Schranken und Zölle sind kein Rezept – Basel braucht ein neues Mietrecht

Der Aufschrei des Gewerbes ist nicht angebracht, schreibt unser Autor. Das Lädeli-Sterben lässt sich nicht durch Zölle aufhalten. Unsere Hochpreisinsel ist das Problem. Was dagegen zu tun wäre – dafür gibt es Beispiele.

Mangelnde Parkplätze sind und waren noch nie ein Argument, das Problem des Gewerbes in Innenstädten sind die Mietkosten – und dies nicht nur in Basel. (Bild: ​Staatsarchiv Basel-Stadt​)

Der Aufschrei des Gewerbes ist nicht angebracht, schreibt unser Autor. Das Lädeli-Sterben lässt sich nicht durch Zölle aufhalten. Unsere Hochpreisinsel ist das Problem. Was dagegen zu tun wäre – dafür gibt es Beispiele.

Eine Stadt, in der die Bewohnerschaft darauf beharrt, sie sei fertig gebaut, fertig entwickelt, fertig bewohnt, verliert ganz rasch das, was eine Stadt wirklich ausmacht: Spannung, Abwechslung, vielfältiges Tag- wie Nachtleben. Und – natürlich – die für Individuen wie für die Gesellschaft oft äusserst fruchtbare Auseinandersetzung zwischen Hergebrachtem und Neuem.

Diese Auseinandersetzung ist dann lebensbejahend, wenn sie offen, argumentativ, aber auch mit Sinn für Soziales, Ökonomisches und Ästhetisches geführt wird. Kein Einheitsbrei, keine Zentralideologie, keine Bestrafung von Unbekanntem. Vielmehr ist «die Stadt» Ort von ausdrücklich anerkannter Heterogenität in zahlreichen, vielleicht in den meisten, ihrer Lebensbereiche.

Ohne eine tolerante Grundhaltung gegenüber den Phänomenen der Zeit – die meistens erst einmal als unausgereift Neues, eben heterogen zu herrschenden Systemen und Strukturen auftreten – geht über kurz oder lang jene Substanz verloren, deren Qualität in vielen Städten in Europa den Wandel von der Industriestadt oder von der Residenzstadt in eine gesellschaftsorientierte Mischung aus Arbeit, Kultur, Bildung, Forschung, Start-ups sonder Zahl, gerade auch solche hinein in die digitale Zukunftsgegenwart, ermöglicht hat.

Beispiele für vielgestaltige Ansätze des Gelingens sind etwa in Berlin, in Hamburg, in Lyon, in Montpellier, beinahe mustergültig und ziemlich umfassend in Barcelona, aber auch in Zürich zu beobachten. Interessant ist, dass in den genannten Städten spürbar ein aufbauender Bürgersinn wirkt. Natürlich gibt es auch dort die ewigen Nörgler. Bedenkenträger beschwören auch in Berlin oder in Rotterdam den Untergang der Zivilisation, wenn eine Innenstadtstrasse autoverkehrsfrei umgestaltet werden soll.

Aber: Was diesbezüglich in Basel vorgetragen und behauptet wird, stellt schon so ziemlich alles in den Schatten, was bezüglich des angeblich absolut existenziellen Verhältnisses zwischen (verstopften) Autostrassen – samt ständig besetzten Parkplätzen – und dem einkaufsladenbetreibenden «Gewerbe» europaweit gerne behauptet wurde und wird, wenn diese sich zusammen mit der überall immer noch präsenten Autolobby ins PR-Zeug legte und legt.

Die Behauptungen sterben allerdings nach Konkretisierungen von autofreien Innenstadtzonen in den allermeisten Fällen innert kürzester Zeit ab. Auch, weil autoverkehrsfreie Zonen viel mehr Leute anziehen und zum Verweilen in Strassencafés, vor Schaufenstern, in Läden jeglicher Art zu bewegen vermögen als die benzinverhängte Luft an autogerechten Verkehrsachsen, in denen man hüstelnd darauf erpicht ist, möglichst rasch wegzukommen.

Seit Jahrzehnten existiert in Basel eine immer wieder abgebrochene Diskussion über die Verkehrsgestaltung in der Innenstadt. Die Argumentationsebene des «Gewerbes» und der Autolobby war (und ist offensichtlich nach wie vor) immer geprägt von billigster Vorverurteilung eines jeden zum ungezügelten Autoverkehr alternativen Gedankens.

