Ein Basler, der wissen will, was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält

Der Basler Marcel Schwald ist ein Theatermacher, der die Auseinandersetzung mit Menschen liebt. Die Bühne macht er zum Experimentierfeld für seine hintersinnig-collagenhaften Projekte – ab heute zu sehen in der Kaserne Basel.

Bringt die Menscheitsgeschichte im Zeitraffer auf die Bühne: Der Basler Theatermacher und Diskussionsperformer Marcel Schwald (Bild: Peter Schnetz )

Der Basler Marcel Schwald ist ein Theatermacher, der die Auseinandersetzung mit Menschen liebt. Die Bühne macht er zum Experimentierfeld für seine hintersinnig-collagenhaften Projekte – ab heute zu sehen in der Kaserne Basel.

Dass sich Marcel Schwald mitten im Endprobenstress für seine neuste Produktion «Together» Zeit für ein Gespräch nimmt, hat auch etwas mit Eigennutz zu tun: «Wir sind auf Vorstellungseinnahmen angewiesen, und klar würden wir uns – auch abgesehen vom Finanziellen – freuen, wenn wir vor vollen Zuschauerreihen spielen könnten», sagt er. 

Am Mittwoch, 28. Januar, ist Premiere in der Reithalle der Kaserne Basel, wo «Together» bis am 1. Februar zu sehen sein wird. Weitere Vorstellungen werden folgen, in der Roten Fabrik in Zürich, im Kleintheater Luzern und Tojo Theater in der Berner Reithalle. Es ist Schwalds bislang aufwendigste Produktion, das heisst mit sechs Schauspielerinnen und Schauspielern die personalintensivste.

Kuratierte Gesprächsrunden

Marcel Schwald ist aber auch ein Mensch, der bei Weitem nicht nur das Gespräch sucht, wenn es um Eigenwerbung geht. Im Gegenteil. Es ist vielmehr so, dass er den Diskurs mit anderen Menschen liebt. Im Mediendossier zu «Together» wird der 38-Jährige als «Regisseur, Performer, Dramaturg und Autor mit einem besonderen Interesse für Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Kommunikation» beschrieben.

Das sagt ziemlich viel aus über die Arbeitsweise und die Resultate seiner Theaterarbeiten. 2008 hatte Schwald in der Kaserne mit seinen Host Clubs ein neues (beziehungsweise in Japan aufgeschnapptes und modifiziertes) Format eingeführt, das seinen Weg unter anderem ans Konzert Theater Bern, ans Schauspielhaus Zürich und an die Münchner Off-Bühne Pathos gefunden hat. Es handelt sich um kuratierte Gesprächsrunden, aus denen er unter anderem 2013 die vielbeachtete Bühnenperformance «Je veux mourir sur scène» schuf.

Teamarbeit über alles

«Ich mag es, im öffentlichen Raum zu ergründen und aufzunehmen, was die Menschen bewegt, was mit ihnen und unter ihnen passiert», sagt Schwald. Das kann im kuratierten Gespräch ebenso geschehen wie auch im Tram. Aber auch, wenn er ein Theaterprojekt im geschlossenen Rahmen entwickelt, spielt der Diskurs oder das gemeinsame Arbeiten im Team eine wichtige Rolle.

Das aktuelle Projekt dreht sich um Gemeinschaft, um gesellschaftliche Normen und die soziale Kooperation in den verschiedensten Formen, die sich aus unterschiedlichen Kulturen und Zeiten ergeben. Gemeinsam mit seinem Ensemble schafft Schwald ein Theaterspektakel zwischen History-Show und kollektiver Selbstversuchsanordnung. «Ich möchte herausfinden, wie Gesellschaft funktioniert», sagt er.

