Liberal geht auch locker

FDP-Präsidentin Petra Gössi gilt als spröde und distanziert. Aber so einfach ist das nicht, wie sich bei einem Auftritt in Basel zeigte.

Eingemittet: Die bürgerliche Petra Gössi zwischen den linken Feministinnen Anita Fetz (l.) und Maja Graf.

(Bild: Andrea Fopp)

FDP-Präsidentin Petra Gössi gilt als spröde und distanziert. Aber so einfach ist das nicht, wie sich bei einem Auftritt in Basel zeigte.

Da wappnet man sich für ein unergiebiges Gespräch mit einer trockenen Politikerin. Denn die Medien malten in den letzten Wochen ein eindeutiges Bild der frisch gewählten Präsidentin der FDP Schweiz: Distanziert sei sie, schrieb die NZZ. So zurückhaltend, dass man sie spröde nennen könne, hiess es im Tages-Anzeiger. Und die BaZ meinte, sie sei so unnahbar, dass nicht einmal ihr Vater sie kenne.

Und dann kommt da eine Frau nach Basel, mit der man sich locker unterhalten kann, nicht einmal die Zitate will sie gegenlesen. Im roten Shirt zum beigen Anzug spaziert sie in den Ackermannshof und nimmt eine Cola-Flasche aus der braunen Tasche.

«Entschuldigung, ich habe einen Riesendurst», sagt die 40-Jährige, will ansetzen – doch der Schluck Cola landet auf der Anzugshose. «Das ist typisch für mich», lacht Gössi. «Ich bin mit dem Kopf immer woanders.» Erst vor Kurzem sei sie die Treppe runtergefallen und habe sich einen Zahn angeschlagen. «Jetzt muss ich ständig beim Zahnarzt antanzen.» 

Gesittet, gesitteter, am gesittetsten

Ja, Gössi lacht viel, das stimmt. Und sie ist gleichzeitig zurückhaltend, das stimmt auch, wie sich am Montag zeigte. Die Angestelltenvereinigung Region Basel und der Bankpersonalverband Nordwestschweiz luden zu ihrem jährlichen Frühjahrsapéro. Höhepunkt war eine Podiumsdiskussion zum Thema «Frauenpower im Parlament». Gössi debattierte mit der Basler Ständerätin Anita Fetz (SP) und der Baselbieter Nationalrätin Maja Graf (Grüne) über Gleichstellung.

Die Diskussion verläuft höchst gesittet, keine der drei Frauen fällt der anderen ins Wort, keine drängt sich ans Mikrofon – typisch Frauen, ist man geneigt zu sagen, die müssen nicht ständig zeigen, wer Platzhirsch ist.

Am wenigsten zu Wort kommt eindeutig Gössi. Und das liegt nicht nur daran, dass die Macht ungleich verteilt ist – zwei ziemlich linke Frauen aus der Region gegen eine ziemlich rechte aus der Innerschweiz. Es liegt auch an Gössis Art. Sie drängt sich nicht einmal dann ans Mikrofon, wenn sie direkt angegriffen wird.

Wenn die FDP keinen Mann findet, nimmt sie eine Frau

Zum Beispiel beim Thema FDP-Präsidium. Graf und Fetz zeigen sich zwar sehr erfreut, dass wieder einmal eine Frau die Freisinnigen führt, doch Fetz kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: «Immer wenn die FDP in der Krise steckt und keinen Mann findet, wird eine Frau Präsidentin.» So sei es auch gewesen, als die inzwischen verstorbene Christiane Langenberger 2002 übernommen hatte. Und Gössi? Schweigt gelassen.

Oder beim Thema Lohngleichheit. Graf macht Gössi indirekt dafür verantwortlich, dass Frauen weiterhin durchschnittlich 15 Prozent weniger verdienen als Männer. Kürzlich verwarf der Nationalrat die Möglichkeit von Lohnkontrollen in Unternehmen. Die Entscheidung war knapp, mit 91 zu 89 Stimmen. Dagegen war auch Gössi. Maja Graf sagte deshalb: «Petra war die entscheidende Stimme.»

