«Ich brauche Abwechslung» – Claudius Skorski, ein Vermittler zwischen Bühne, Bar und Uni

Die Welt ist eine Bühne für Claudius Skorski. Doch nicht alles dreht sich um ihn und seine Band Space Tourists. Eigentlich will Skorski vor allem vermitteln, für Menschen, das Leben und dieses Wochenende für das Lauter Label.

Und Barista ist er auch noch: Claudius Skorski bewegt sich zwischen Musik, Studium und Kaffeehaus.

(Bild: Nils Fisch)

Die Welt ist eine Bühne für Claudius Skorski. Doch nicht alles dreht sich um ihn und seine Band Space Tourists. Eigentlich will Skorski vor allem vermitteln, für Menschen, das Leben und dieses Wochenende für das Lauter Label.

Claudius Skorskis Palmarès liest sich wie ein Bewerbungsschreiben für die New Yorker Hipster-Hochburg Williamsburg. Wer melancholische Indie-Songs singt, Soziokulturelle Animation studiert und sein Geld mit Cappuccino-Schaum-Schlagen verdient, sollte eigentlich Bart tragen.

Doch diesen Lebensstil wählte er nicht bewusst, sondern aus Lust. Der Lust am Performen: «Auch als Barista bist du auf einer Bühne», erklärt er im Unternehmen Mitte. Die Serviceschürze hat er abgelegt und es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Zum Kaffeeschlürfen kommt er aber kaum. Performen heisst für ihn vor allem agieren und davon erzählen. Und da gibt es vieles. Manches wird nur angerissen, den Zuhörer vertröstet er mit einem «aber dazu später Genaueres».

Kaum 23 Jahre alt, bereitet es ihm bereits Mühe, genau zu datieren, wann er womit angefangen hat. Schon zu Schulzeiten spielte er Theater und Ska-Punk – «mehr schlecht als recht», wie er lachend ergänzt. 2009, beim Konzertbesuch von Captain Capa im Hirscheneck machte es dann klick. «Da wusste ich: Ich will elektronische Emo-Musik machen.»

Als Sänger und Gitarrist gründete Skorski mit Freunden die Space Tourists. Das Melancholische ist bis heute prägend, die Elektronik blieb jedoch auf der Strecke. Das Quartett fand mit einer klassischen Schlagzeug-Bass-Gitarre-Besetzung über die Jahre seine eigene Sprache, gewann 2013 den DemoClinic-Wettbewerb des RFV Basel und steckt gerade in Aufnahmen des Debütalbums. Zumindest abends, denn tagsüber hat Skorski noch viel anderes um die Ohren. «Hätte ich die Musik als einzigen Job, würde die Band wohl an Reiz verlieren. Ich brauche Abwechslung.»

«Im Studium der Soziokulturellen Animation lerne ich gewaltfreies Gestikulieren. So kann ich später Rentner zu Aerobic bewegen.»

Nach Versuchen in Geschichte und Philosophie an der Uni Basel pendelt Skorski seit September zwei Tage pro Woche nach Luzern. Dort studiert er Soziokulturelle Animation. «Da lerne ich gewaltfreies Gestikulieren und kann so später auf einem Kreuzfahrtschiff Rentner zu Aerobic bewegen», umschreibt er lachend seine Zukunftspläne. Wahrscheinlich könnte er auch in der Stadt mit Grossmüttern und jugendlichen Kiffern einen Garten anlegen – Hauptsache, er bringt unterschiedliche Leute zusammen.

Darin sieht er sein Talent: «Ich kann mich gut in unterschiedliche Leute reindenken und Gemeinsamkeiten erkennen, da Selbstfindung mein eigenes Leben prägt.» Als Kind von polnisch-ungarischen Eltern suchte er schon früh seinen eigenen Weg zwischen den Kulturen. Als fünfjähriger Bub antwortete er seinem Vater auf die Frage, ob er sich nun als Schweizer, Pole oder Ungare sehe: «Ich bin Claudius Skorski.» Heute findet er: «Das multikulturelle Spannungsfeld stärkt meine Sensibilität für die Ängste anderer.»

Gruppen-Chat um vier Uhr morgens

Brücken schlagen, etwas vermitteln sowie unterschiedliche Menschen erreichen will er auch mit der Musik. Nicht nur mit den Space Tourists. Vor sieben Jahren engagierte er sich beim Basler Clubfestival BScene und seit fünf Jahren bucht er Bands für das «Hill Chill»-Open-Air in Riehen. So entstand der Kontakt zu Lauter. Das junge Zürcher Unternehmen ist zugleich Label und Agentur und sowohl basisdemokratisches Kollektiv wie eine GmbH. «Das heisst, jeder kann in seinem Bereich selber entscheiden, nur bei Unstimmigkeiten muss man dies im Kollektiv verteidigen.»

Klingt ziemlich anstrengend bei neun Bands, acht «Arbeitern» und einem Netzwerk von 70 Kreativen und Helfern. Skorski schwärmt aber vom Enthusiasmus der Lauter-Leute, bei denen im Gruppen-Chat noch um vier Uhr morgens emsig neue Ideen geteilt werden. «Das Beispiel des Sängers Faber, der mittlerweile in Deutschland gross gehandelt wird, zeigt, dass das Modell funktioniert.»

Den Posten des Chef-Bookers hat er mittlerweile abgegeben. Skorski kümmert sich nur noch um seine eigene Band und das Pirmin Baumgartner Orchester. Dieses Breitwand-Pop-Monster ist nur schon wegen seiner Grossformation mit 18 Leuten schwer an kleine Clubbühnen vermittelbar.

«Egal, wie voll die Woche ist: Für meine Freundin schaffe ich bewusst Zeit.»

Noch schwerer fällt ihm das Anpreisen der eigenen Band. Da kommt selbst der Redeschwall des selbstbewussten jungen Mannes ins Stocken. Dass die Space Tourists am Samstag beim ersten Lauter Festival in Basel spielen, ist vor allem dem Druck des Kollektivs geschuldet. «Die Zürcher Fraktion meinte, dass auch wir auf die Bühne müssen, um die Brücke zwischen den Städten zu schlagen.»

Mit der Doppelrolle wird das Festival für ihn eine anstrengende Nacht, «aber ich bin ja nicht der Einzige, der arbeitet, und das Konzert ist ein willkommener Break zum Studio.» Und sein nächstes Konzert geht erst an Weihnachten im Hirscheneck über die Bühne – als Schlagzeuger einer Ramones-Coverband.

Bei diesem verzettelten Programm fragt man sich: Hat seine Woche acht Tage? «Klar, ich tanze eher auf 20 denn auf 7 Hochzeiten. Leider läuft manchmal zu viel, und ich muss Prioritäten setzen, die schmerzen.» So verpasste er gerade die Ausstellungs-Vernissage seines besten Freundes. «Aber egal, wie voll die Woche ist: Für meine Freundin schaffe ich immer bewusst Zeit.» Gemeinsam haben sie etwa ein Abo am Theater Basel, wo er übrigens auch schon als Regie-Hospitant arbeitete – nachdem er sich in «Othello» als Schauspieler versucht hatte. Dieser junge Mann hat einfach Lust am Performen.

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Samstag, 19. November, 20 Uhr, Sommercasino Basel: 1. Lauter Festival Basel mit Amorph, Space Tourists, Pirmin Baumgartner Orchestra & DJs Mick & Ziggy Stardust.

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