Nur keine Eile – der wirkliche GAU wäre ein Handy ohne Strom

Die Gegner der Atomausstiegsinitiative säten geschickt Zweifel. Jetzt sind sie und die Wirtschaftsverbände gefragt: Ein Freipass für Atomenergie ist das nicht. Ganz und gar nicht.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Gegner der Atomausstiegsinitiative säten geschickt Zweifel. Jetzt sind sie und die Wirtschaftsverbände gefragt: Ein Freipass für Atomenergie ist das nicht. Ganz und gar nicht.

Die Schweizerinnen und Schweizer haben am Sonntag die Atomausstiegsinitiative der Grünen abgelehnt. Aber immerhin fünf Stände – darunter die beiden Basel – und 46 Prozent der Abstimmenden haben sich dafür ausgesprochen. Die Initiative ist also an Volk und Ständen gescheitert.

Das ist zwar schade, aber nachvollziehbar.

Die Initiative forderte nichts weniger als den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie und bereits in wenigen Monaten sollte das erste AKW für immer stillgelegt werden. Ein solch radikaler Umschwung entspricht schlicht nicht (deutsch)schweizer Gepflogenheiten. Die Eidgenossen agieren lieber überlegt und planvoll, als hastig und überstürzt.

Und genau das machte es der Gegnerschaft einfach. Selbst atomkritische Geister mussten zugeben, dass es derzeit noch nicht möglich ist, den Atomstrom nachhaltig und ausschliesslich durch erneuerbare und umweltfreundliche Energien zu ersetzen. Die Angst vor der Versorgungslücke im Zeitalter von Smartphone und Smarthome oder einem Ersatz durch «dreckigen» Strom konnten die Initiativgegner deshalb geschickt bedienen. Sie säten Zweifel an der Umsetzbarkeit.

Die Initiativgegner säten geschickte Zweifel an der Umsetzbarkeit.

So nahm die Initiative den selben Verlauf wie andere typische «linke» Initiativen. Sie ist im Kern sympathisch und wünschenswert und wird deshalb anfänglich stark unterstützt. Aber mit zunehmendem Abstimmungskampf werden ihre Schwachstellen aufgedeckt. Die Bürger können die Folgen nicht wirklich abschätzen und tendieren deshalb dazu, den Status Quo nicht zu extrem zu verändern.

Das eigene Handy ohne Strom ist für die Schweizerinnen und Schweizer offenbar der realistischere und bedrohlichere GAU als eine Katastrophe wie in Fukushima oder in Tschernobyl. Und das obwohl in der Schweiz der älteste AKW-Park der Welt steht und regelmässig einzelne Kraftwerke aus Sicherheitsgründen vom Netz müssen.

Nach der Niederlage der Grünen wird nun Bundesrätin Doris Leuthard den Takt in Energiefragen vorgeben. Ihre Strategie 2050 sieht einen organisierten Ausstieg aus der Atomenergie vor, allerdings ohne klare Termine. Die Schweizer AKWs sollen so lange weiter laufen, wie sie sicher betrieben werden können. Neue Atomkraftwerke sollen aber keine gebaut werden.

Die Gegner sprechen schon davon, dass die Schweiz keinen Atomausstieg wolle. Das ist völliger Quatsch.

Doch ihre Strategie gerät nun auch stärker unter Beschuss. Am Sonntag haben Gegner bereits davon gesprochen, die aktuelle Abstimmung zeige, dass die Leute nicht aus der Atomkraft aussteigen wollen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Die Abstimmung «Strom ohne Atom» aus dem Jahre 2003 unterstützten rund 33 Prozent und heute sind es 13 Prozent mehr, die sofort aussteigen wollen.

Aber genau deshalb sind nun Wirtschaftsverbände und bürgerliche Politiker gefordert, ihre Zusagen zum Atomausstieg, die sie im aktuellen Abstimmungskampf gemacht haben, einzuhalten. Ansonsten geschieht das weiterhin, wogegen die Wirtschaftsverbände unablässig ankämpfen: Die Subvention eines unrentablen Wirtschaftszweiges und damit die Verhinderung von Innovationen.

Jetzt sind Wirtschaftsverbände und bürgerliche Politiker gefordert.

Und die Atomkraft wurde über Jahrzehnte subventioniert, denn die AKW-Betreiber mussten nicht einmal ansatzweise die Risiken absichern, für die sie bei einer Katastrophe verantwortlich wären, und konnten so deutlich zu günstig Strom produzieren.

Deshalb gilt: Nur wenn der Ausstieg verbindlich bleibt, sind die Kraftwerkbetreiber und Energiefirmen in der Pflicht, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Alternativen zu entwickeln. Nicht dass wir in der Diskussion um die Energiestrategie 2050 nochmals dieselben Argumente von wegen Versorgungslücke & Co. hören müssen.

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