«Der Zuschauer soll sich rundum wohl fühlen»

Seit 30 Jahren tourt der Zirkus Monti durch die Schweiz. Direktor Johannes Muntwyler ist von Anfang an dabei. Am Mittwoch feiert der Zirkus in Basel Premiere.

Seit Anfang an dabei: Der Direktor Johannes Muntwyler hat den Zirkus vor dreissig Jahren mitbegründet. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Seit 30 Jahren tourt der Zirkus Monti durch die Schweiz. Direktor Johannes Muntwyler ist von Anfang an dabei. Am Mittwoch feiert der Zirkus in Basel Premiere.

Der Aufbau des Zirkus Monti ist noch in vollem Gange, als wir die Rosentalanlage betreten, um uns mit Zirkusleiter Johannes Muntwyler zu treffen. Wir warten, beobachten Männer und Frauen beim Herumtragen von Gegenständen, beim Ineinanderstecken der langen Zeltstangen. Alles schon unzählige Male gemacht, so geübt sieht der Ablauf aus. Eine halbe Stunde später als vereinbart nehmen wir schliesslich im Sitzungswohnwagen Platz. Uns sitzt ein braungebrannter, kräftiger Mann gegenüber, der trotz hoher Arbeitsbelastung und Tourneestress eine gewisse Ruhe ausstrahlt.

Johannes Muntwyler tourt schon seit der Gründung des Zirkus Monti Jahr für Jahr durch die Schweiz. Langweilig wird ihm dabei nie: «Dieser Job ist enorm vielfältig. Manchmal wünschte ich mir direkt, es wäre ein bisschen langweiliger.» Fast jeden Tag passiere etwas Unvorhersehbares, etwa mieses Wetter am Morgen, das den ganzen Aufbau verzögere. Aber auch positive Überraschungen, wie ein spontaner Besuch ehemaliger Artisten, können den Zeitplan durcheinanderbringen. Als einseitig kann Muntwyler seinen Job auf jeden Fall nicht bezeichnen: Je nach Bedarf ist er Handwerker, Chauffeur, Unternehmer, Jongleur, Artist, Familienvater oder er arbeitet im Büro. Vor allem aber sei er «ein grosser Zirkusliebhaber».

Muntwyler brachte sich das Jonglieren selber bei

Er hat vor dreissig Jahren den Zirkus Monti mitbegründet. Als Sohn eines Lehrerpaares wurde er nicht in eine Artistenfamilie hineingeboren, «mein Vater war aber extrem zirkusbegeistert», fügt er an. Diese Begeisterung war so gross, dass die Familie beschloss, mit dem Zirkus Olympia auf Tournee zu gehen. «Ich war damals ein Teenager, und vom Zirkusleben gepackt. Von da an wusste ich, dass ich Jongleur werden wollte.» Als Autodidakt erlernte er in den folgenden Jahren das Jonglieren, seine Eltern hätten ihn dabei immer unterstützt. Im Jahre 1985 gründete die Familie den Zirkus Monti.




(Bild: Alexander Preobrajenski)

Vor knapp zehn Jahren übernahm schliesslich Johannes Muntwyler die Zirkusleitung von seiner Mutter, die das Amt nach dem Tod des Vaters innehatte. Nebst seinen vielen administrativen Aufgaben hat Muntwyler immer noch einen festen Platz als Jongleur in der Manege. Auch seine drei Söhne sind dieses Jahr auf der Tournee mit dabei. Wie er selbst sind auch sie Allrounder. «Sie treten auch alle im Programm auf»», sagt er stolz.

Seine Söhne sollen sich auch ausserhalb des Zirkus Monti behaupten

Muntwyler wollte nicht, dass sich seine Söhne ausschliesslich über den Zirkus Monti definieren. «Es ist mir wichtig, dass sie eine Lehre machen, und sich nicht nur autodidaktisch weiterbilden wie ich.» Natürlich wünsche er sich, den Zirkus irgendwann an seine Kinder weiterreichen zu können, doch wenn sie ihn übernehmen, soll es «aus freien Stücken sein, und nicht, weil sie nichts anderes gelernt haben». Zudem ist es ihm wichtig, dass seine Kinder sich auch in einem Umfeld zu behaupten lernen, wo es nur auf ihre Leistung ankommt: «Hier im Zirkus zählt ihre Leistung natürlich auch, aber ihr Name spielt immer mit eine Rolle.»

