Der Lampen-Doktor vom St. Johann

Der Radiomann Remo Vitelli sammelt und restauriert alte Lampen, Möbel und sonstige Antiquitäten. Kürzlich eröffnete er an der Hebelstrasse seinen Werkstattladen «Ampère».

Wenn Gegenstände ganze Geschichten erzählen: Nicht nur als Kulturjournalist, sondern auch als Restaurator und Sammler interessiert sich Remo Vitelli für die wertvollen Hinterlassenschaften vergangener Zeiten.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Beim Restaurator, Sammler und Kulturjournalisten Remo Vitelli spielen alte Lampen und Glaswaren eine grosse Rolle. Mit seinem neuen Geschäft «Ampère» im St. Johann möchte er einen Gegentrend zur Wegwerfmentalität setzen: Seltene Leuchten und sonstige Fundstücke bringt er in der Werkstatt auf Vordermann.

Eine Skelett-Lehrtafel, ein hölzerner Zugsitz der Rhätischen Bahn und Biedermeier-Spielfigürchen sind nicht die einzigen Gegenstände, die sofort ins Auge springen: farbige Büchsen, Wanderrucksäcke und vor allem Lampen und Gläser in allen erdenklichen Formen zieren den Laden.

Wer «Ampère» betritt, findet sich plötzlich in einem heimeligen Kabinett voll sonderbarer Trouvaillen wieder – und wird erst einmal von einem anhänglichen rothaarigen Stubentiger überrascht. «Das ist der Ladenkater Paul», sagt Remo Vitelli gleich nach der Begrüssung. Sein verspielter Mitbewohner tappt zwischen den Gläsern hindurch, ohne dass je etwas in Brüche gegangen ist. «Manchmal reisst er aber die Preissschilder ab», sagt Vitelli schmunzelnd.

Den ungewöhnlichen Laden gibt es noch nicht lange: Erst im Dezember eröffnete Remo Vitelli das «Ampère» an der Hebelstrasse. Dort ist zugleich die Werkstatt untergebracht, in der alte Lampen und Möbel restauriert werden. Ob Schrauben oder Halterungen alter Modelle – in den vielen Schubladen des Ateliers findet sich schon irgendwo ein Ersatzteil.



Eine alte Posamenterlampe gehört zu den Fundstücken, die Remo Vitelli aufspüren konnte.

Eine alte Posamenterlampe gehört zu den Fundstücken, die Remo Vitelli aufspüren konnte. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Auf der Baustelle gross geworden

Sammeln und Restaurieren sind nicht die einzigen Beschäftigung von Vitelli: Der 40-Jährige arbeitet als Kulturjournalist bei Radio SRF 2 Kultur. Dort gestaltet er als Produzent, Planer und Reporter das Radioprogramm am Morgen und frühen Abend mit. Die Arbeit im Studio und im Laden, die ihm beide am Herzen liegen, ergänzen sich seiner Meinung nach gut: «Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, dass ich auch etwas mit den Pfoten herstellen muss», sagt er. «Ich habe aber nicht die Illusion, davon leben zu können.»

Der gelernte Buchhändler hat sich das handwerkliche Können und das Fachwissen über sein Sammelgut autodidaktisch angeeignet. Angefangen hat alles mit den Lampen, und dadurch ist er zu allem, was glasig ist, gestossen. Ein Faible für das Werken hatte er schon immer: In Zuchwil bei Solothurn, wo er aufgewachsen ist, hatte sein Vater ein Baugeschäft. «Somit bin ich auf der Baustelle gross geworden», sagt Vitelli.

Ein Sammler war er schon als Bub – zunächst waren es Steine und Muscheln, später machte er an den Flohmärkten mit. Zudem hatten bereits seine Eltern ein Flair für altes Inventar. Möbel als Wegwerfprodukte – mit dieser Haltung kann er sich daher überhaupt nicht anfreunden. Mit dem Aufstöbern und Reparieren von alten Sachen möchte er Gegensteuer zu den Billiganbietern geben.

