» nimmt diese Hauptstadterscheinung ziemlich kommentarlos hin.

Um hier über mein Alltagsleben in der Hauptstadt ein sehr vorläufiges, sehr ungenaues, sehr persönliches Fazit zu ziehen:

Man lebt, wenn man in Berlin lebt, in einer sehr grünen Stadt.

Man erlebt, wenn man in Berlin lebt, in einer Stadt, in der man, wenn man denn am kulturellen, am spontanen, am feiernden Stadtleben teilnehmen will, am laufenden Band die Qual der Wahl, was man denn besuchen, was man ansehen, was man anhören, wo man feiern möchte. Denn «alles» ist immer gleichzeitig. 

Man kann aber, wenn man in Berlin lebt, auch als Einsiedler, oder als total zurückgezogene Person seine Zeit ziemlich ungestört, allenfalls von Vogelgezwitscher begleitet, leben.

Ich kenne – noch – keine andere Stadt, in der dies alles so laut und so leise zugleich, so widersprüchlich und so friedlich zugleich, so eitel und so zurückhaltend zugleich miteinander vermischt und versammelt ist.

Voilà: So kann es sein, das Hauptstadtleben.

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