Jugend braucht Perspektiven statt Vorurteile

Milan Todorović gehört der Nachkriegsgeneration an. Als Serbe unter Bosniaken aufgewachsen, engagiert sich der 19-Jährige mit einer selbst gegründeten Organisation für die Jugend und damit die Zukunft des Landes.

«Die Medien schaffen künstliche Spannungen», sagt Milan Todorović. Mit seiner NGO kämpft er dagegen an. 

(Bild: KATHARINA EBEL/HGFD)

Milan Todorović gehört der Nachkriegsgeneration an. Als Serbe unter Bosniaken aufgewachsen, engagiert sich der 19-Jährige mit einer selbst gegründeten Organisation für die Jugend und damit die Zukunft des Landes.

Milan Todorović wurde kurz nach der Unterzeichnung des Dayton-Abkommens geboren. Aufgewachsen ist er in Sarajevo in einem SOS-Kinderdorf. Obwohl er einen serbischen Namen trägt, hatte er lange Zeit Berührungsängste gegenüber serbischen Kindern: «Ich bin eben in Sarajevo mit Bosniaken gross geworden, und hier trifft man nur noch wenige Serben. Wir haben immer Geschichten gehört, wie schrecklich die anderen seien, und es kostet viel Mühe, diese Vorurteile abzubauen.»

Durch die Teilnahme an einem Projekt der Organisation «Prijatelj/ca bez granica» («Freunde ohne Grenzen») traf Milan Todorović zum ersten Mal Jugendliche aus Serbien: «Ich habe mit ganz anderen Reaktionen der Jugendlichen aus Kraljevo und Belgrad gerechnet. Das lag vor allem an den künstlichen Spannungen, die durch die Medien geschaffen werden.» Die Begegnungen haben ihm die Augen geöffnet und ihn motiviert, sich selber für die Verständigung und den Zusammenhalt des Landes zu engagieren.

«Die Jugendlichen merken schnell, dass sie keine Angst voreinander haben müssen.» Milan Todorović

Kurz nachdem Milan Todorović volljährig wurde, gründete er deswegen im Oktober 2014 die Nichtregierungsorganisation (NGO) Nautilus. Deren Ziel ist es, die Lage von Jugendlichen in Bosnien-Herzegowina zu verbessern, und zwar unabhängig von Geschlecht, Religion und Herkunft. Dazu will sie Jugendliche aus dem ganzen Land zusammenbringen und Vorurteile abbauen.

«Die Jugendlichen in Bosnien-Herzegowina merken schnell, dass sie keine Angst voreinander haben müssen und dass sie alle die gleichen Probleme haben», sagt Milan Todorović. Die SOS-Kinderdörfer haben ihn bei der Gründung und Etablierung von Nautilus unterstützt. Milan Todorović will weiter daran arbeiten, dass Bosnien-Herzegowina wieder zusammenwächst, dass Jugendliche Perspektiven und eine Zukunft in ihrem Land sehen.

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Jugend braucht Perspektiven statt Vorurteile: Milan Todorović gehört der Nachkriegsgeneration an. Als Serbe unter Bosniaken aufgewachsen, engagiert er sich mit einer selbst gegründeten Organisation für die Jugend.

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