Während Jahrzehnten hat man die schönsten Plätze in Basel als Autoparkfelder missbraucht (wie ein Bildstoff der TagesWoche schön zeigt). Es war schon vor 50 Jahren ein Skandal, dass es die Politik nicht fertiggebracht hatte, den Münsterplatz autofrei zu bekommen. Der Skandal hielt bis vor wenigen Jahren an. Die Argumentation gegen die Aufhebung der Parkplätze und die damit verbundene Hinnahme des Suchverkehrs in engsten Strassenverhältnissen war völlig antiurban. Sie war auch rein sachlich nur eines: lächerlich.

Angeblich hätte das Parken auf dem Münsterplatz die kaufkräftigen Kunden in die baslerisch so genannte «Innerstadt» gebracht. Aber die vielleicht 150 oder 200 Parkplätze waren natürlich immer belegt. Mit einem betagten Tram der Linie 7 (Binningen-Schifflände), einem Tramzug der Linie 14 (Pratteln-Muttenz-Kleinhüningen) oder der Linie 6 (Allschwil-Riehen) kam etwa um 1975 herum täglich alle 7 bis 10 Minuten ein bedeutend grösseres, durchaus auch kaufkräftiges «Kundensegment» zu den Innenstadtgeschäften, als es die Parkplätze und die beiden Parkhäuser an der Heuwaage sowie jenes im Storchen in einem halben Jahr geschafft haben dürften.

I – Die Hochpreisinsel und die Mietkosten sind eng miteinander verknüpft

Das Auto ist ohne Zweifel dann, wenn man mit ihm wirklich fahren kann und wenn am Ziel ein Platz zur Verfügung steht, auf dem man es abstellen kann, ein sehr bequemes Verkehrsmittel. Ob allerdings das Verschwinden bestimmter Innenstadtgeschäfte in Basel etwas mit dem Mangel an für Autos offenen Strassen und Parkplätzen vor den Ladeneingängen zu tun hat?

Dazu eine Erinnerung:

Früher befand sich ein Haushalt- und Werkzeugladen namens Blaser am Marktplatz, direkt neben der Konditorei Schiesser. Irgendwann in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts verschwand dieser Laden an die Peripherie der Stadt. An seiner Stelle entstand eine – Bankfiliale. Schlüsseldienste, Taschenlampen, Schraubenzieher, Sicherheitsschlösser und so weiter rentierten angesichts der massiven Mietsteigerungen im Stadtzentrum nicht mehr. Wenn man heute auf Google nach «Blaser Basel» sucht, findet man eine Website, deren Inhaltsangabe eine bemerkenswerte Rubrik enthält: E-Shop!

Mit diesem Beispiel ist allerhand gesagt, was ich vorerst in einem Exkurs umschreiben möchte:

Die Mieten für kleine und mittelgrosse Läden in den Innenstädten der meisten mittelgrossen und grossen Städte in der Schweiz sind weltweit mit die höchsten. In Basel haben zahlreiche Fachgeschäfte wegen Mietpreissteigerung ihre Geschäftsräume an guter Einkaufslage immer wieder mal aufgeben müssen. Dazu kommt: Die Schweiz ist im Bereich des «höheren Konsums», also dort, wo es ums Wohnen und um Haushalteinrichtung, um die «Freizeit», um Restaurantbesuche und so weiter geht, innerhalb der sie umgebenden EU eine geradezu sagenhafte Hochpreisinsel. Die Preise sind für die meisten international gehandelten Markenartikel, vom T-Shirt bis zum Smartphone, in der Schweiz europaweit am höchsten.

Warum ist das so?

Es liegt ersichtlich zu einem gewichtigen Teil wieder an den Mietkosten, welche auch die Textilketten (H&M, Zara, Calvin Klein, Guess usw.) und beispielsweise die international handelnden Elektronikmärkte (Media Markt) für ihre schweizerischen Niederlassungen bezahlen müssen. Diese im Vergleich zu den Nachbarn teilweise exorbitanten Miet-Mehrausgaben müssen irgendwie finanziert werden. Sprich: Um in der Schweiz etwa die gleiche Rendite zu erzielen wie in Deutschland, in Frankreich, auch in Belgien oder in Spanien, müssen halt die Kundinnen und Kunden mehr bezahlen, als sie in Deutschland und so weiter bezahlen müssen.

