Die mächtigste Frau von Rumänien

Laura Codruța Kövesi leitet die Sonderabteilung zur Bekämpfung der Korruption. Doch in einem Land, in dem jeder jeden schmiert, ist jede Anklage gegen einen korrupten Politiker ein Steilpass für seinen ebenfalls korrupten Widersacher.

Beeindruckende Bilanz: Letztes Jahr klagte Staatsanwältin Kövesi den Ministerpräsidenten, fünf Minister und über 20 Abgeordnete an.

(Bild: George Popescu)

Laura Codruța Kövesi leitet die Sonderabteilung zur Bekämpfung der Korruption. Doch in einem Land, in dem jeder jeden schmiert, ist jede Anklage gegen einen korrupten Politiker ein Steilpass für seinen ebenfalls korrupten Widersacher.

Von aussen wirkt der massive Altbau martialisch, wie ein gewaltiger Stilbruch an der Kreuzung zweier Gassen in der bunten Altstadt. Vor dem Zweiten Weltkrieg tagte hier der Generalstab der Armee und die langen, Flure mit hohen Decken erinnern an eine Kaserne. Doch Hausherrin Laura Codruța Kövesi versichert, im Keller gebe es keine Kerker. Und überhaupt sei man hier um Transparenz bemüht. 

Die Schüler, die an diesem Nachmittag die Büros besuchen, haben allerdings Zeichnungen mitgebracht, die einem Angst machen. Vogelscheuchen etwa, die mit verbundenen Augen die Waage der Justiz in der Hand halten. Oder Bilder, die den Heiligen Georg bei seinem Kampf gegen den mehrköpfigen Drachen zeigen. «Das passt doch gut», sagt die 43-jährige Staatsanwältin. «Schliesslich sind wir hier, um mit dem Verbrechen aufzuräumen.» Dabei wirkt sie sachlich und schlicht, genau wie die endlosen weissen Wände, an denen die Kinderzeichnungen jetzt aufgehängt werden.

Kövesi leitet seit einigen Jahren die DNA, jene Sonderabteilung zur Bekämpfung der Korruption, die kurz vor dem EU-Beitritt Rumäniens auf Druck Brüssels ins Leben gerufen wurde, um dem Filz und der Straflosigkeit in den obersten Etagen der Macht ein Ende zu setzen. Mittlerweile gilt die entschlossene Staatsanwältin selbst als die mächtigste Frau im Lande, so viel ist unumstritten. 

Wenn alle korrupt sind, muss Staatsanwältin Kövesi «zwangsläufig priorisieren».

Zu den Akteuren, die von der gross angelegten Aufräumaktion der DNA  profitieren, zählen zumindest kurzfristig jene exportorientierten und meistens multinationalen Unternehmen, die in Rumänien aktiv, aber weniger in die Kreisläufe der Schmiergelder verwickelt sind. Darüber hinaus gehört zu dieser Kategorie auch die überwiegend junge, urbane Mittelschicht, die oft für diese Konzerne arbeitet und die «rumänischen Verhältnisse» als massives Hindernis für die Entwicklung des Landes betrachtet.

«Unsere Aufgabe ist die Bekämpfung der grossen Korruption», sagt Kövesi in ihrem unaufgeregten Ton, der zu den stürmischen medialen Auftritten rumänischer Politiker in starkem Kontrast steht. «Bei der Prävention und den begleitenden Reformen können wir nur in geringerem Mass mitwirken.» Übersetzt heisst das, dass die Staatsanwaltschaft für die sozialen und politischen Folgen ihrer Aktionen keinerlei Verantwortung übernehmen kann. Nicht umsonst ist Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, immer mit gebundenen Augen dargestellt.

Viele Bukarester Medien sehen darin kein Problem. Im Gegenteil: Das Aufräumen wird oft als längst fällig präsentiert, als eine Chance für eine grundlegende Reform der politischen Klasse und der Bürokratie, ja für eine moralische Reform der ganzen Gesellschaft, die ihre europäische Integration vertiefen müsse, um dem Westen nicht nur formell, sondern auch kulturell und in der Realität des Alltags anzugehören.

Die Vorführungen der Verhafteten in Handschellen sind zu einem täglichen Spektakel geworden.

Die Kritiker der DNA befürchten jedoch, dass hinter der Inszenierung der Neutralität eine politische Agenda steckt, die sich unter dem noblen Mantel der Justiz der demokratischen Debatte entzieht. Denn einerseits muss man, wenn alle korrupt sind, «zwangsläufig priorisieren», wie Kövesi selber zugibt. Und so bleibt Transparenzversprechen zum Trotz immer ein Restzweifel bestehen, wenn ein sozialdemokratischer Premierminister angeklagt und verurteilt wird, während sein mindestens genauso korrupter wirtschaftsliberaler Erzrivale noch auf freiem Fuss ist. Andererseits gelten auch manche Methoden der Staatsanwaltschaft als umstritten:

Oft wird gegen hochrangige Politiker monatelangen Untersuchungshaft angeordnet, die medienwirksamen Festnahmen durch Spezialeinheiten in voller Montur und die Vorführungen der Verhafteten in Handschellen sind zu einem täglichen Spektakel geworden, während die Akten weitgehend auf dem Abhören zahlreicher Telefongespräche zwischen den wichtigsten Entscheidern im Land basieren.

All dies sei nötig, glaubt Kövesi: «Wie könnten wir denn ohne Untersuchungshaft verhindern, dass die Verdächtigen ihren politischen Einfluss ausnutzen, um Zeugen zum Schweigen zu bringen oder um Beweise zu vernichten?» Ausserdem könne die DNA ihrer Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn die Gesellschaft mitmache, was wiederum Vertrauen und eine geschickte Kommunikationsstrategie voraussetze. Ist dies nicht eine Art Politik mit anderen Mitteln? «Dies ist unsere Mission.»

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