Er ist handwerklicher Perfektionist und lustvoller Spieler zugleich: In seinen szenischen Installationen lässt der Bühnenbildner und Regisseur Dominic Huber die Zuschauer in faszinierende neue Realitäten eintauchen.
«Ich hoffe, eine Dreiviertelstunde reicht für das Gespräch», sagt Dominic Huber. Der Schweizer Bühnenbildner und Theatermacher hat alle Hände voll zu tun. Zusammen mit rund einem halben Dutzend Bühnentechnikerinnen und -techniker baut er in der Reithalle der Kaserne Basel ein verzwicktes und mit vielen technischen Finessen gespicktes Raumlabyrinth auf. Oder ein «theatrales Spiegelkabinett», wie es im Selbstbeschrieb der Produktion «Forever Yours» heisst, die bis Samstag, 28. Mai, in der Kaserne zur Entdeckungsreise an die Ränder der eigenen Identität einlädt.
Die Dreiviertelstunde reicht natürlich nicht. Wenn Huber erst einmal in Fahrt gerät, ist er nur schwer zu stoppen. Er spricht gerne über seine Arbeit, die sich an den Rändern zwischen szenischen Installationen und narrativen Theaterprojekten bewegt. Und die er auch nicht explizit als seine Arbeit verstanden wissen möchte, sondern als Produkt einer Gruppe. Im aktuellen Fall handelt es sich um ein Quartett, das sich Savoy nennt. Im künstlerischen Leitungsteam mit dabei sind Hubers Lebenspartnerin Lara Körte als Schauspielerin, der Basler Musiker und Sounddesigner Knut Jensen und die Dramaturgin Juliane Männel.
Begeisterter Welten-Entwickler
Doch der Kopf des Ganzen ist und bleibt Dominic Huber. Er führt den Schreibenden und den Fotografen sogleich hinein in das Raumlabyrinth, das am Entstehen ist. Durch verwinkelte, enge Gänge, in und an denen noch fleissig gebaut wird, und vorbei an kleinen Räumen, die so realistisch wirken, dass man erst beim Klopfen an die Wände wirklich akzeptiert, dass es nur Nachbauten sind. «Es ist natürlich alles Fake, aber die Umgebung verführt dazu, sie als Realität zu sehen», sagt er.
Das Entwerfen realistischer Räume hat Huber, der 1972 in der zürcherischen Provinz auf die Welt kam und heute zusammen mit seiner Lebenspartnerin und dem gemeinsamen siebenjährigen Sohn in Zürich lebt, von der Pike auf gelernt. Bevor er als Bühnenbildner und später auch als Regisseur zum Theater kam, studierte er an der ETH Architektur. «Dies war aber eher eine Ersatzlösung für mich, weil es in Zürich damals keine Ausbildungsmöglichkeit zum Bühnenbildner oder Filmszenografen gab.»
«Im Gegensatz zur Architektur bietet das Theater die Riesenfreiheit, dass die Räume nicht schön sein müssen», sagt Huber. Und dass er die grosse Lust ausleben kann, ganze Welten nachzubauen. Dies wurde ihm offensichtlich bereits in die Wiege gelegt. «Ich habe mein Kinderzimmer zu afrikanischen Landschaften umgebaut, zum grossen Entsetzen meiner Eltern unter anderem mit Sand aus dem Sandkasten», erzählt Huber. Auch Geisterbahnen habe er zusammengestellt, die offenbar so gruselig waren, dass er abends kaum habe einschlafen können.
«Ich hatte bislang Glück, stets mit Regisseuren zusammenarbeiten zu können, von denen ich lernen konnte.»
Bei der Arbeit am Theater fasziniert Huber auch das narrative Element. So kommen in den szenischen Installationen, die er selber inszeniert, stets auch Schauspieler vor, die zusammen mit Videoeinspielungen die Zuschauer durch eine Geschichte führen. Seien es nun freie Variationen zu einem Roman von J.M. Coetzee, wie bei der «begehbaren Installation» mit dem Titel «Warten auf die Barbaren», mit der er vor drei Jahren sein Publikum herausforderte. Oder aktuell nun mit der multimedialen Rauminstallation, die sich an Dostojewskis klaustrophobische Erzählung «Der Doppelgänger» anlehnt.
Pendler zwischen Stadttheater und freier Szene
Huber ist aber immer wieder auch nur als Ausstatter oder Bühnenbildner tätig. Seit zehn Jahren arbeitet er zum Beispiel mit Stefan Kägi beziehungsweise dem Berliner Dokumentartheater-Kollektiv Rimini Protokoll zusammen, das in Sachen Reality Performance Pionierarbeit geleistet hat und noch immer leistet. Für das ebenso eindrückliche wie beklemmende Projekt «Situation Rooms» hatte Huber einen beinahe schon monumentalen Stationenweg durch die grauenvolle Welt des Waffenhandels entworfen.
Daneben darf es ab und zu auch eine ganz normale Guckkastenbühne sein. Aktuell an den renommierten Münchner Kammerspielen, wo er die Bühne für ein Projekt des japanischen Theatermachers Toshiki Okada entwarf. Dabei möchte er das Stadttheater nicht gegen die freie Szene ausspielen. «Ich hatte bislang Glück, stets mit Regisseuren zusammenarbeiten zu können, die mich stark einbezogen und von denen ich lernen konnte», sagt er.
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Dominic Huber/Savoy: «Forever Yours». Performativer Parcours nach der Erzählung «Der Doppelgänger» von Fjodor Dostojewski; Kaserne Basel, Reithalle, am 26., 27. und 28. Mai, jeweils ab 18 Uhr.