Modedesignerin Jacqueline Loekito bringt Farbe in die Stadt

Von Jakarta über London nach Basel: Jacqueline Loekito drückt ihr Lebensgefühl über Kleider aus. Sie pendelt zwischen Minnie Mouse und Gangsta Bitch und legt trotzdem viel Wert auf Tradition und alte Bräuche.

(Bild: Donata Ettlin)

Von Jakarta über London nach Basel: Jacqueline Loekito drückt ihr Lebensgefühl über Kleider aus. Sie pendelt zwischen Minnie Mouse und Gangsta Bitch und legt trotzdem viel Wert auf Tradition und alte Bräuche.

Willkommen im Atelier von fünf Mode-Design-Studenten kurz vor Abgabe der ersten Masterarbeit. Das Rattern von Nähmaschinen mischt sich mit Youtube-Geplärre aus Laptop-Boxen, es hängt, steht und liegt viel Kleidung und Krimskrams im kleinen Raum. Was davon verstaut und was verstreut ist, erschliesst sich dem Besucher kaum. 

Jacqueline Loekito ist in diesem kreativen Chaos aber schnell zu finden. Der Pompon in Pink auf ihrer Mütze leuchtet den Weg hinter eine Kleiderstange. Die Sohle glänzt farblich assortiert zum Scheitel, dazwischen viele, viele Farben.

Kleidung ist für Loekito Statement und Ausdruck ihrer Launen. Morgens überlegt sie: «Bin ich eher Minnie Mouse oder Gangsta Bitch?» Dann kleidet sie sich entsprechend. Die Reaktionen sind nicht nur positiv, doch das lässt Loekito kalt: «Sei ruhig selbstbewusst. Kritiker zahlen dir nicht deine Miete. Ausserdem lähmt es, wenn man immer alles hinterfragt.»

Stellt man Fragen zu ihren Kleidern, offenbaren die detaillierten Antworten viel mehr Tiefe als ihr saloppes Eingangsstatement: «Der bunte Pyjama-Pulli drückt aus, wie wohl es mir in Basel ist.» Die bunten Flecken auf dem Pulli haben feine Muster, die Loekito mit einer Textildesignerin in England entwarf und weben liess. Diese fetzenartig auf Stoff zu drucken war ein pragmatischer Entscheid. Alles zu weben wäre viel zu aufwendig, unbezahlbar und weniger kuschelig geworden. In der Kombination von altem Handwerk mit neuer Technik steckt zudem viel von Loekitos Werdegang und der Schulvorgabe, eine Bricolage des eigenen Lebensweges in Kleidung auszudrücken.




Die Wandcollage zeigt Loekitos Inspiration und Skizzen der «Ritual»-Kollektion, Kokon und Kutte daneben einen Teil der Umsetzung. (Bild: Donata Ettlin)

Den splittet Loekito in drei Teile. Die ersten 19 Jahre lebte sie in Jakarta, bevor sie für das Modestudium nach London zog, in die Heimat ihrer Mutter. Basel steht für die Liebe. Die fand sie hier in den Ferien, 2013 bei einer Party im «Nordstern».

Der dicke Mantel, der für ihre erste Phase steht, wirkt für ihren Stil ungewohnt eng geschnitten und nicht so farbenfroh. «Das Kleidungsstück ist wie ein Kokon. Die väterlichen Familienbande in Indonesien sind unglaublich stark und warmherzig, doch hatten die Pflichten und Traditionen auch etwas Beengendes.»

Die kunterbunte Zottelweste als Reminiszenz an London braucht dagegen kaum Erklärung: Hier schlüpfte der Schmetterling. «Ich heitere den Tag gerne mit vielen Farben auf. London bleibt mein Shopping-Paradies dafür.» Geht sie ihre Verwandtschaft dort besuchen, nimmt sie noch immer einen leeren Koffer mit.

«Ich spüre in Basel viel kreatives Potenzial. Nur muss man manchmal anschieben, damit was geht.»