Muntwyler ist 50 Jahre alt, «ein gutes Alter für eine Veränderung», sagt er. Und verändern wird sich für ihn und den Zirkus im kommenden Jahr so manches: Ab 2015 wird die Tournee nur noch von August bis November dauern. «Dieses Jahr sind wir vorerst zum letzten Mal ganze acht Monate auf Tournee», sagt Muntwyler fast etwas wehmütig. Er erhofft sich davon vor allem eines: «Unser Verhältnis von Arbeit und Leben soll endlich etwas ausgewogener werden.» Er liebe das Zirkusleben zwar nach wie vor, aber gerade deshalb musste er diese Entscheidung treffen: «Ich denke zwar noch nicht gerade an meinen Rücktritt, aber ich will den Zirkus allmählich in die Form bringen, in der er mir gefällt, und in der ich ihn mit gutem Gewissen aus den Händen geben könnte – egal ob an meine Söhne oder an sonst jemanden.»

Die kleinen Ortschaften liegen ihm am Herzen

Die Entscheidung, künftig nur noch für mindestens eine Woche in grösseren Ortschaften aufzutreten ist ihm nicht leichtgefallen, zumal viele Leute enttäuscht und traurig gewesen seien über die Nachricht. «In Hasle-Rüegsau haben Kinder als Reaktion sogar eine Unterschriftensammlung gestartet mit der Forderung, dass der Zirkus Monti nächstes Jahr wieder kommen muss.» Doch obwohl ihm die kleinen Dörfer am Herzen liegen, liess er sich nicht umstimmen: «Es war keine Entscheidung gegen die kleinen Ortschaften, sondern für den Zirkus!»

Denn das ständige Auf- und Abbauen stehe in den Dörfern in keinem Verhältnis zu den wenigen Darbietungen. «Über die Jahre hinweg ist mir immer klarer geworden, dass das ganze Drumherum für einen Zirkus notwendig ist. Aber letzlich ist das Allerwichtigste die Vorstellung selbst, dass es gelingt, den Zuschauer zu überraschen und zu unterhalten und dass er sich rundum wohl fühlt.» Diese Hingabe könne er nur noch garantieren, wenn er die Intensität der Tournee ein bisschen zurückschraube.




(Bild: Alexander Preobrajenski)

Das Nomadenleben ist für Muntwyler Normalität

Für die ganze Familie bedeutet das kommende Jahr eine grosse Umstellung. Muntwyler sagt: «Ich habe diese Entscheidung auch nicht alleine getroffen, meine Partnerin und ich freuen uns sehr auf die gemeinsame Zeit, die wir plötzlich haben werden.» Dass die Umstellung nicht nur einfach werden wird, ist ihm bewusst. Er habe sich an sein achtmonatiges Nomadenleben gewöhnt und könne sich kaum mehr daran erinnern, wie es ist, tatsächlich über längere Zeit sesshaft zu sein.

Trotzdem mache er sich keine Sorgen, dass ihm das sesshafte Leben Schwierigkeiten oder gar Langeweile bereiten könne. Viel Neues ist nämlich auch da im Anmarsch: Im Januar übernimmt die Familie die Zirkus und Zeltvermietung Alfredo Nock AG. Zum einen sei dies ein wirtschaftlicher Entscheid gewesen: «Wenn wir die Tournee verkürzen, sind wir froh um ein weiteres finanzielles Standbein», sagt Muntwyler. Die Zeltvermietung sei aber auch eine neue Herausforderung, auf die er sich freue.

Basel ist ein Stück Heimat

Muntwyler fällt auch ausserhalb der Arbeit so einiges ein, das er in seinen acht sesshaften Monaten machen könnte: «Ich würde gerne mehr in die Berge reisen, mal einfach zuhause sein oder Freunde besuchen. Halt all das tun, was andere Leute auch machen! Und sollte es mir dann doch einmal langweilig werden», fügt er an, «dann würde ich das glaub auch vertragen!»

Doch nun freut er sich erst einmal auf eine erfolgreiche zweite Halbzeit seiner voraussichtlich letzten achtmonatigen Tournee, und natürlich auf einen guten Aufenthalt in Basel. Am Mittwochabend ist die erste Vorführung, insgesamt bleibt der Zirkus für zwei Wochen in der Stadt. «So eine Tournee ist auch immer ein bisschen wie nach Hause kommen», sagt er. «Wir fühlen uns überall ein Stück weit zuhause, wo wir über all die Jahre vorbeikamen, auch in Basel».

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Der Zirkus Monti ist vom 13. bis zum 24. August in Basel auf der Rosenthalanlage zu finden.

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