Bis in die letzte Faser in Bücher vernarrt

Ein gutes Buch macht für Iris Müller nicht bloss sein Inhalt hinaus. In ihrem Kleinbasler Buchladen verlegt sie deshalb literarische Perlen, die auf alle Sinne wirken.

Mit ihrem Buchladen im Kleinbasel hat sich Iris Müller einen Traum erfüllt. Und der passt bestens ins trendige Quartier.

(Bild: Nils Fisch)

Ein gutes Buch macht für Iris Müller nicht bloss sein Inhalt hinaus. In ihrem Kleinbasler Buchladen verlegt sie deshalb literarische Perlen, die auf alle Sinne wirken.

Am Anfang ihres Lebenstraums stand ein Schock: Erst musste für lange Zeit jeder Kleinbasler über den Rhein, wenn er ein Buch kaufen wollte. Und dann, als Iris Müller ihren Buchladen «Müller Palermo» an der Bärenfelserstrasse aufmachte, eröffnete zur selben Zeit gleich ums Eck ein zweiter Laden: der «Kosmos» an der Klybeckstrasse

Ein Kampf um Kundschaft sollte dennoch nicht aufkommen. «Schnell realisierten wir beide, dass sich unsere Nischenangebote perfekt ergänzen», sagt Müller. Die Nähe des «Kosmos» entpuppte sich für sie gar als glücklicher Zufall: «Die Kundschaft der vielen kleinen Modegeschäfte und Plattenläden hier im Quartier geniesst es ja auch, zwischen den ausgewählten Angeboten zu stöbern. Das regt an und weckt die Lust, Neues zu entdecken.»

Wie Mode aus Papier

Im Laden ist in ihren Augen Mode, Musik und Literatur sowieso fast dasselbe. «Auch meine Kunden sind vor allem an Neuheiten interessiert», sagt Müller. «Ein Buch, das lange liegt, kann man verramschen.»

Mit seinen luftig gefüllten Regalen im lichtdurchfluteten Raum passt «Müller Palermo» denn auch zu den trendigen Shops im Quartier. Viel mehr jedenfalls als zu nostalgisch verbrämten Erinnerungen an muffelige Schmökerstuben voller Staubfänger. «Ich präsentiere hier nur meine persönliche Auswahl an aktueller Belletristik und Literatur, dazu ein paar tolle Sachbücher und aufwendige oder einfach aussergewöhnlich schöne Neuauflagen.»

Stimmt das Papier, ist für Müller schon das Blättern ein Genuss.

Müller weiss zu jedem Buch viel zu erzählen, und zwar nicht nur über den geschriebenen Inhalt. Über die neue Ausgabe des Romans «69 Hotelzimmer» von Michael Glawogger etwa, die ein Berliner Kleinverlag herausgegeben hat. Dieser Satz, dieser Farbverlauf – da gerät die gelernte Typografin ins Schwärmen. Für sie ist es ein gelungenes Beispiel dafür, warum sich das digitale Buch nie endgültig durchsetzen wird: «Erst durch das Zusammenspiel von geistigem Inhalt mit optischen, haptischen und olfaktorischen Eindrücken wird das Buch so ein schönes Objekt.»

Stimmt das Papier, ist für Müller schon das Blättern ein Genuss. Für manche Menschen mag jedes Papier bloss ein Buchstabenträger sein. Für die studierte Papierkuratorin ist es Kunst. Einzigartig sei zum Beispiel, «was die Japaner in Handarbeit aus, für und mit Papier machen». Dort achte man das Material so sehr, dass die Verpackung für ein kleines Geschenk, so kunstvoll gefalzt und umhüllt, oft weit wertvoller sei als das Geschenk selbst: «Die Wertschätzung für den Beschenkten wird dort über die Verpackung kommuniziert», erzählt sie, «nicht über den Inhalt.»

Gespräche mit Geschenkejägern

Eine handverlesene Auswahl solch exquisiter Papierschöpfungen hat Müller von ihrem letzten Japanbesuch mitgebracht, und diese ergänzt seither das Buchangebot. Praktisch für jeden Geschenkejäger – laut Müller rund ein Drittel ihrer Kundschaft. Sie schätzt diese Kunden, nicht nur wegen der festen Kaufabsichten plus Zusatzoption: «Mit ihnen entwickeln sich immer tolle Gespräche, wenn sie das passende Buch suchen.»

Genau deswegen hat sie damals «Müller Palermo» eröffnet. «Hier will ich meine Leidenschaft für Bücher weitervermitteln», sagt sie. Ihr Geld verdient Müller von Montag bis Mittwoch als Bibliothekarin im Kunstmuseum. Dann wird umgeblättert. «Wenn ich donnerstags Richtung Laden ziehe, gehe ich nicht zur Arbeit. Es fühlt sich mehr an, als würde ich nun zu meinen Büchern gehen und dort tolle Leute treffen.»

So wird bei den Gesprächen auch mal ein Kaffee aus der Maschine gedrückt oder eine Flasche Nero d’Avola entkorkt, die sie im untersten Tablar der letzten Gestellecke lagert. Die Weinflaschen sind die einzigen offensichtlichen Reminiszenzen an das Palermo im Namen – aber nicht die unsympathischsten.

Kein Rädli in der Buchwelt sein

Ob so viel Gemütlichkeit macht es Müller bislang auch nichts aus, sämtliche Wochenenden in ihrer zweiten Stube zu verbringen. «Die Sonntage haben sich fast zu den besten Tagen entwickelt. Wahrscheinlich weil die Leute dann Zeit und Musse für Bücher und Gespräche haben.» Mit zunehmender Regelmässigkeit organisiert sie nun an den Wochenenden auch Lesungen oder andere literarische Anlässe in ihrem Laden.

Was ihr gerade etwas fehlt, seit sich bei ihr beruflich alles um Bücher dreht, ist Zeit. Zeit, um einfach mal wieder zur Entspannung ein Buch im Bett lesen zu können. Auch die zwei Töchter müssen ihre Mutter nun halt im Laden besuchen. «Als meine Töchter daheim ausgezogen sind, musste ich mich neu orientieren. Nach kurzer Krise wurde mir schnell klar, dass ich jetzt aktiv die Buchwelt antreiben will – und nicht wie bei meinen bisherigen Tätigkeiten nur als Rädli darin drehe.»

Es gibt Bücher, die haben Müllers Leben geprägt, manche haben es sogar verändert. Doch auch wenn es für sie beim Lesen «fast schon religiöse Momente» gebe, nämlich «wenn etwas ausgedeutscht ist, das schon lange in dir schlummert» – die Lösung für ihren jüngsten Lebenswandel hat sie nicht in einem Ratgeber gefunden. «So was lese ich nicht.»

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Buchladen «Müller Palermo», Bärenfelserstrasse 40, 4057 Basel

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