In der Schweiz herrscht ein derart krasses Preissegment, dass bei geringstem Krisenanlass das Überleben des Einzelhandels infrage gestellt ist.

Die Hochpreisinsel und die Mietkosten sind eng miteinander verknüpft. Den Profit aus diesem Verhältnis ziehen die Boden- und die Immobilienbesitzer. Diesbezüglich existiert in der Schweiz ein derart krasses Preissegment, dass vielerorts bei geringstem Krisenanlass das Überleben des «einheimischen» Einzelhandels- und des alltäglichen Dienstleistungsgewerbes infrage gestellt ist.

Es mutet schon seltsam an, dass «das Gewerbe» diesen Zustand mehr oder weniger schweigend hinnimmt und sich politisch ausgerechnet hinter der Blocherpartei einreiht – obwohl gerade dort all die neoliberalen Sharholderapologeten das Sagen haben, angefangen vom Chef bis hin zu den Herren Matter, Giger, Rutz, Amstutz und Co.

Dass die Exponenten der schweizerischen Autolobby (Giezendanner zum Beispiel, früher auch der Erbe von Auto-Frey) der SVP ihre Partikularinteressen als Parteiinhalt aufdrücken, ist das eine. Dass Ladenbesitzer in der Nordwestschweiz, seit Jahren mit dem Phänomen der Hochpreisinsel Schweiz konfrontiert, immer noch meinen, «man» könne da irgend etwas zu ihren Gunsten «regeln», etwa ein «Grenzregime» einführen, Zollschranken aufbauen und dergleichen mehr, und zwar via SVP oder via «Bürgerblock», ist das andere.

Dieses andere zeugt, mit Verlaub sei es hingeschrieben, von einer Engstirnigkeit und einem Unwissen, das erstaunen muss.

Das real wirklich «andere» heisst bei etwas genauerem Hinsehen durchaus nicht «Auto» oder «Parkplatz», auch nicht «Zoll» oder «schweizerische Souveränität», sondern «Zalando», «Amazon», heisst «Outlet Design Center» oder, inzwischen ziemlich alltäglich benutzt, schlicht «Kaufland», «Edeka», «Kaiser’s/Tengelmann» oder «Carrefour».

Auch in Deutschland verschwinden Läden – ja ganze Ketten

Wenn ich in 15 oder 20 Minuten ein Einkaufscenter erreiche, in dem das, was ich konsumieren möchte, bis zur Hälfte billiger ist als in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, dann rechne ich halt und entscheide mich für das qualitativ eh gleichwertige, aber bedeutend billigere Angebot – im nahen «Ausland».

Das hat auch in Basel praktisch nichts mit der zum Bahnhof von Weil am Rhein verlängerten Tramlinie 8 zu tun. Es war schon vor Inbetriebnahme dieser Verlängerung der Fall. Die akute Konsum-Problematik im schweizerischen Einzelhandel hat vor allem mit der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank zu tun, den Frankenkurs gegenüber dem Euro nicht mehr bei etwa 1,20 Franken zu einem Euro zu stabilisieren.

Es ist ohne Zweifel eine Mischung aus der Berücksichtigung des Preises und aus der etwas neueren, aber sich rasend ausbreitenden Gewohnheit, per Internet einzukaufen, das Kundinnen und Kunden von Konsumgütern in ihrem Kaufverhalten mehr und mehr beeinflusst.

Auch anderswo verschwinden Geschäfte, auch ganze Filialketten – in Deutschland zum Beispiel der Riese «Kaiser’s/Tengelmann», der vom noch grösser gewachsenen Riesen namens «Edeka» geschluckt wird – respektive geschluckt werden soll. In Deutschland existiert für solche Fälle eine Behörde, deren Durchschlagskraft hie und da erstaunliche Ergebnisse zu Gunsten der Konsumentinnen und Konsumenten erzwungen hat: das Bundeskartellamt. Ob diese Behörde diese «Vereinigung» bewilligt, ist keineswegs klar.

In der Schweiz existiert die Wettbewerbskommission, und es existiert der Preisüberwacher. Es stellt sich trotzdem die Frage, weshalb in der Schweiz ein Café crème im Vergleich zu allen Nachbarländern und zur gesamten EU meistens weit über das Doppelte kostet.

Nun ja, wäre die Schweiz EU-Mitglied…

Soweit der Exkurs.

