Mónica Wohlwend macht am Kindertheater Basel schüchterne Mäuschen zu strahlenden Bühnensternen. Selbst suchte die Theaterleiterin nie das Rampenlicht.
Am liebsten wäre Mónica Wohlwend gar nicht interviewt worden – sie hatte versucht, ihren Kollegen, den Bühnenbildner George Steiner, zu dem Porträt zu überreden. Als wir uns im märchenhaft-waldigen Eingangsbereich des Basler Kindertheaters dann doch mit ihr treffen, fragt sie als erstes, ob man das Foto nicht weglassen könnte.
Die 47-jährige Theaterleiterin steht selbst eindeutig nicht gerne im Rampenlicht. Lieber bleibt sie im Hintergrund, zieht die Fäden, und feiert mit viel Freude die Erfolgserlebnisse der theaterbegeisterten Kinder. So viel Zurückhaltung wirkt erst etwas ungewohnt für eine Theaterfrau. Wohlwend kommt ursprünglich auch aus einer anderen Ecke: Früher war sie im Marketing tätig. Vor über 15 Jahren hatte sie das Bedürfnis nach mehr Kreativität und Kontakt zu den Menschen. So stiess sie erst zu der angegliederten Bastelschule, dann zum Kindertheater.
Arbeit, aber auch Leidenschaft
Als der Vorstand sie als Nachfolgerin für die damalige Theaterleiterin Olivia Lang vorschlug, fühlte sie sich dieser Rolle nicht wirklich gewachsen: «Ich dachte mir, für etwas gibt es ja Theaterpädagogen!» Schlussendlich liess sie sich doch überreden. Diese Entscheidung hat sie nie bereut. «Ich liebe meine Arbeit über alles!», sagt sie heute. Es sei eine ausgewogene Mischung aus Büroarbeit und der Interaktion mit den Kindern und Eltern.
In jeder Saison, die von September bis Juni dauert, werden vier Produktionen einstudiert und auf die Bühne gebracht. Diese Monate sind für Wohlwend immer eine intensive Zeit: «Ich bin meistens sieben Tage die Woche im Theater.» Dabei ist sie nicht die einzige, die mehr arbeitet, als ihre Stellenprozente es verlangen würden. Das Kindertheater wird zum Teil vom Kanton subventioniert, ein weiterer Teil der Kosten wird mit Eintritten und den Bareinnahmen gedeckt, zudem müssen jedes Jahr private Förderer angefragt werden. Wohlwend sagt: «Wir können finanziell unter anderem nur deshalb überleben, weil wir alle unseren ehrenamtlichen Teil dazu beitragen.» Wirklich schwer falle dies aber niemandem: «Dieser Job ist für uns alle auch eine Leidenschaft!»
Prominentes Bühnenbild
Wohlwend ist für die Finanzen und Förderbeiträge zuständig, sie bestimmt aber auch den Spielplan und ist bei allen Proben dabei. Regie führt sie selber nicht, das überlasse sie lieber den «Profis». Dabei gibt sie gerne jungen Nachwuchsregisseuren eine Chance: «Hier sollen nicht nur Kinder, sondern auch junge Erwachsene gefordert und gefördert werden!» So machte etwa auch Jonas Göttin, der Sänger von The Glue, vor Jahren ein Praktikum als Bühnenbildassistent. Mittlerweile führte Göttin schon bei mehreren Stücken Regie.
Die Zusammenarbeit mit Bühnenbildner George Steiner ist für Wohlwend zentral und ein grosses Geschenk: «Er ist enorm professionell, und schafft es immer wieder, eine einzigartige Welt auf der Bühne zu kreieren!» Steiner sei auch über Basel hinaus für seine Arbeit sehr bekannt, er habe schon mehrere Anfragen aus Berlin erhalten. Trotzdem blieb er dem Kindertheater bisher treu.
