Der indonesische Streetartist Eddie Hara eckte mit seiner Kunst stets an, egal ob in seiner Familie, an der Kunstschule in Yogyakarta oder in der Basler Kunstszene. Anschluss fand er erst bei den Punks im «Hirschi».
Zwischen Kunstmessen in Singapur und Manila macht Eddie Hara halt in seinem Heimatland. Im Herzen Jakartas wartet er im bunten Band-Shirt in der Lobby des Artotels. Der luftige Empfangsraum könnte auch eine Solo-Ausstellung des in Basel lebenden Künstlers sein. Seine bunten Kreaturen sind omnipräsent. Sogar an der durchgehenden Glasfront kleben sie, damit die Hotelgäste nicht vor lauter Staunen ins polierte Glas laufen.
Was allerdings wenig hilft, folgt man ganz Hans-guck-in-die-Luft der imposanten 20 Meter langen Deckenmalerei. Drei Wochen brauchte Hara mit Assistenten dafür. «Das ging ganz schön ins Genick und der Schweiss floss in Strömen in die Baustelle darunter», erinnert er sich.
Seit etwas über einem Jahr laufen die Klimaanlage und das ganze Hotel auf Hochtouren. «Die Leute schätzen wohl die aufgeschlossene, internationale Atmosphäre. Das Haus steht für ein modernes Jakarta», so Hara. Er könnte mit seinen 57 Jahren der Vater der anderen fünf Künstler sein, die das Hotel gestalten konnten. Aus Respekt überliessen sie dem Street-Art-Silberrücken die 22 Zimmer des obersten Stockes.
Eddie Hara in Aktion
Dass der Szene-Pionier wieder in der Stadt ist, hat sich herumgesprochen. Schablonen-Sprayer Selo hat sich mit dem Scooter quer durch das chronisch verstopfte Verkehrschaos gekämpft, um Hara vom Stadtzentrum in den Süden des 30-Millionen-Molochs zu lotsen, zu einem Besuch im «Gardu House», dem Zentrum der autonomen Street-Art-Szene. Hara freut sich enorm darauf: «Nach der Kunstmesse ist es sehr entspannend und inspirierend, in dieses Umfeld einzutauchen.»
Rebell von herzlich sanfter Art
Er mag die Punk-Einstellung der Leute dort. Das Rebellische pocht auch in seinen Adern, trotz seiner herzlich sanften Art. So führte sein Entschluss, das Studium zum Hochschullehrer abzubrechen und dafür in Yogyakarta an die Kunstschule zu gehen, zum zeitweiligen Bruch mit seinem Vater, einem Militäroffizier. Die Mutter unterstützte ihn heimlich weiter. Doch selbst auf der Kunstakademie stiess er bald auf Unverständnis: «Die Ausbildung war sehr klassisch und die Lehrer verstanden nicht, weshalb ich lieber mit Pink als Braun malen wollte.»
Hara liess sich nicht beirren und sammelte im Ausland weiter Inspiration. Erst studierte er ein Jahr in Holland, später führte sein Weg nach Los Angeles, wo in den 80ern der kreischend bunte Metal blühte. Musik, zu der Hara seine damals langen Haare schüttelte: «Ich habe einige Bands live gesehen. Am besten waren Skid Row und später Guns N‘ Roses.»
«Musik und Kunst gehören zusammen. Basquiat und Keith Haring hätten ihre Kunst nie ohne Musik machen können.»
Die Liebe zu L. A. hat nicht gehalten, die zu schrillen Shirts und Musik aber schon: «Musik und Kunst gehören zusammen. Schau die New Yorker Szene um Warhol und Velvet Underground an. Basquiat, ja sogar Keith Haring hätten ihre Kunst nie ohne Musik machen können. In Jakarta oder in Basel gibt es auch eine solch enge Vernetzung dieser Subkulturen.»
Er selbst pflegt am Rhein denn auch mehr Freundschaften mit Musikern als mit Malern. «Das liegt wohl daran, dass Street Art hier vor 17 Jahren in Kunstkreisen nicht wirklich ernst genommen wurde.» Eingeladen wurde er 1996 vom damaligen Kurator des Museums für Kulturen und Indonesien-Fachmann, Dr. Urs Ramseyer. Er besorgte Hara für ein halbes Jahr ein Atelier der CMS. Anfangs kämpfte Hara hier weniger mit den Temperaturen als mit dem unterkühlten Sozialklima. «In der Punkszene rund um das ‹Hirschi› fand ich dann am einfachsten Anschluss. Da gibt es keine sozialen Barrieren.» Später fand er mit Catherine in Basel auch seine Frau.
«Westliche Werte sind nicht das einzig Wahre»
Heute haben sie zwei Kinder, und Hara fühlt sich in Basel sehr wohl. Symbolisch dafür, wenn auch rein zufällig, kleben auf seinem Brillengestell Acrylfarbspritzer in Rot-Blau. «Der Wechsel in eine andere Gesellschaft hat mir geholfen, meine Arbeit zu schärfen. Themen wie Sex, Geschlecht und Religion waren bei uns damals tabu. Den offenen Umgang damit finde ich grossartig, zum Teil aber auch respektlos. Westliche Werte sind nicht das einzig Wahre.»
So sehr er für ein modernes Indonesien einsteht, so sehr kämpfte er gegen die globale Vereinheitlichung der Kultur. Nicht dass er deswegen folkloristische Elemente in seine Werke einbaut. Lieber beschriftet er die Totenschädel von Mickey Mouse, Hello Kitty oder Batman ironisch mit dem Slogan «Kill Popculture». Sein invalider Oktopus steht dagegen für die menschgemachte Verstümmelung der Natur.
Damit trifft Hara den Nerv der Kunstwelt, und zwar global. «Die Art Hong Kong ist für mich noch immer wichtiger als die in Basel, aber über die vielen Galerien in Asien werde ich nun auch in der Schweiz besser wahrgenommen.» Dieser Erfolg bringt es mit sich, dass Hara bis zu fünf Mal pro Jahr nach Asien fliegt, um Präsenz zu markieren: «Die Kunstszene entwickelt und verändert sich in Asien so schnell, da kann man schnell vergessen gehen.»
Zwischendurch kann Hara so immerhin seine indonesische Familie besuchen. «Die sind durchaus stolz auf das schwarze Schaf, finden aber, ein Mann in meinem Alter sollte endlich nach Mekka pilgern. Sie werden wohl nie verstehen, dass mein Mekka in New York liegt und MoMA heisst.»