II – Gentrifizierung, Road-Pricing und die Epoche der Experimente

Ein erstes Stichwort in Zusammenhang mit dem Wandel in innerstädtischen Quartieren und Bezirken lautet: Gentrifizierung.

Im urbanen Diskurs-Kontext versteht man darunter die – langsame, aber spürbare – Umwandlung von günstigen, billigen, sehr einfach ausgestatteten Wohnraum zu teurerem:

«Ausgangssituation bei solchen Prozessen ist häufig zunächst Leerstand. In solche leerstehenden Gebäude ziehen ‹Kreative›, die sie als Ateliers und für preiswertes Wohnen nutzen. Dies wiederum verändert das Image zuvor unattraktiver Quartiere, die sich nun in ‹Szenequartiere› wandeln und damit öffentliche Aufmerksamkeit – und Begehrlichkeiten – auf sich ziehen.»
(zur Quelle)

In zahlreichen Städten überall in Europa ist diese Problematik zu einem ziemlich explosiven Politikum geworden. Die Gentrifizierungsprozesse wecken, kaum sind sie in einem Stadtquartier erkennbar, sofort die Renditebegehrlichkeiten der Immobilienwirtschaft. Die Auswirkung: Kauf, Luxussanierung, erneut Leerstand, der aber dank grosszügigen Kreditvorgaben vieler Banken einen «langen Atem» hat.

In der Folge solcher «Quartieraufwertungen» sind nicht nur Wohnungsmieterinnen und -mieter mit durchschnittlichem, vor allem aber eher bescheidenem Einkommen betroffen, sondern auch zahlreiche Ladenbesitzer, Einzelhändler, alteingesessene Spezialgeschäfte, vor allem solche für den Alltag, also Bäckereien, kleine Cafés, Metzgereien, Buchläden und so weiter, von Handwerksbetrieben ganz zu schweigen.

In einigen Grossstädten in Europa (Berlin, Kopenhagen, Barcelona als Beispiele) versucht die Stadtpolitik mit dem Bau von Wohnungen in Innenstadtbezirken, die einen weit günstigeren Quadratmetermietpreis haben als die Renditeobjekte der Immobilienwirtschaft, der Gentrifizierung entgegenzuwirken. Zugleich hat das Land Berlin eine Bundesratsinitiative gestartet, mit der sowohl das Mietrecht als auch der Bodenbesitz stadtbewohnerfreundlicher geregelt werden soll. All dies existiert in ähnlicher Form beispielsweise auch in Barcelona.

Dort haben die Stadt und die katalanische Regionalregierung in den – im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen – meist überdurchschnittlich dicht bewohnten Quartieren zahlreiche Parks, Freizeiteinrichtungen, Treffpunkte für alte Stadtbewohner, Kitas und so weiter gebaut und unterhalten diese mit städtischem Personal.

Man muss als Stadtpolitiker nur eines tun: reisen, sich informieren, vergleichen.

Jedenfalls ist in einigen europäischen Metropolen ein Stadtumbau in Gang gekommen, der sich auch an im Planungsvorfeld abgeklärten Bedürfnissen der Stadtbewohner in ihrer ganzen Vielfältigkeit, ja Heterogenität auseinandergesetzt hat. Nirgendwo existiert ein «Idealzustand».

Aber zahlreiche Ansätze zu Gunsten einer urbanen Vielfältigkeit und gegen eine reine Renditestadtarchitektur sind erfahrbar, weil vorhanden. Man muss als Stadtpolitiker nur eines tun: reisen, sich informieren, vergleichen – kurz: über den engen eigenen Stadthorizont hinausschauen. Beispiele gibt es genug: Strasbourg, Metz, Lyon als französische «Experimentalstädte», Freiburg im Breisgau – dort etwa «Vauban» – in unmittelbarer Nachbarschaft von Basel.

Nebenbei gesagt: In Berlin können sich Stadtbasler Politikerinnen und Politiker auch über den effektiven, also den benutzten Zusammenhang von direkter Demokratie (Initiativen, Referenden) und Stadtplanung mitsamt rechtlichen Grundsatzfragen informieren, wenn sie nur wollen.

Ein zweites Stichwort, das seit über zehn Jahren den Wandel innerstädtischer Verkehrsverhältnisse in metropolitanen Grossstädten betrifft, lautet Road-Pricing. In Grossbritannien wird anstelle dieses Begriffs von «congestion charge» (Staugebühr) gesprochen, in Deutschland von Stadt- oder Citymaut.

