«Und dann?» Fragen Sie nach den Folgen!

Kinder fragen gern endlos nach dem «Warum». Erwachsenen, die sich als politisch mündig betrachten, würde es auch gut anstehen, zu insistieren und häufiger nach den Folgen ihrer Entscheide zu fragen. Ein Plädoyer für weiterführendes Denken.

U.S. soldiers and Iraqi civilains topple a statue of Saddam Hussein in downtown Baghdad Wednesday April 9, 2003. (KEYSTONE/AP Photo/Jerome Delay)

(Bild: JEROME DELAY)

Kinder fragen gern endlos nach dem «Warum». Erwachsenen, die sich als politisch mündig betrachten, würde es auch gut anstehen, zu insistieren und häufiger nach den Folgen ihrer Entscheide zu fragen. Ein Plädoyer für weiterführendes Denken.

1.

Donald Trump ist Kandidat für die US-Präsidentschaft. Er hat die Vorwahlen bei den Republikanern gewonnen, sofern man bei den Verfahren von Primaries und Caucuses überhaupt von Wahlen nach einigermassen allgemeingültigen Voraussetzungen sprechen kann. Eine gute Übersicht über dieses monatelang inszenierte Geschehen findet man hier.

Trump stellt sich als Retter der USA dar. Seine Rezeptur: Alles, was «uns» nützt, wird durchgesetzt. Alles, was der Grösse der USA schadet, wird eliminiert. Die Zuwanderung aus dem Süden (Mexico dient dafür als Sammelbegriff) wird per Mauerbau und Grenzschutz-Automatismen verhindert. Illegal Eingewanderte werden «zurückspediert», und zwar umgehend nach seinem Amtsantritt, wie er seiner Zuhörerschaft immer wieder zuschreit. Was legal ist und was illegal, das bestimmt die Regierung, genauer: der Präsident.

Was also, wenn?

Schon jetzt werden Richter, die Klagen gegen Trumps Scheinwelt mit gesetzlich vorgeschriebener Unabhängigkeit behandeln, verleumdet und dem Pöbel ausgesetzt, den Trumps Mannschaft und seine bigotten und rechtsnationalistischen Unterstützer seit Monaten organisieren – mittels primitivster und alles verfälschenden Medienscheinrealitäten. Etwa von Fox News. Fox News gehört, nebenbei bemerkt, einem Australier namens Murdoch.

Der US-Wahlkampf läuft nach den Regeln einer erfolgreichen TV-Serienproduktion ab.

Was in den nächsten Monaten in den USA anstehen dürfte: Ein Wahlkampf, der nicht politisches Handeln beinhaltet, nicht Machtfragen und nicht Machtkontrolle, nicht Diskussionen über Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme, sondern Hatz auf die Andere oder den Anderen. Denn auch die Clinton-Werbung wird selbstredend nicht auf alle möglichen, auch grotesken Übertreibungen bezüglich Trump verzichten. Man nennt so etwas zum Beispiel «Vergiftung der politischen Atmosphäre». Politik als Spektakel, als ob es sich um eine TV-Serie handeln würde.

Tatsächlich ist es so, dass dieser «Wahlkampf» exakt nach den Regeln einer erfolgreichen TV-Serienproduktion abläuft: Häppchenweise wird die Zuschauerschaft, werden also die potenziellen Wählerinnen und Wähler auf das nächste Event, auf den nächsten Klamauk, auf die nächste spannungsgeladene Sensation, am besten einen Skandal, eingestimmt. Der Spannungsbogen steht fest. Im Verlauf der Wahlkampfmonate muss er bloss stückweise mit dem aufgefüllt werden, was die Zuschauer bei der Stange hält.

Und dann?

2.

Nach dem ernüchternden Ausgang des Brexit-Referendums in Grossbritannien, so macht es den Anschein, ist umfassendes publizistisches Verständnis für die sogenannten Opfer der Globalisierung angesagt. Ein Verständnis, das darin besteht, etwas gar verallgemeinernd von der Distanz zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern zu schreiben und zu reden.

Etwa: Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass man in der EU-Politik über die Ängste der Völker hinweggegangen sei und damit die Zustimmung der Briten zum EU-Austritt geradezu provoziert habe.