Laut Wohlwend ist es für Kinder hilfreich, wenn das Bühnenbild und die Kostüme professionell sind: «Sie können dann besser in ihre Rollen schlüpfen!» Die Kinder seien auch enorm stolz auf diese aufwendigen Accessoires, und würden sich ernst genommen und wichtig fühlen.
«Vom klassischen Theater kann ich nicht genug kriegen.»
Mónica Wohlwends Theatergeschmack bezeichnet sie selbst als eher traditionell. Dies habe auch mit ihrer familiären Prägung zu tun. Sie stammt aus Spanien, ihr Vater hatte sich in der spanischen Gemeinde Basels stark engagiert. Immer wieder gab es Auftritte und Darbietungen, alle waren eher klassischer Art. So spielte Wohlwend früher Flöte, bis vor kurzem tanzte sie Flamenco. Zwar besuche Wohlwend manchmal auch moderne, abstrakte Theaterdarbietungen, doch zwei Aufführungen jährlich würden ihr absolut reichen.
Vom klassischen Theater hingegen kriegt sie kaum genug: «Die traditionellen Inszenierungen und Stücke sind für mich zeitlos und wunderbar unterhaltsam!» Diese Vorliebe spiegelt sich natürlich auch im Spielplan wieder. In die Saison startete das Kindertheater Anfang September mit «Aschenputtel», auch sonst werden vor allem Märchen wie etwa das «Rumpelstilzchen» auf die Bühne gebracht. Laut Wohlwend kommt dieser klassische Stil sowohl bei den Kindern selbst als auch beim erwachsenen Publikum sehr gut an: «Ich habe manchmal den Eindruck, dass die heutige Zeit fast schon ein bisschen übersättigt ist, was abstraktes Theater anbelangt. Da sieht man sich hin und wieder gerne die guten, altbewährten Stücke an.»
Die Kinder werden kaum verschont
Doch diese Art Theater zu machen bedeutet für die Kinder auch vor allem eines: Sie müssen zum Teil richtig viel Text auswendig lernen, werden also kaum «verschont». Die Teilnahme bei den Stücken ist kostenfrei und steht allen Kindern zwischen 4 und 16 offen, doch sie müssen dazu bereit sein, während zwei bis drei Monaten «alles zu geben», sich mit viel Herzblut in die Probe- und Vorführungszeit zu stürzen.
Den Kindern wird vom Theater also viel gegeben, ihnen wird aber auch einiges abverlangt. Dies werde vor allem bei schulisch eher schwächeren Kindern zum Problem. Es lasse sich aber auch da meistens eine Lösung finden, auf andere ausserschulische Aktivitäten müsse dann halt weitgehend verzichtet werden. Bereut hätten es bisher die Wenigsten: «Die Teilnahme bei unseren Produktionen ist für Kinder enorm bereichernd. Manchmal kann man buchstäblich beobachten, wie ein schüchternes Kind zunehmend den Knopf aufmacht.» Eher zappelige Kinder hingegen könnten sich im Theater austoben und Dampf ablassen.
«Kinder sind wie ein offenes Buch, man merkt sofort, wenn etwas nicht stimmt»
Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist ebenfalls ein wichtiger Punkt von Wohlwends Arbeit. «Sie vertrauen uns jedes Mal gewissermassen ihre Kinder an.» Dabei erhält Wohlwend einen intimen Einblick in die jeweiligen familiären Verhältnisse. «Kinder können sich kaum verstellen, sie sind sehr aufrichtig und transparent – man merkt schnell, wenn etwas nicht stimmt.»
In fast jeder Gruppe würde sich jemand mit einem schwierigen Schicksal befinden. Es sei auch schon vorgekommen, dass Wohlwend mit einem Kind auf eine Beratungsstelle musste. Solche Situationen würden einen nicht mehr so schnell loslassen. Doch die Erfolgserlebnisse und Schicksale, die sie positiv berühren, würden auf jeden Fall überwiegen: «Es ist einfach unglaublich, was für eine Entwicklung Kinder über die Jahre durchmachen. Aus so manch einer grauen Maus wurde bereits eine Bühnenprinzessin!»