Bunt sind auch die Kleider zur aktuellen Lebensphase. Der bequeme Schnitt und Stoff betonen, wie wohl es Loekito in Basel ist. Erstaunlich, wenn man aus einer Megacity mit je nach Zählweise über 20 Millionen Einwohnern stammt, wogegen sogar London klein wirkt. «Ohne Reichtum hast du in Jakarta kaum Chancen und auch London ist viel zu teuer. In Basel habe ich eine der weltweit besten Schulen und spüre in der Stadt selbst viel kreatives und künstlerisches Potenzial. Nur muss man manchmal anschieben, damit was geht.»

Loekito gibt selber gern Anstösse. Sei es, dass sie für Tanzproduktionen wie «How to Save a Phoney From Becoming a Fraud» die Kostüme schneidert oder mit den halbjährlichen Shows ihrer eigenen Kreationen. Auch ausserhalb der Ausbildung sucht die Master-Studentin in Studio Fashion Design der Integrativen Gestaltung am Institut Mode-Design HGK FHNW in Basel immer wieder den Austausch mit anderen Kreativen.

Speziell war die Zusammenarbeit mit Eddie Hara, dem Grandseigneur der indonesischen Street Art, der schon länger in Basel lebt. «Als ich hierher zog, hörte ich immer wieder von Hara und habe ihn auf Facebook gestalked, bis es mit dem Treffen geklappt hat. Heute ist er fast ein Vaterersatz.»

Sinn für Tradition

Mit ihrer offenen Art schloss Leokito nicht nur mit ihren Landsleuten schnell Bekanntschaften. «Mein Freund witzelt, dass mich nach knapp zwei Jahren in Basel schon mehr Leute kennen als ihn.» Und so klein ist der Bekanntheitsgrad von Schwellheim-Sänger Yves Sutter nun auch nicht. «Ich wollte ihm hier sicher nicht wie sein Hund hinterherhecheln und begann deshalb von Anfang an, mein eigenes Umfeld aufzubauen.»




Loekito spielt lustvoll mit Kreativität und Farbe vom Scheitel bis zur Sohle gegen graue Zonen. (Bild: Donata Ettlin)

Doch trotz allem zeitgemässen Selbst-ist-die-Frau und am liebsten crazy crazy crazy: Heiraten will Loekito unbedingt, dieses Jahr ist es so weit. «Kinder wären für mich ohne Ehe unvorstellbar. Das sind meine tief verwurzelten Sinne für Traditionen und Bräuche.»

Da macht es Sinn, dass ihre neue Kollektion unter dem Titel «Ritual» steht. Loekito will darin die verschiedenen Kulturen integrieren und Parallelen herausstreichen. «London liefert immer neue crazy Fashion, doch bleibt es schon wegen der Haltbarkeit nur eine kurzzeitige Modeerscheinung. Den Schweizer Anspruch an Qualität und Brauchbarkeit sowie durchdachtes, zeitloses Design findet man hingegen auch im indonesischen Handwerk.»

Ein Statement wird zum Stigma

Nur scheint das Image hier ein anderes. Kleine Lederbeutel, die sie in indonesischen Manufakturen produzieren liess, lösen bei der Kundschaft immer wieder Misstrauen aus. Das «Made in Indonesia»-Label, das Loekito als stolzes Statement darannähte, weckt Gedanken an Ausbeutung, Kinderarbeit und schlechte Qualität. Die in Basel selbstproduzierten Kleinkollektionen dagegen verkaufte Loekito fast alle bis zum letzten Stück. «Die Leute hier mögen das Individuelle und Exklusive. Dann geben sie gerne Geld aus.»

Die Täschlein sind auch Teil von Loekitos anstehender Präsentation. Dort kann man sie kaufen wie auch ihre Schals oder die hölzernen Brillengestelle, durch deren halbe Gläser man zwei Welten sehen kann. Die mehrfach geschwungenen «Erhabenheitsschuhe» aus Holz sind dagegen nur etwas fürs Auge. Doch geht es Loekito bei der Präsentation vor allem darum, ihre Arbeit und damit auch sich selbst zu präsentieren. Etwas mehr Farbe und Verrücktheit tun der Stadt nur gut.
 
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Samstag, 14. Januar, 18 Uhr: Vernissage Modeausstellung RITUAL, Ahoi*Ahoi, Untere Rheingasse 10 (läuft bis am 11. Februar).

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