Die Rede ist vor allem vom Gegensatz zwischen «Eliten» und «dem Volk». Reihenweise kommen Begriffe zur Anwendung, die den rechtsnationalistischen und rassistisch-xenophob hetzenden Propagandisten eigen sind, und zwar so stereotyp, als ob es sich dabei um die einzig richtige Begriffswahl handelt. Da ist immer die Rede vom «Volk». Das Volk steht wenig überraschend auch bei vielen Verständniskommentatorinnen und -kommentatoren im Singular.

Das äussert sich meistens in scheinbaren Nebensächlichkeiten der angewandten Sprache, etwa wenn der «Spiegel»-Journalist Romain Leick am Ende seiner Ausführungen über die Gründe für den Brexit-Beschluss schreibt: «Jede Protestwahl ist ein Warnpfiff, eine Gelbe Karte des Volkes für die Politik der Parteien. Niemand weiss, was passiert, wenn die Rote gezogen wird. Die Briten haben es jetzt getan, auch wenn ihnen die Ungeheuerlichkeit ihres Verstosses inzwischen selbst aufgeht und sie über sich selbst erschrecken.» («Die Idioten der Familie», «Der Spiegel» Nr. 27, 2016, S. 121) Man beachte: «Gelbe Karte des Volkes», «die Briten haben…», «…auch wenn ihnen…».

Der Brexit wird in den nächsten Jahren die britische Politik beherrschen, gesellschaftliche Probleme werden vernachlässigt werden.

Immerhin haben 48,1 Prozent der abstimmenden Britinnen und Briten sich gegen einen Brexit ausgesprochen. Da die Beteiligung bei etwas über 70 Prozent lag, kann man – rein arithmetisch vorerst – festhalten, dass sich rund 37 Prozent der Britinnen und Briten durchgesetzt haben gegenüber den 63 Prozent, die sich gegen einen Austritt gewendet oder sich nicht geäussert haben.

Diese konkrete Zahl steht nicht für «das» Volk. Sondern allenfalls für die Hälfte des abstimmenden Volkes der Briten. Dabei wird, nur nebenbei bemerkt, völlig ausser Acht gelassen, dass die etwa vier Millionen EU-Bürger, die in Grossbritannien leben, arbeiten und Steuern zahlen, kein Stimmrecht hatten. Dafür durften, aus historischen Gründen, in Britannien lebende Bürgerinnen und Bürger der Republik Irland abstimmen, wenn sie wollten. Dagegen hatten jene 1,2 Millionen Britinnen und Briten, die ausserhalb Grossbritanniens in der EU leben, für dieses Referendum kein Stimmrecht.

Nun steht fest: Der Brexit wird in den nächsten Jahren die britische Politik beherrschen. Zahlreiche gesellschaftliche Probleme werden vernachlässigt werden, etwa die dringend notwendige Reform des Gesundheitswesens (ohne im Ausland ausgebildete Ärzte wäre es längst kollabiert) oder Fragen zur politischen Struktur im Vereinigten Königreich.

Um beim Gesundheitswesen zu bleiben: Wenn in einem Staat zu wenig Ärzte und zu wenig Pflegepersonal ausgebildet werden, braucht es eine lange Anlaufzeit, um das zu ändern. Also Ausbildungsplätze zu schaffen, diese zu finanzieren und genügend Einwohnerinnen und Einwohner zu motivieren, eine komplexe Ausbildung über Jahre hinweg durchzuhalten. Ohne einen enormen Aufwand an Steuergeldern, ohne einen ebenso grossen Aufwand an Organisation lässt sich die heute herrschende Situation im britischen (und auch im schweizerischen) Gesundheitswesen nicht verändern. Es braucht politisches Engagement, braucht Ressourcen. «Dank» Brexit können diese Voraussetzungen in Grossbritannien in den nächsten Jahren nicht geschaffen werden. Darauf gibt es zahlreiche Hinweise.

Einmal in Gang gesetzt, wird das Brexit-Verfahren am laufenden Band Turbulenzen verursachen, die ihrerseits soziale Spannungen erzeugen werden.

