«Das neue Bein und ich sind nicht so schnell Freunde geworden»

Die Laufentalerin Denise Bloch trägt eine Beinprothese mit Mikrochip. Etwas, das in der Schweiz nur selten vorkommt.

Mit neun Jahren mussten die Ärzte das rechte Bein von Denise Bloch amputieren.

(Bild: Basile Bornando)

Die Laufentalerin Denise Bloch trägt eine Beinprothese mit Mikrochip. Etwas, das in der Schweiz nur selten vorkommt.

Als Denise Bloch im Sommer 1996 den Laufner-Lauf läuft, spürt sie einen Schmerz im Knie. Sie ahnt nicht, dass es vorerst ihr letzter Sportwettbewerb sein wird. Die damals Neunjährige rennt trotz Schmerzen bis ins Ziel und landet als Dritte auf dem Podest – unter den Mädchen sei sie die Erste gewesen, erzählt Bloch rückblickend. Ein Lächeln geht über ihr Gesicht, während sie darüber spricht. Bloch erzählt die Anekdote so, als zehre sie noch 20 Jahre später vom damaligen Erfolg.

Heute trägt Bloch eine Beinprothese mit Mikrochip. Ein Hightech-Gerät, das ihr Leben erleichtert – und ihr ein Stück Freiheit zurückgibt, das ihr als Neunjährige genommen wurde.

Die Geschichte von Denise Bloch beginnt in Dittingen, in einer «heilen Welt», wie die 29-Jährige sagt. Einfamilienhaus, eine Zwillingsschwester, ein Bruder, eine weitere Schwester – und ganz viel Sport. In etwa so sah ihre Kindheit aus.

Diagnose Knochenkrebs

Auf einmal änderte sich alles. Knapp vier Monate nach ihrem Erfolg in Laufen amputierten die Ärzte ihr das rechte Bein. Diagnose: Knochenkrebs. Es folgte eine Zeit, an die sich Bloch nur in Fragmenten erinnert. Chemotherapien, Operationen und Spitalaufenthalte. 

Es sei immer jemand aus der Familie bei ihr im Kinderspital gewesen, erinnert sich Bloch. Ihre Zwillingsschwester brachte die Hausaufgaben mit, so blieb die kleine Denise immer auf dem Stand ihrer Primarschulkollegen. Zu sehen, dass trotz Spital und Schmerzen fast alles möglich war, das sei für sie das Schönste gewesen, sagt Bloch zurückschauend. 

Als sie 14 wurde, war das Gröbste überstanden. Die Chemotherapien waren vorbei, Bloch war bis auf das fehlende Bein und eine schwache Lunge geheilt. Die Teenage-Denise bummelte mit ihren Freunden durch Laufentaler Kneipen, von Rockkonzert zu Rockkonzert. «Ich konnte alles machen, was die anderen auch machten.»



Die Hülle der Prothese muss angepasst werden, so dass beide Beine gleich aussehen.

Die Hülle der Prothese muss angepasst werden, sodass beide Beine gleich aussehen. (Bild: Basile Bornando)

Später besuchte Bloch die Diplommittelschule in Münchenstein und machte eine Ausbildung zur Kindergarten- und Primarlehrerin. Die Prothese kam ihr bei ihrem Werdegang nicht in die Quere. Sie sagt, in der Öffentlichkeit falle ihr Handicap kaum auf. Manche Leute gaffen auf ihr Bein, andere fragen: «Sie hatten einen Unfall, oder?» Das nerve hin und wieder. Aber im Grossen und Ganzen sei es ihr egal.

Bloch fällt erst recht nicht mehr auf, seit sie eine Prothese mit Mikrochip trägt. Das elektronische Kniegelenk geht mit, wenn sie ihren Oberschenkel bewegt, der Prozessor merkt, wenn sie Treppen steigt oder tanzt. Mit ihrem neuen Bein könne sie schöner laufen, erklärt Bloch. «Ich gehe in der Menge unter – das ist ein gutes Gefühl.»

IV in der Kritik

In der Schweiz tragen nur wenige Menschen eine Hightech-Prothese wie Bloch. Etwa 25 Personen verfügen über ein Rheo Knee von Össur, wie Simon-David König, Vertriebsleiter für die Schweiz, auf Anfrage mitteilt. Die Marke ist führend bei Prothesen mit Mikroprozessoren.

In Frankreich, Deutschland und Österreich sei der Anteil solcher Prothesen höher, schreibt König. Der Zugang zu neuen Technologien würde hierzulande erschwert, weil das IV-Gesetz vorsieht, dass Hilfsmittel «einfach, zweckmässig und wirtschaftlich» sein müssen. Der Verein Promembro, der die Prothesenträger vertritt, kritisiert IV und Suva dafür, dass sie hochentwickelte Prothesen zu selten bewilligen.

Bloch sagt, es sei ihr Orthopäde gewesen, der sie ermunterte, ein künstliches Bein mit Mikroprozessor zu testen. Sie habe sich zunächst dagegen gesträubt. Eine neue Prothese – das bedeutet auch ein anderes Gehen, das sie nach 20 Jahren mit einer Scharnierprothese neu lernen musste.

Zu Fuss auf die Hohe Winde

Nach einem Hin und Her mit der IV wurde das Rheo Knee schliesslich bewilligt – wohl auch, weil Bloch begründen konnte, dass es die Situation in ihrem Arbeitsalltag verbessere. Sie leiht sich das Modell, das rund 30’000 Franken kostet, seither von der IV. 

«Die ersten Schritte damit waren schwer.» Sie habe nicht mal den Weg zum Einkaufscenter geschafft, sagt Bloch. Nach den ersten 200 Metern hatte sie einen Krampf, musste sich auf eine Bank setzen und abwarten. «Das neue Bein und ich sind nicht so schnell Freunde geworden.»

Ein Jahr nach der Eingewöhnung läuft Bloch besser denn je. Gerade habe sie eine Wanderung auf die Hohe Winde gemacht. 12,6 Kilometer am Stück – «das ist neuer Rekord».



Im Alltag fällt das Bein von Denise Bloch nicht auf.

Im Alltag fällt das Bein von Denise Bloch nicht auf. (Bild: Basile Bornando)

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