Irgendwann macht sie ihren Punkt

Gössi lacht, wartet ab, bis Graf fragt: «Willst du nicht etwas sagen?» Und Gössi erklärt ruhig: «Natürlich bin ich dafür, dass Frauen und Männer gleich viel verdienen.»

Aber statt eine Lohnpolizei für mehrere Millionen einzusetzen, wolle sie das Geld lieber für Rahmenbedingungen ausgeben – Kitas, Tagesstrukturen, Krippen, «sodass Männer und Frauen arbeiten gehen können». Wenn mehr Frauen arbeiten würden, reguliere sich die Lohndifferenz automatisch.

Auch wenn Gössi sich nicht aufdrängt, irgendwann macht sie ihren Punkt.

Zum Beispiel beim Thema bürgerliche Frauen im Parlament. Graf kritisiert, es sei die Schuld der Bürgerlichen, dass heute immer noch viel weniger Frauen im Nationalrat seien als Männer. Bei den Linken ist die Bilanz ausgeglichen, doch bei der FDP sind nur 7 von 26 Nationalräten Frauen, bei der SVP sind es noch weniger (Stand Wahltag, 18. Oktober 2015).

«So, jetzt soll einmal Gössi reden»

Und Gössi? Sagt auch dazu erst mal: nichts. Fetz nimmt das Mikrofon und beginnt das Engagement der linken Frauen für die Gleichstellung zu loben. Doch dann, gefühlte zehn Minuten später, sagt der Moderator: «So, jetzt soll einmal Gössi reden.»

Sie sagt ganz ruhig: «Ich wehre mich gegen ein Frauenbild, bei dem die Frau am Herd steht. Ich bin nicht verheiratet, habe keine Kinder, ich lebe dieses Bild nicht.» Die FDP im Kanton Schwyz habe gezielt Frauen aufgebaut. «Ich war im Kanton Fraktionspräsidentin und Parteipräsidentin. Die FDP stellt die einzige Frau in der Schwyzer Regierung. Aber es ist schwierig, Frauen zu finden. Viele wollten nicht kandidieren.» Auch sie selber sei in die Politik gekommen, weil die FDP Schwyz junge Frauen auf der Liste wollte.

Smalltalk kann sie gut

Nein, Gössi sprudelt nicht so wie Maja Graf und poltert nicht so wie Anita Fetz. Aber unnahbar? Das ist sie nicht. Smalltalk fällt Gössi leicht, da ist sie ganz Politikerin. Beim Apéro plaudert sie mit Hans Furer über den Verkehr. Furer ist Geschäftsführer der Angestelltenvereinigung und Präsident des Bankpersonalverbands sowie GLP-Landrat.

Er ist sichtlich angetan von Gössi und geniesst ihre Aufmerksamkeit. Sie erzählt ihm, sie sei mit dem Zug gekommen, ihr Auto stehe in Luzern. Das müsse sie sich merken. Manchmal parkiere sie das Auto nämlich auch in Zürich und sie habe immer Angst, eines Tages den Zug in die falsche Stadt zu nehmen. «Dann stehe ich plötzlich in der einen Stadt und mein Auto in der anderen.» Ohne Auto kommt Gössi abends nicht mehr heim nach Küssnacht.

Am Sonntag einfach einmal fernsehen

Klar, über ihr Liebesleben will Gössi nicht schwatzen und sie hat auch wenig Lust, ihre Wohnung für eine Homestory zu öffnen, doch kann man ihr das verübeln? Ein bisschen Privates erzählt sie durchaus.

So spricht sie beispielsweise ohne Umstände über ihr Schlafverhalten. Fünf Stunden schlafe sie pro Nacht, sieben wären ideal, «am Wochenende hole ich nach». Und wenn sie mal so richtig müde ist, an einem Sonntag, dann sitzt sie aufs Sofa und sagt sich: «So, jetzt schaue ich einfach fern.»

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