Besonders schwerwiegend und folgenschwer: Einmal in Gang gesetzt, wird das Brexit-Verfahren am laufenden Band Turbulenzen verursachen, die ihrerseits soziale Spannungen erzeugen werden. Die im Abstimmungskampf geschürte Hoffnung auf neue Arbeitsplätze im industriellen Sektor Mittel- und Nordenglands beruht nicht auf Fakten, sondern auf Behauptungen von Politikern, die Lügen als «normal» ansehen. Ein Plan zur Arbeitsplatzsicherung nach dem Brexit haben diese politischen Hasardeure nicht. Dabei wäre das für die noch respektive dank EU-Mitgliedschaft wieder existierende britische Autoindustrie von existenzieller Bedeutung. Einen Plan dafür hat auch die neue britische Regierung nicht.

Zudem: Grossbritannien hat, aus verschiedenen Gründen, eine heterogene Bevölkerung. Da geht es nicht nur um Schotten und Engländer, nicht bloss um nordirische Katholiken und Unionisten, sondern beispielsweise auch um Millionen Menschen mit asiatischen Wurzeln. Es geht um eine seit Jahrzehnten gebildete heterogene Staatsgesellschaft, die nun auf jene Brücke geschoben wird, die zwischen dem Status eines EU-Mitgliedstaats und dem eines ausgetretenen Mitglieds begangen werden muss. Voraussehbar ist: Viele werden darauf keinen Platz finden.

Und dann?

3.

Wir leben im Zeitalter der Sofortbenachrichtigung. Bevor irgendetwas Konkretes über ein Ereignis bekannt geworden ist, erscheinen auf unzähligen Onlineportalen «Eilmeldungen», meist mit der Bemerkung versehen, Genaueres folge in Kürze. Die Schlagzeile ist erst einmal gesetzt. Der Rest, so scheint es, ergibt sich dann von selber. In letzter Zeit also etwa: Paris. Brüssel. Istanbul. Nizza. In Deutschland jüngst Würzburg, München, Ansbach. Hie und da Bagdad oder wahlweise Aleppo sowie Kabul. Am Rande bloss, weil nicht «bei uns», 500, 600 oder mehr ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer.

Die Kommentare plustern sich vor lauter aufgeschwelltem Besserwissen in riesigen Blasen auf und enden häufig in Hass-Posts.

Den Eilmeldungen ohne genaueren Inhalt folgen sofort millionenfach Kommentare auf Socialbooks. Die Kommentare plustern sich vor lauter aufgeschwelltem Besserwissen in riesigen Blasen auf und enden häufig in Hass-Posts.

Das Netz zuckt in einem individuell nicht nachvollziehbaren Takt von der Sensation zur Katastrophe, von der Katastrophe zur Trauer oder zum momentanen Entsetzen. Danach kommt jene politische Sprache zur Anwendung, die erklärt, «man» befinde sich zum Beispiel «im Krieg gegen den Terror» und erkläre deshalb «den» Ausnahmezustand. Oder es wird versichert, «man» habe die notwendigen Massnahmen in die Wege geleitet.

Praktisch jede Nachrichtenlage gliedert sich – da sie naturgemäss einen Prozess, eine Bewegung, einen Verlauf darstellt – in lauter Teilstücke. Der Versuch, da Ruhe reinzubringen oder mit Nachdenken und Faktensortierung Überblick zu schaffen, erfolgt erst später. Einer der Gründe dafür liegt darin, dass nachrichtentauglichen Ereignissen durch die elektronischen Kommunikationsmittel in Wort und vor allem (Video-)Bild Gestalt gegeben wird. Dies geschieht, zeitlich verstanden, lange vor professioneller oder von Kenntnissen gestützter Nachrichtenvermittlung.

Das Internet vermittelt die unmittelbare Jetztzeit-Dokumentation von Einzelnen. Einzelne, die man dann Zeugen nennt. 

Natürlich ist bekannt, dass solche Bebilderung willkürlich ist, immer aus einer sehr individuellen Sicht heraus erstellt – was gerade bei Fotografien und Videos von eminenter Bedeutung ist, aber kaum reflektiert wird. Aber es ist das Element der Aktualität, des Augenblicks, dem man sich jetzt, also quasi unmittelbar anschliesst.

