Franz Baur ist so etwas wie der Grandseigneur der Fussball-Berichterstattung am Radio. Am Samstag kommentiert der 73-jährige Basler im St. Jakob-Park mit der Begegnung zwischen dem FC Basel und GC sein 750. Fussballspiel für Radio SRF.
Franz Baur scheint ein sagenhaftes Gedächtnis zu haben. Er erinnert sich an Details des ersten Fussballspiels, das er vor 41 Jahren für das Schweizer Radio, das damals noch das Kürzel DRS trug, kommentierte. Das war am 23. März 1974 in Neuenburg; Xamax und GC trennten sich 0:0 unentschieden. Er erinnert sich daran, wie GC 1981 im Uefa-Cup-Viertelfinal-Rückspiel gegen den FC Sochaux mit 2:1 ausschied. Und er weiss, dass er am Samstag mit der Partie FC Basel gegen GC sein 750. Spiel live kommentieren wird.
Baur hat sich aber nicht als Gedächtniskünstler ins Gedächtnis der Fussballfans eingebrannt. Vielmehr wird er als Grandseigneur der Schweizer Fussballberichterstattung am Radio geschätzt. Zu seinen besonderen Merkmalen gehört die warme angenehme Stimme, sein gepflegtes, aber keineswegs aufgesetzt wirkendes Baseldeutsch und die wohltuend unaufgeregte Art, wie er auch noch so hektische Momente auf dem Fussballfeld anschaulich beschreibt.
Dass sich Franz Baur so gut an die Details der 749 bislang kommentierten Spiele erinnert, liegt denn auch nicht daran, dass er alles auswendig gelernt hat, sondern an seiner akribischen Buchhaltung, mit der er seine Arbeit für das flüchtige Medium Radio dokumentiert. «Ich erstelle für jedes Spiel ein Matchblatt, das ich durchnummeriert in einem Ordner ablege», sagt er, «deshalb weiss ich auch, dass am Samstag mein 750. Live-Einsatz bevorsteht.»
Sportreporter, Lehrer, Messeglöckner, Buebegeneral
Franz Baur: Eine Stimme Basels, die mit vielen Anlässen verbunden wird, und ewiger freier Mitarbeiter der SRG.
Fussball war und ist aber nicht das ganze Leben der bekannten Radiostimme. Bis zu seiner Frühpensionierung im Jahr 2001 war der Vater dreier heute erwachsenen Töchter («alle sind stark mit dem Sport verbunden») hauptberuflich als Primarlehrer tätig. In seinem ehemaligen Arbeitsort, dem Schulhaus Münsterplatz, ist er bildlich noch immer präsent. Dort ist auf einem zugemauerten Teil eines Fensters am Schlüsselberg als Trompe-l’œil sein Konterfei zu sehen. Das Bild ist während den Renovationsarbeiten im Jahr 1988 gemalt worden.
Der Name Franz Baur ist aber auch noch mit einem weiteren Basler Grossereignis verbunden – eines der wenigen, das mit dem allgegenwärtigen Fussball Schritt zu halten vermag: Seit 25 Jahren läutet er nämlich als Messeglöckner im Turm der Martinskirche die Basler Herbstmesse ein. Er gehörte bis vor wenigen Jahren überdies dem Raamestiggli-Ensemble der Vorfasnachtsveranstaltung Drummeli an, und als «Buebegeneral» am Vogel Gryff beaufsichtigte er beim abendlichen Rundgang der drei Ehrenzeichen bis 2013 die Stäggeladäärne-Buebe.
Fussball-Berichterstattung war also lange Zeit lediglich Nebenberuf – aber einer, dem er mit viel Engagement nachging und in den er viel Energie steckte –, «ein wunderbarer Ausgleich», wie Franz Baur sagt, und eine Berufung. Eine, die sich übrigens nicht auf Fussball-Liveberichte beschränkte. Für das Regionaljournal Basel von Radio SRF betreut er seit Jahrzehnten in regelmässigen Abständen den Sport-Schwerpunkt am Sonntag – «als amtsältester und ewiger freier Mitarbeiter», wie Baur mit einem Schmunzeln sagt.
Hier fällt Baur immer wieder mit überraschenden und originellen Ansätzen auf. So interviewte er den Basler «Weihnachtsmann» Johann Wanner einst mit Schlittschuhen an den Füssen auf dem Eis. Und für sein Essay «Sport und Kunst – oder Sport-Art» während der Art 2013 wurde er mit der ersten Quartals-Perle der SRG-Programmkommission der Region Basel ausgezeichnet.