Diese Begriffe behandeln die Benutzung des immer beschränkten innerstädtischen Verkehrsraums sowie Reglemente bezüglich der Feinstaubverminderung – eine gesundheitspolitischen Aufgabe also. Was erst einmal völlig utopisch geklungen hat, macht inzwischen weltweit einen Realisierungsschritt nach dem anderen. Die allererste Citymaut wird im Übrigen seit 1975 in Singapur erhoben!

Zweck aller Road-Price-Systeme: Der Autoverkehr läuft innerstädtisch nicht mehr automatisch. Er ist reglementiert. Die Autofahrt in Innenstädten muss – genauso wie zum Beispiel eine Fahrkarte im öffentlichen Verkehr – erworben werden. Die genauesten Untersuchungen über Auswirkungen eines Road-Price-Systems wurden in Stockholm gemacht.

Zwei Stichwörter, die wesentliche Belange einer lebendigen Stadt betreffen.

Lebendige Stadt bedeutet auch, dass sie sich im Grunde genommen ständig wandelt. Der Wandel einer Stadt ist vielfältig, er findet im Stein wie in den Köpfen statt. Und er ist tatsächlich allgegenwärtig. Nachdem sich das Zeitalter der Industriestadt mehr oder weniger schnell dem Ende nähert, beginnt eine Epoche von Experimenten: Was kann «man» nun machen, damit die Stadt nicht verarmt oder nichts mehr an Arbeitsplätzen, an Kultur, an urbanem Leben erfahren lassen würde?

Das Daten- und Informationszeitalter, an dessen Schwelle wir vermutlich – mit aller Vorsicht sei es skizziert – stehen, erfordert mit grosser Wahrscheinlichkeit unter anderem neue Raumverhältnisse, andere Wohn- und Arbeitsstrukturen als das, was hergebracht seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts in Europa gang und gäbe war.

Gefordert sind dabei nicht nur Planer und Politikerinnen respektive Stadtpräsidenten oder Kulturbeauftragte. Gefordert ist nebst den Stadtbewohnern ganz spezifisch auch das «Gewerbe», die Steuerbehörden, die Banken. Es ist inzwischen absehbar, dass immer mehr Menschen per Internet konsumieren.

Das führt automatisch dazu, dass Innenstadtgeschäfte weniger Umsatz machen. Folglich müssten etwa die Geschäftsmieten vermindert werden – allein schon die Möglichkeit, Geschäftsmieten an Umsätze zu koppeln, würde vielen Ladeninhabern für eine gewisse Zeit dazu verhelfen, sich neuen Strukturen anzupassen.

Nicht Zölle zwischen Weil am Rhein und Basel sind ein Rezept, sondern die Umgestaltung des städtischen Mietrechts.

Da müssten allerdings neue Gesetze her. Das heisst: Politik müsste sich mit Details aus den Kapiteln namens Rendite, Bankkredite, Bodenbesitz und so weiter beschäftigen, um unter anderem auch ihrem städtischen Gewerbe einen gewissen Schutz, auch vor international aufgestellten und zahlungspotenten Textil- oder Elektronikketten zu verschaffen.

Nicht Zölle oder Strafzölle zwischen Weil am Rhein, Lörrach oder Saint Louis auf der einen und Basel auf der anderen Seite einer ziemlich imaginär gewordenen «Grenze» sind ein Rezept, sondern die Umgestaltung des städtischen Mietrechts. Nicht einzelne Autoparkplätze vor Kleingeschäften bringen Umsatz, sondern eine freundliche Geschäftsumgebung, Bäume, Cafés, Sitzbänke.

Wo es einem wohl ist, bleibt man. Wo man bleibt, also Zeit verbringt, sieht man auch, was angeboten wird. Ob man das Angebotene gleich mitnehmen kann, oder ob man es sich zuschicken oder nach Hause bringen lässt: Exakt da kann sich das städtische Gewerbe entwickeln und zum umfassenden Dienstleister mutieren – man muss nur etwas Fantasie entwickeln und aus einer billigen Rechthaberecke hinaustreten!


Alois Karl Hürlimann nimmt mit diesem Text den Schwerpunkt der TagesWoche zum neuen Verkehrskonzept in Basel auf. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier dazu.

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