Das Internet vermittelt die unmittelbare Jetztzeit-Dokumentation von Einzelnen. Einzelne, die man dann Zeugen nennt. Zeugen sind Individuen. Was sie erleben, sehen, benennen, ist ihre individuelle, ihre persönliche Sichtweise. Die Betonung liegt hier auf «persönliche Sichtweise». Daraus wird aber so etwas wie die «einzige momentane Wahrheit», der dann die ganze globalisierte professionelle «Nachrichtenbearbeitung und -darstellung» hinterherhechelt.

Die Neuigkeiten jagen sich in einem für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbaren Takt.

Beispielhaft geschah dies in München anlässlich des Amoklaufs von David S. am Abend des 24. Juli 2016. «Zeugen» wollten angeblich drei Terroristen mit «Langgewehren» gesehen haben. Noch nach Stunden schrieben und sprachen zahlreiche professionelle Nachrichtenvermittler von «mindestens drei Attentätern» – obwohl die Polizei diese Darstellung nie bestätigt hatte.

Eine der Folgen solcher Nachrichtenvermittlung: Die Neuigkeiten jagen sich in einem für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbaren Takt. Was man wirklich wissen müsste, etwa genauere Gründe für die Kadenz der Terroranschläge, um diese danach unter Umständen brechen zu können, ist völlig aus der politischen und medialen Diskussion ausgeschaltet. Man hat gar keine Zeit und auch keinen Raum mehr, um Hintergründe zu erforschen, wahrzunehmen und Handlungsabläufe einzurichten, die Attentate verhindern helfen könnten.

Und dann?

4.

Ja, und dann? Angenommen, Trump wird zum US-Präsidenten gewählt?

Kann «man» sich auf ein Arrangement zwischen seiner vollziehenden politischen Umgebung und dem Staatsapparat verlassen, das allzu problematische, kriegerische oder die Menschenrechte verletzende Aktionen verhindern würde?

Wie eine totale Machtergreifung in einem Staat mit Hilfe von demokratisch ermittelten «Mehrheiten» inszeniert werden kann, ist derzeit in der Türkei unter der Herrschaft des demokratisch gewählten AKP-Apparates zu beobachten.

Alle Medienwelt «berichtet» ununterbrochen und detailliert. Aber worüber berichtet sie denn genau?

Erst einmal: Alle Medienwelt «berichtet» ununterbrochen und detailliert. Aber worüber berichtet sie denn genau? Richtig, sie schreibt, sie spekuliert, sie schwadroniert über Erdogan.

Die Medienwelt zumindest in Europa stilisiert den gewählten türkischen Präsidenten zum alleinigen Herrscher über die Türkei und die Türken. Von der AKP, der Partei, die seit Jahren an der Macht ist, vom Polizeiapparat, von Teilen des Militärs, die der AKP zudienen, ist praktisch nie die Rede. Es wird uns mitgeteilt, dass 3000 Richter abgesetzt worden seien, dass 15’000 Lehrerinnen und Lehrer abgesetzt werden sollen. Es wird von der Verhaftung von Tausenden berichtet. Um etwas provokativ zu fragen: Hat Erdogan das alles alleine durchgeführt ? Gab es da nicht noch mindestens ein paar Helfer?

Ohne Erdogan, so die quasi-logische Folgerung, befände sich die Türkei auf einem viel demokratischeren und rechtsstaatlich saubereren Level.

Es entsteht der Eindruck, Erdogan sei ein Diktator, also sei er auch das Problem. Ohne Erdogan, so die quasi-logische Folgerung, befände sich die Türkei auf einem viel demokratischeren und rechtsstaatlich saubereren Level. Ohne Erdogan kein Militärstaatsstreichversuch? Ohne Erdogan keine Probleme für türkische Kurden? Ohne Erdogan das Menschenrechts-Paradies vom Bosporus bis zum Oberlauf des Tigris?

Was in der Türkei geschieht, zeigt, was mit Hilfe einer Demokratie möglich ist: Man kann per Wahlen Wahlen abschaffen. Man kann aus einem Moment des aufgehetzten Zustandes einer kleinen Mehrheit per «Mehrheitsentscheid» die Lebensgrundlagen einer ganzen Bevölkerung zerstören.