Fussball- und nicht FCB-Fan
Die grösste Reichweite hat seine Stimme aber natürlich, wenn er in den nationalen Programmen die Spiele kommentiert. Zu Beginn noch auf Hochdeutsch, seit vielen Jahren nun aber im Dialekt, früher noch in einer Übertragungskabine mit einem Techniker an der Seite, heute als Einzelfigur.
Baur betreut bei Weitem nicht nur die Spiele des FC Basel. «Die Redaktionsleitung schickt uns jeweils eine Liste mit den Spieldaten, auf der wir uns eintragen können; der konkrete Match wird uns dann aber zugeteilt», sagt er. Das führt dazu, dass Baur in der gesamten Fussball-Super-League-Schweiz unterwegs ist, die gegenwärtig nach dem Abstieg der Westschweizer und Tessiner Vereine aber nicht mehr gar so weitläufig ist.
Als waschechter Basler kommentiert er auch Spiele des FC Basel, die er in den Diensten des nationalen Senders aber genau so neutral besprechen muss, wie alle anderen Partien. «Natürlich liess auch ich mich als kleiner Bub über den FCB für Fussball begeistern, aber als Spielkommentator habe ich keine Mühe zu abstrahieren», sagt Baur. «Ich bin Fussball-Fan und nicht Fan des FCB», fügt er hinzu (womit er in der FCB-verrückten Stadt Basel eine Sonderrolle einnehmen dürfte).
Fussball – ein Spiel mit vielen Überaschungen
Während vielen Jahren hat Baur natürlich viel erlebt. Er hat viele Partien kommentiert, bei denen die Legende Karli Odermatt noch über den Rasen spurtete. Er hat den FC Basel beim Ab- und Wiederaufstieg aus der und in die höchste Liga begleitet, die Hitchcock-Finalissima 2010 erlebt und vieles mehr.
Dennoch antwortet er auf die Frage nach spielerischen Höhepunkten mit viel Zurückhaltung. «Ich erinnere mich gerne an die Basler Nati-A-Derbys, als der FC Nordstern noch in der höchsten Liga spielte», sagt er. «Aber grundsätzlich gibt es im Fussball so viele aussergewöhnliche Momente, dass ich kein Spiel speziell hervorheben möchte.»
Konkreter wird er bei Persönlichkeiten, die ihm in Erinnerung geblieben sind. Spontan nennt er den Namen Ottmar Hitzfeld. Ihn hat Baur noch als Spieler in Basel, Lugano und Luzern erlebt, als Trainer in der und für die Schweiz und auf seinen verschiedenen Stationen bei deutschen Spitzenclubs. «Ich habe eine grosse Hochachtung vor Ottmar Hitzfeld, der eine aussergewöhliche Persönlichkeit im Fussball ist.»
Moderation für Sehbehinderte
Als besondere Momente in seiner Laufbahn fallen ihm in erster Linie aussergewöhnliche Situationen bei seinen Einsätzen ein. Etwa als er 1981 bei der Uefa-Cup-Partie in Sochaux in der obersten und hintersten Reihe der Tribüne auf die Bank stehen musste, um einen Überblick über das Spielfeld zu erhalten: «Ich habe das Spiel mit den Unterlagen in der rechten und dem Mikrofon in der linken Hand quasi durchmoderiert.»
Und in ganz spezieller Erinnerung sind ihm seine Einsätze als Moderator oder Audiodeskriptor für Sehbehinderte während der Euro 2008 geblieben. «Ich habe die Sehbehinderten vor dem Spiel getroffen, wusste auch, wo sie sassen; ich konnte die Spiele also speziell von ihrer Warte aus beschreiben.»
Man sieht es dem sportlichen, schlanken Mann trotz seiner weissen Haare nicht an, doch mit 73 Jahren dürfte er einer der ältesten aktiven Sportreporter im Land sein. Und im Moment denkt er noch nicht wirklich ans Aufhören. «Solange ich es gesundheitlich durchstehe, für meine Live-Einsätze in der halben Schweiz herumzureisen, mache ich weiter», betont er. Und natürlich nur solange er «angefressen» bleibe. «Denn ohne Freude am Fussball kann man das nicht tun.»