Sie sang für Norwegen am Eurovision Song Contest, nun zieht es die Baslerin Joanna Deborah Bussinger definitiv in den Norden, um als Debrah Scarlett ihre Musikkarriere zu lancieren. Erst spielt sie aber noch in Basel.
Hell strahlte Debrah Scarlett im weissen Kleid auf der Wiener ESC-Bühne. Den achten Rang holte sie im Duett mit Partner Mørland, und ihre Ballade «A Monster Like Me» wurde von der ESC-Jury gar zur besten Komposition des Wettbewerbs gekürt.
Tempi passati. Die Scheinwerfer der ESC-Showbühne sind erloschen. Nun sucht die 21-Jährige am Rheinufer Schatten, um sicher vor der Sommersonne einen der letzten Tage in Basel gemütlich ausklingen zu lassen. «Die Kisten sind gepackt. Aber ich weiss nicht, ob ich das Sofa nun im Keller deponieren kann.» Zügelsorgen drücken – und die Hitze. Also nochmals eine Runde Getränke. Wieder am Tisch klagt sie: «Jetzt habe ich tatsächlich den Snus vergessen.»
Der Frust über den fehlenden Mundtabak ist schnell runtergespült, denn eigentlich hat die junge Frau viel Freudiges zu erzählen. So warten Nahe Oslos zwei Musiker auf sie, um an ihren Songs zu arbeiten. Für den Herbst ist ihre Debüt-Single geplant. «Ich hatte in Basel schon viele Aufnahmen gemacht, aber nichts veröffentlicht, da ich meine Ideen noch nicht richtig umsetzen konnte.»
Besser spekulierte die Mutter, als sie ihre Tochter für die norwegische Talentshow The Voice anmeldete. «Nach der Jazzschule rümpft man über solche TV-Shows eher die Nase. Ausserdem bin ich keine kompetitive Person und sehe andere Musiker auch nicht als Konkurrenten. Trotzdem sagte ich zu, weil mir die Show dort mehr entspricht als das Schweizer Pendant, da man alle Songs selbst auswählen und interpretieren kann.» Es reichte immerhin ins Halbfinale.
«Gewinnen wollte ich gar nicht. Dann hätte ich nun einen Knebelvertrag mit Universal und könnte mich nicht frei entwickeln.» So war es eine Erfahrung, die sie musikalisch offener machte und gleichzeitig das eigene Profil schärfte. «Wenn beim Singen dauernd eine Kamera vor deinem Gesicht ist und danach Leute hinter Mikrofonen ständig fragen, wer du bist, musst du dich intensiver mit deinem Selbstverständnis und Wirken als Künstlerin auseinandersetzen, als wenn du im intimen Jazzclub spielst.»
Ein letzter Auftritt in Basel und die Sehnsucht nach dem Rhein
Wie ihre Wirkung im grossen Rahmen ist, merkte Bussinger als sie nach dem ESC-Erfolg befragt nach ihrer Gemütslage freudetrunken «Fy Faen» in Mikrophone jauchzte – was frei übersetzt «verdammt geil» heisst. «Für die dauerfluchenden Norweger aus dem Norden wäre das fast schon galant, aus meinem Mund rief das bei 1,4 Millionen TV-Zuschauern gespaltene Reaktionen hervor.» Andere Medien fabulierten von einem Verhältnis mit ihrem verheirateten Duett-Partner Mørland. Der Schweizer Boulevard träumte dagegen schon von einem Duett des «Schweizer Rotschopfs» («Blick») mit dem Schwedischen ESC-Sieger Måns Zelmerlöw.
Ihre nächste Partnerin ist jedoch Annie Goodchild. Mit der Exil-New Yorkerin spielt Scarlett diesem Freitag im kleinen Rahmen im Kleinbasler Smuk. Danach zieht es Scarlett definitiv nach Norwegen. Denn The Voice brachte nicht nur die Anfrage für den Eurovision Song Contest mit sich. Sie fand darüber auch die passenden Musiker, um ihre eigenen Songs richtig umzusetzen. «Nun bin ich bereit für eine Veröffentlichung. Norwegen ist nicht nur wegen der international bestens vernetzten Musikszene der passende Startort. Meine Musik ist auch inspiriert von der Tiefsinnigkeit des Nordens.»
Wehmütig vermisst sie schon jetzt die Leichtigkeit am Rhein: «Hier entwickeln sich aus spontanen Treffen oft die schönsten Tage und Nächte.» Aber ganz muss sie ja nicht darauf verzichten. So stehen diesen Sommer noch ein paar Festivalkonzerte mit The Rumours an und irgendwann sollte auch die Basler Premiere der Kurzfilmes «Eva Zack» von Moritz Willenegger anstehen, bei dem sie ihr Schauspieldebüt gab.
Vielleicht bleibt sie dann spontan auch irgendwo hängen.
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Debrah Scarlett und Annie Goodchild live, 3. Juli 2015. 21 Uhr. Smuk, Feldbergstrasse 121.