Vor allem aber: Die Institutionen, die dem Recht, dem Gesetz, dem Rechtsstaat verpflichtet sind, beteiligen sich an der gezielt inszenierten Rechtszerstörung. Sie vergessen das Recht, sie ordnen sich willkürlicher Machtausübung unter und dienen der Ausdehnung erkennbaren Unrechts gegen politische, religiöse, ethnische Minderheiten, die zusammen sehr wohl eine Bevölkerungsmehrheit darstellen könnten.

Es liegt durchaus nahe, das Beispiel Türkei als Muster anzuführen für die gezielte Machtübernahme durch diktatorisch gesinnte Machthaber.

Und wenn dann die 15’000 Lehrkräfte nicht mehr unterrichten? Wenn unzählige Wissenschaftler entweder geflohen oder von ihren globalisierten Netzwerken abgeschnitten sind? Wenn die Kurden zum inneren Feind zurückbuchstabiert worden sind?

Was dann?

Es liegt durchaus nahe, das Beispiel Türkei als Muster anzuführen für die gezielte Machtübernahme durch diktatorisch gesinnte Machthaber; als Machtübernahme mittels Wahlen oder Abstimmungen.

Man stelle sich also vor, was ein US-Präsident Trump unternehmen würde, um sein Amt auch wirklich ausüben zu können. Was kann er? Er kann Firmen konstruieren – und sie auch hie und da in Insolvenz gehen lassen. Er kann Hotels betreiben lassen. Er ist ein Immobilienkönig – sofern man nicht so genau hinschaut. Er ist Besitzer einiger Golfplätze. Eine von ihm gegründete «Universität» hat den Ruf, kein wissenschaftlich anerkanntes Gebilde zu sein.

Hat Trump je über so etwas wie eine internationale Rechtsgrundlage in der Wirtschaft nachgedacht?

Hat er je über so etwas wie eine internationale Rechtsgrundlage in der Wirtschaft nachgedacht? Oder im Bereich militärischer Fragen vertiefte Kenntnisse über Automatismen in Krisensituationen bei anderen Staaten erworben? Hat er Menschenrechtsprobleme bedacht oder Erfahrungen gesammelt zur Entstehung internationaler Krisen, die eigentlich zu verhindern wären?

Es existieren zahlreiche Hinweise, dass dem insgesamt und in jedem Detail, über das man sich über Trumps Absichten ins Bild setzen möchte, offensichtlich nicht so ist. Da herrscht Leere. 

Dafür züchtet Trumps Propagandamaschine eine Gemeinde von Gläubigen heran, denen er das Heil der USA verheisst, ihr «alte» Grösse und dergleichen mehr verspricht und vor allem mit rassistischen Elementen pokert. Es ist die Frage, ob er Letztere je wieder los wird. Die versprochene Mauer gegen Mexico muss Trump, sollte er Präsident werden, in irgendeiner Form wenigstens ansatzweise verwirklichen. Sie ist bisher seine einzige konkrete politische Handlungsaussage geblieben. Wie wird er vorgehen?

Es braucht gar nicht sehr viel Fantasie, um ein entsprechendes Trump-Szenario aufzustellen: Er dürfte Verordnungen erlassen, die das Überschreiten der US-Grenze aus Mexico für Latinos ganz allgemein zu einem Akt der Staatsfeindlichkeit gegen die USA erklären wird. Es ist sehr wahrscheinlich, man braucht da nur ein wenig Vergangenheit zu kennen, dass es in der Folge viele von staatswegen getötete Menschen an dieser Grenze geben wird. Schliesslich muss der Wille des Präsidenten, den die Mehrheit gewählt hat, durchgesetzt werden. Was dann wiederum eine «Krise» schafft, die Trump erlauben wird, die Nachbarn massiv zu bedrohen.

Und dann?

5.

Wenn man die eine oder andere «Und-dann?-Frage» vor einiger Zeit gestellt hätte, würde man heute feststellen müssen: Die Bomben der USA, Frankreichs und Russlands gegen den IS im syrischen und irakischen Bürgerkrieg verhindern die terroristischen Verbrechen von Einzeltätern oder organisierten Gruppen in Europa nachweislich nicht.

Die Aufrüstung Saudi-Arabiens mit der gesamten Waffentechnologie des Westens (USA, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien) hat weder den syrischen noch den irakischen Bürgerkrieg beendet, geschweige denn verhindert, und die Finanzlogistik des islamistischen Terrors, die in Saudi-Arabien und in Katar konzentriert sein dürfte, überhaupt nicht belästigt.

