Jetzt, wo wir uns an ihn gewöhnt haben, geht er

Guy Morin hört auf. Mit ihm geht ein Regierungsrat, der viel Kritik einstecken musste. In den letzten Jahren zeigte sich Morin aber selbstbewusst. Ein Porträt.

Das Repräsentieren macht Guy Morin Freude: Der Regierungspräsident mit Bundesrat Didier Burkhalter am OSCE-Ministertreffen im Dezember 2014.

(Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON)

Guy Morin hört auf. Mit ihm geht ein Regierungsrat, der viel Kritik einstecken musste. In den letzten Jahren zeigte sich Morin aber selbstbewusst. Ein Porträt.

Was waren das für lästige Wochen für Guy Morin! Kaum tauchte der grüne Regierungspräsident an einem Anlass auf, wurde er umgehend von Journalisten umlagert, die immer wieder dieselbe Frage stellten: «Treten Sie bei den Wahlen im Herbst nochmals an?» Nun ist es endlich raus: Nein, er tut es nicht, er will nicht mehr. Nach zwölf Jahren in der Regierung wird Morin Ende Januar 2017 sein Amt niederlegen – rot-grüne Regierungsmehrheit in Gefahr hin oder her. 

Der Entscheid fiel Morin, der ohnehin eher zögerlich an Entscheidungen herangeht, nicht leicht. Bis zuletzt hatte er offenbar damit zu kämpfen und überlegte sich – vor allem seiner Partei zuliebe – ernsthaft, nochmals anzutreten. Persönliche Gründe überwogen aber. Gegen eine erneute Kandidatur entschied er sich, weil er mit fast 60 wieder Lust auf etwas ganz Neues hat.

Verbissen leidenschaftlich

Seit 2005 ist Morin in der Regierung, zuerst als Justizdirektor (ein Job, mit dem er nie warm wurde) und seit Februar 2009 als erster Regierungspräsident. Der Start in das neue Amt verlief harzig: Immer wieder stand er in Kritik, und nach der stillen Wahl war er permanent damit beschäftigt, sich zu rechtfertigen, dass er auch ohne Volkswahl Basels Regierungspräsident sei. Selbstbewusster wurde Morin erst nach den Wahlen 2012, als man sich tatsächlich für ihn und gegen Baschi Dürr (FDP) entschied.

Seither ging es für ihn bergauf: Morin wurde umgänglicher und lockerer. Die Kritiker sind beinahe verstummt, und er wurde bei seinen Auftritten sicherer. Eloquent ist er zwar immer noch nicht, für beeindruckende Auftritte ist er die falsche Figur. Doch wirkt er bei seinen Reden nicht mehr so unbeholfen und verwirrt wie in den Anfangszeiten. Seine Geschäfte vertrittt er im Grossen Rat oder auch den Medien gegenüber verbissen leidenschaftlich.

Guy Morin bei seiner Wahl 2004 in die Basler Regierung.

Guy Morin bei seiner Wahl 2004 in die Basler Regierung. (Bild: Keystone/MARKUS STUECKLIN)

Morin bot seinen Gegnern in den letzten Jahren immer weniger Angriffsfläche und konnte sich aufs Wesentliche konzentrieren: auf seinen Job, der ihm sichtlich viel Freude bereitete (das Repräsentieren liebt er) und in den er immer mehr hineinwuchs. Vor allem der Bereich Kultur ist ihm ein grosses Anliegen. Der geplante Umbau der Kaserne und bei den Orchestern, die Erhöhung der Subventionen ans Theater Basel und relevante Veränderungen in der Museumslandschaft wurden in seiner Amtszeit entschieden. Morin ist keiner, der sich scheut, auch heikle Dossiers anzupacken, wie er etwa mit der umstrittenen Schliessung der Skulpturhalle zeigte – auch wenn er dafür sorgte, dass die Kultur bei Sparmassnahmen nicht mehr zu stark angepackt wird.

Problemfall Kessler

Die Skepsis gegenüber seinem Präsidialdepartement ist in all den Jahren aber trotzdem nicht verflogen. Nicht nur Bürgerliche bezeichnen das Departement als unbrauchbar, auch die Linken fluchen immer wieder darüber – zuletzt etwa, als Morin die Fachstelle für Behinderte aufhob. Und selbst in der Verwaltung zeigt man sich in regelmässigen Abständen irritiert über Morins Departement, allen voran über Thomas Kessler.

Der Kantons- und Stadtentwickler lässt Morin immer wieder als schwache Führungsfigur dastehen. Ein Vorwurf, der dem ehemaligen Hausarzt zu schaffen macht: «Man tut sich in Basel offenbar schwer mit Persönlichkeiten, die eine pointierte und fundierte Meinung haben. Das ist reine Neidkultur», sagte er einmal. Er schätze es aber, einen solchen Mitarbeiter zu haben. Dass sich Kessler neulich für Sonntagsöffnungszeiten bei der Schifflände starkmachte, war Morin aber doch zu viel des Guten: Er erteilte seinem Chefbeamten einen Verweis. Nicht aus Überzeugung, wie zu hören ist. Sondern viel mehr als Beruhigungsmassnahme für seinen empfindlichen Regierungskollegen Christoph Brutschin (SP).

Guy Morin hält im November 2015 auf dem Marktplatz eine Schweigeminute für die Terror-Opfer von Paris ab.

Guy Morin hält im November 2015 auf dem Marktplatz eine Schweigeminute für die Terror-Opfer von Paris ab. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Im Basler Regierungsrat ist Morin ein Einzelgänger. Er wird mehr akzeptiert als geschätzt. Wirklich nahe steht er niemandem, nicht mal seinen linken Kollegen Eva Herzog, Hans-Peter Wessels und Christoph Brutschin, von denen er nicht immer ernst genommen wird. Halt fand er vor allem in seiner Partei, den Grünen, die sich ihm gegenüber immer loyal zeigte. Anders der Bündnispartner BastA!, zu dem er Distanz pflegte und von dem er regelmässig Kritik einstecken musste.

Nun geht er also. Dabei hat sich Basel doch gerade erst an ihn gewöhnt, an den schrillen Regierungspräsidenten. Unverwechselbar in Gestik und Mimik, stur, oft emotional unterwegs und irgendwie auch ein bisschen neben der Spur. Den Vorstellungen einer Magistratsperson entspricht Morin nicht, dafür ist er ungekünstelt. Und irgendwie war genau das für Basel wohltuend.

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