Und auch wenn sich Schwald nach eigenen Aussagen zwei Jahre lang auf das Projekt vorbereitet hat  – unter anderem unter Einbezug von Richard Sennetts Bestseller «Together: The Rituals, Pleasures and Politics of Cooperation» –, so steht auch hier bei der eigentlichen Entwicklung des Stücks und bei den Proben die Teamarbeit im Vordergrund. «Das kann anstrengend sein», gibt er zu, «aber ich geniesse es, mich voll in etwas reinzuschmeissen.» Und er könne sich auf ein Ensemble verlassen, das diesen Weg mitzugehen bereit sei.

Einen Stempel aufgesetzt

Es ist ein Ensemble, mit dem er zum Teil bereits bei seinen letzten beiden Projekten zusammengearbeitet hat. Das war 2011 «Let’s Pretend to be Human», eine hintersinnige Collage über den von der Benefizmaschinerie angetriebenen Helferwahn – mit dieser Produktion wurde er 2013 ans Beijing Fringe Festival eingeladen. Und 2013 mit «Enfants terribles», einer theatralen Reise zurück in die Kindheit.

Diese beiden Produktionen könnte man wie die aktuelle als performative Forschungsarbeiten über die Befindlichkeit der Menschen und deren Einbindung in die Gesellschaft umschreiben. Es sind hintersinnige und spezielle Projekte, die dem Theatermacher einen wohlklingenden Namen in der Szene beschert, aber auch einen Stempel aufgedrückt haben, der ihm nicht nur behagt. «Ich würde mich eigentlich gerne auch mal mit einem klassischen literarischen Theatertext auseinandersetzen», sagt Schwald, «aber dazu kam es bis anhin nie.»

Seinem Wunsch nachgehen konnte er auch nicht, als er unter anderem beim gefeierten Meister der postdramatischen Wortspielereien, René Pollesch, als Regieassistent arbeitete. Und auch später nicht, als er 2001 nach seiner KV-Lehre in Basel an der Hochschule der Künste in Utrecht (NL) sein Studium in Intercultural Theatre and Performance in Angriff nahm.

Butter in der Pfanne spielen

«In Utrecht musste ich so seltsame Situationen oder Materialien spielen wie einen Berg, Quecksilber oder Butter, die in der Pfanne schmilzt», erinnert er sich: «Aufgaben, gegen die ich mich lange sträubte. Ich war froh, dass ich im dritten Studienjahr für zwei Semester ans Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Giessen wechseln konnte» – ein überaus renommierter Ausbildungsort.

Dass Schwald nach mehreren Theaterarbeiten unter anderem in Holland und Deutschland in die Schweiz und in seine Geburtsstadt Basel zurückkehrte, hat er nicht zuletzt der künstlerischen Leiterin der Kaserne Basel, Carena Schlewitt, zu verdanken. «Ich habe sie in Warschau kennengelernt, als ich mit Pollesch in Polen arbeitete», erinnert er sich. «Carena ermutigte mich, wieder nach Basel zurückzukehren und in der Kaserne ein Projekt auf die Beine zu stellen, so wie sie es auch bei anderen Basler Theaterleuten tat, die im Ausland arbeiteten.»

Weltgeschichte im Zeitraffer

Schlewitt war es auch, die Schwald dazu anregte, für einmal eine grössere Produktion auf die Beine zu stellen. «Mit einem grösseren Team zwei Stunden lang im Zeitraffer Weltgeschichte durchlaufen zu lassen und Beispiele für den Umgang mit Gemeinschaften in den Raum zu stellen, ist eine tolle Herausforderung», sagt er.

Und fügt hinzu, dass er sich zugleich darauf freut, wieder mal eine kleinere Produktion zu lancieren. Dann hätte er auch wieder mehr Zeit für seinen einjährigen Sohn.


Marcel Schwald: «Together». Mit Susanne Abelein, Léonard Bertholet, Olivia Csiky Trnka, Daniel Hinojo, Patricia Nocon, Julia Schmidt. Reithalle Kaserne Basel. Vom 28. Januar bis 1. Februar 2015.

 

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