Zwei Faktoren, deren Wirksamkeit ohne Zweifel miteinander zu tun haben.

Haben Bush, Blair und Co. sich, als sie den 2. Irakkrieg völkerrechtswidrig begannen, je die Frage gestellt: Und dann?

Haben Bush, Blair und Co. damals, als sie den 2. Irakkrieg völkerrechtswidrig begannen, sich je die Fragen gestellt: Und dann? Was folgt? Wer ist später verantwortlich? Wie geht man bei bürgerkriegsähnlichen Vorkommnissen vor? Haben sich die politisch Handelnden des 2. Irakkrieges überhaupt je andere als militärische Fragen gestellt?

Es ist offensichtlich, dass solche Fragen damals keine Rolle spielten. Immerhin: Weder die USA noch Grossbritannien sind aus sich heraus verbrecherische Staatskonstruktionen. Es handelt sich um Rechtsstaaten. Aber auch in solchen können politisch Handelnde rechtswidrig handeln. Bush handelte «populistisch», ohne Zweifel. Er wollte Rache für den 11.9.2001. Diese Rache war populär.

Im Fall des 2. Irakkrieges handelte nicht nur die Politik in den USA und anderswo im Westen rechtswidrig. Vielmehr ist dieser Krieg deutlich zu erkennen als der hauptsächliche Anfang einer weitergehenden Destabilisierung und Verrohung des Iraks und später Syriens, der den gesamten Nahen Osten und nun zunehmend auch europäische Metropolen in Mitleidenschaft zieht. (Wer sich über die Ursprünge des IS orientieren möchte, kann das zum Beispiel hier nachlesen oder hier.)

Blochers Annahme, man könne die EU zugunsten der eigenen Rosinenpickerei erpressen, war natürlich immer schon falsch.

Man kann auch weniger kriegerische, weniger mörderische Beispiele anführen, um Ernüchterung als reale Folge von allerhand rechtspopulistischen Versprechen und rassistischer Hatz gegen «Ausländer», gegen «Muslime», gegen «die EU» festzustellen: Blochers Annahme, die EU sei bloss eine schäbige Bürokratenkaste, man könne sie, wie und wann man wolle, zugunsten der eigenen Rosinenpickerei erpressen, war natürlich immer schon falsch. Nun erweisen sich die Warnungen derjenigen, die über die Organisationen und deren Abläufe in der EU einigermassen Bescheid wussten – unter anderem zahlreiche Auslandschweizer – als Menetekel an der Wand der schweizerischen Wirtschaft.

Hätte man zum Beispiel vor dem 9.2.2014 (Abstimmung über die Initiative «Gegen Masseneinwanderung») in den deutschschweizerischen Hauptmedien, insbesondere im Fernsehen, etwas präziser über die Konstruktion, den Entscheidungsablauf und die demokratischen Institutionen der EU berichtet, anstatt den Schreihälsen der SVP Tür und Tor zu öffnen, wäre die Situation heute vermutlich nicht so, wie sie sich präsentiert – als existenzielle Gefahr für die schweizerische Wirtschaft der nächsten Jahre, insbesondere für sehr viele Arbeitsplätze.

Man hätte damals intensiver fragen müssen: Und dann?

Man hätte von Blocher und Co. konkrete Antworten verlangen müssen. Man hat sie stattdessen grösstenteils schwatzen und drohen lassen.

Vermutlich wäre die Mehrheit von 50,3 Prozent nicht zustande gekommen für die Initiative, die nun als unlösbare politische Frage andere wichtige Fragen in der Bevölkerung, auch Zukunftsfragen an sich, zur Seite drängt. Es fehlen die politischen, die gesellschaftstheoretischen, auch die ökonomischen Ressourcen. Es fehlt Zeit, es fehlt das Studium möglicher Fakten – beispielsweise technologischer Natur – und es fehlt eine breite Diskussion, weil man mit etwas bis zum Überdruss beschäftigt ist, was sowieso nicht so lösbar sein wird, wie Blocher und diese Rechtsnationalisten der Schweiz es wollen.

6.

Und dann?

Ich denke, das ist eine intelligente Frage. Immer wieder. Bei vielen Gelegenheiten.

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