«Es gibt noch andere solche Spinner wie mich»

Gleichzeitig sieht sich der Journalist auch bei seinem zweiten beruflichen Standbein als eine Art Geschichtenerzähler: Stets recherchiert er in Bibliotheken, Archiven und Museen über den Ursprung neuer Fundstücke. Daher ist ihm auch wichtig, dass den Sachen das Alter anzusehen ist.

Patina, Kratzer und Beulen sieht er nicht als Defizit, sondern als Vorteil an: «Das erzählt schliesslich eine Geschichte und soll deswegen nicht einfach übertüncht werden», meint er. Einzig die Kabel und Stecker der Lampen müssten jeweils an die heutigen Sicherheitsstandards angepasst werden.



Der anhängliche Ladenkater Paul gehört ebenfalls zum Ampère-Inventar.

Der anhängliche Ladenkater Paul gehört ebenfalls zum Ampère-Inventar. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Fündig wird der Sammler auf Flohmärkten, Antiquitätenmessen und bei Hausräumungen. Vor allem aber kommt er durch gute Kontakte zu interessanten Sachen. «Es gibt noch andere solche Spinner wie mich», sagt Vitelli lachend. Dabei macht er keine Hamsterkäufe, sondern sucht gezielt: «Ich biete nur Sachen an, die ich auch selbst aufstellen würde», sagt er.

Es sind vor allem Dinge, die nicht für die Vitrine bestimmt sind, sondern einen Gebrauchswert haben. So hat er etwa ein Dutzend mundgeblasene Chiantiflaschen aus den Zwanzigerjahren gefunden. Ohne Korbgeflecht würden sie umfallen. Daher liess er in der Drechslerei Holzrinnen anfertigen, und nun können die bauchigen Gefässe als schmucke Wasserkaraffen auf dem Esstisch stehen. Die Zusammenarbeit mit Handwerkern aus Basel ist ihm generell wichtig, um neue Sachen zu kreieren. So zauberte er etwa mithilfe eines Messerschmiedes aus der Seilrolle eines alten Lifts einen Tischsockel.

Vergessene Lampenmodelle – auch aus dem Santihans

Der Schwerpunkt liegt aber bei Leuchten verschiedener Art. Verstellbare Schuhmacherlampen hängen von der Decke, Posamenterlampen aus den Zwanzigerjahren, die einst zum Beleuchten von Webstühlen verwendet wurden, stehen am Boden. Daneben gibt es Arbeitsleuchten, die aus dem St. Johann selber stammen: An der Lothringerstrasse gab es einst eine Lampenfabrik Gysin.



Wo das Quartier «Am Ring» auf das St. Johann trifft, hat Vitelli den geeigneten Ort für den etwas anderen Lampenladen «Ampère» gefunden.

Wo das Quartier «Am Ring» auf das St. Johann trifft, hat Vitelli den geeigneten Ort für den etwas anderen Lampenladen «Ampère» gefunden. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Lange war Vitelli auf der Suche nach dem idealen Ort für seinen Laden. Für ihn war klar, dass es ein Wohnatelier für ihn und seine zwei Katzen sein muss. Werken, Wohnen und Verkauf mussten für ihn unter einem Dach sein. An der Hebelstrasse – wo das Quartier «Am Ring» auf das Santihans trifft – hat er das geeignete Haus gefunden, das auch zum Sammelgut passt.

Dabei sieht er «Ampère» weder als Antiquitätengeschäft noch als Brockenstube. Obschon kein Luxusgeschäft, sind die Occasionwaren auch nicht billig – schliesslich arbeitet der Restaurator etwa vier bis fünf Stunden, um eine Lampe auf Vordermann zu bringen. «Das St. Johann wäre ein schwieriges Pflaster für Geschäfte, die unter grossem Konkurrenzdruck stehen», sagt Vitelli. Die Arbeit beim Radio macht es möglich, seine handwerkliche Leidenschaft etwas lockerer anzupacken.

Bald schon soll es im «Ampère» nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch für die Ohren geben: Zwischen den antiken Möbeln, Gläsern und Lampen sollen bald auch einmal Lesungen und kleinere Konzerte stattfinden.

_
«Ampère» befindet sich an der Hebelstrasse 102. Weitere Informationen unter http://amperebasel.ch oder auf der Facebook-Seite des Ladens

Nächster Artikel