Ein Leben lang Patientin

Ines H. ist 26 Jahre alt und leidet an der unheilbaren Krankheit Cystischer Fibrose. Wie man mit so etwas leben kann, erzählt in Basel derzeit ein Theaterstück. Darin spielt Ines die Pflegerin.

Ines H: «Gesund zu sein ist nicht selbstverständlich. Es gibt auch Leute, die krank sind. Und die gehen damit einfach um.»

Ines H. kennt das Universitäts-Kinderspital beider Basel in- und auswendig. Seit ihrer Kindheit muss sie regelmässig hier sein. «Die Ärzte hier haben mich bis ins Erwachsenenalter geführt und begleitet», sagt Ines. 

Die 26-Jährige leidet an Cystischer Fibrose (CF), auch Mukoviszidose genannt. Diese Erbkrankheit führt dazu, dass die für den Salztransport verantwortlichen Eiweisse in ihrer Funktion gestört sind. In Organen, die Flüssigkeit absondern, entsteht zäher Schleim. Betroffen sind vor allem Nase und Nebenhöhlen, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, der gesamte Verdauungstrakt, Schweissdrüsen sowie Fortpflanzungsorgane.

Eine bedrückende Diagnose?

«Ja und nein», sagt Ines. Für ihre Familie sei keine Welt zusammengebrochen. «Ich möchte keine Krankheiten vergleichen, aber mit CF konnte meine Familie umgehen. Ich nahm meine vielen Medikamente, machte meine Inhalationstherapie, und sie bemühten sich, mich so normal und unbeschwert wie möglich aufwachsen zu lassen.»

Trotzdem sei es erschütternd gewesen. «Heute würde diese Krankheit früher entdeckt», sagt Ines. Seit einigen Jahren werde auch beim Neugeborenen-Screening untersucht, ob ein Kind CF hat. «Meine Eltern haben nicht damit gerechnet», sagt sie.

Rollentausch

Beim heutigen Termin muss Ines zum Glück nicht zu einem Arzt. Sie darf auf die Bühne. Ines ist einer von zehn jungen Menschen mit einer unheilbaren Krankheit, die am Theaterstück «Die Feuerinfusion oder das Lachen des Rollstuhls» mitwirken. 

Das Stück feierte vergangenen Freitag Premiere und wird Anfang Februar noch dreimal in der Aula des Universitäts-Kinderspitals beider Basel aufgeführt. Es wurde von den Regisseuren Stephan Laur und Barbara Imobersteg in Zusammenarbeit mit den Betroffenen erarbeitet.

Wir alle wissen, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist. Doch was, wenn diese Grenzen durch eine unheilbare Krankheit noch klarer definiert sind? «Das Theaterstück beschäftigt sich genau mit diesem Schicksalsschlag», sagt Ines.

«Man muss schauen, dass alles Platz hat und es nicht zu viel wird für das Publikum – dass es nicht düster wird.»

Das Stück thematisiert den Alltag als unheilbar Kranke und zeigt – trotz dem schweren Thema – mit sehr viel Humor, was alles dazu gehört. Von der Vorstellung erhofft sich Ines, dass den Leuten bewusst wird, «dass das Leben nicht immer ohne Hürden ist. Gesund zu sein ist nicht selbstverständlich. Es gibt auch  Leute, die krank sind. Und die gehen damit einfach um.»
Der schwierigste Teil der Produktion bestand laut Ines darin, ein Gleichgewicht zwischen ernsten und lustigen Passagen zu finden. «Es ist eine sehr heikle Angelegenheit und gar nicht so einfach, eine gute Mischung zu finden. Man muss schauen, dass alles Platz hat und es nicht zu viel wird für die Leute – dass es nicht düster wird», sagt Ines. «Gleichzeitig sollte das Thema nicht ins Lächerliche gezogen werden.»

Die Gruppe ist bunt durchmischt: Auf der Bühne stehen auch junge Theaterbegeisterte, die nicht von einer Krankheit betroffen sind. «Es ist ein lebensbejahendes Projekt», sagt Imobersteg. Und alle haben sie «ganz einfach miteinander gearbeitet», sagt Ines. «Wir hatten das Gefühl, dass wir uns alle schon ewig kennen. Wie eine Familie eigentlich.»

«Ich bin mit der Krankheit aufgewachsen. Ich kenne nichts anderes.»

Ines tritt als Krankenpflegerin auf. Sie hat keinen Text, ist aber während des ganzen Stücks auf der Bühne zu sehen. Viele ihrer persönlichen Erfahrungen sind mit eingeflossen.

Während Ines‘ Kindheit habe es zum Beispiel nie ein Gespräch gegeben, wo es hiess: Du bist krank. «Ich bin einfach damit aufgewachsen. Ich kenne nichts anderes», sagt sie. Natürlich habe es Momente gegeben, wo sie sich fragte: Warum ich? Es brauchte Zeit, bis Ines lernte damit umzugehen.

Um die Situation besser bewältigen zu können, informierte sich ihre Mutter so umfassend wie möglich. «Sie hat wirklich alles wissen wollen», sagt Ines. Das sei ihre Art gewesen, damit umzugehen.

Genussvoll Leben

Ines‘ Vater hingegen sei weniger gut damit zurechtgekommen. «Für ihn war es recht schwierig», sagt sie. Er habe versucht, seine Energie auf Ines‘ ältere Schwester zu lenken und war viel mit ihr unterwegs. Aber grundsätzlich «ging es meinen Eltern darum, dass es mir gut geht. Sie waren bereit, alles auszuprobieren, was mir helfen könnte», sagt Ines.

Manchmal wurde es auch Ines zu viel. Dann benötigte sie eine Auszeit vom anspruchsvollen Alltag mit der Krankheit. Ihre Mutter liess ihr das durchgehen, «weil sie wusste, dass ich das brauchte – mal Kind zu sein».

Die junge Frau ist sich ihrer Sterblichkeit bewusst. Ihre Krankheit wurde in den 90er-Jahren diagnostiziert. Damals hiess es noch: Menschen mit CF werden 20, in der Regel nicht älter. 

Einschränken lässt Ines sich von dieser Prognose allerdings nicht. «Ich bin jetzt 26 – und mir geht es gut, ich bin stabil», sagt Ines. Der beste Rat, den sie Leuten in ihrer Situation geben kann, lautet deshalb: «Geniesst das Leben, so lange es geht, so gut es geht – und lasst euch nicht unterkriegen.»

Heute wohnt Ines mit ihrem Verlobten im Kleinbasel – im Sommer werden die beiden heiraten.

«Die Feuerinfusion oder das Lachen des Rollstuhls», Aula im Kinderspital beider Basel, am 2. und  3. Februar um 20 Uhr, am 4. Februar um 18.30 Uhr.

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