Ozan Topal (42) hat sich auf Twitter einen Scherz über den türkischen Ministerpräsidenten erlaubt. Nun hat er Post erhalten von einem türkischen Gericht.
Als Ozan Topal an einem Tag im Mai seinen elektronischen Posteingang öffnet, staunt er nicht schlecht. Ein Istanbuler Gericht schreibt ihm per E-Mail, der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim klage gegen ihn. Grund dafür sei ein Tweet, den Topal veröffentlichte. Der Reinacher hatte zuvor auf Twitter geschrieben:
«Binali Yildirim meinte, unsere Zukunft werde besser; nun ja, sein wohlgenährter Sohn hat sein Geld dieses Mal auf Schwarz statt auf Zahlen gesetzt.»
Die Anspielung zielte darauf, dass Erkan Yildirim, der Sohn des Ministerpräsidenten, laut Medienberichten ein Problem mit dem Glücksspiel hat.
Was vielerorts als harmloser Scherz abgetan würde, brachte in der Türkei ein Gericht auf den Plan. Der Ministerpräsident und sein Sohn klagten gegen Topal wegen unzulässigen Unterstellungen und Behauptungen. Der Tweet wurde deshalb gelöscht.
Seit sieben Jahren führt Topal das Hotel und Restaurant Reinacherhof in Reinach; in der Schweiz lebt er seit 28 Jahren. Der breitschultrige Mann mit türkischen Wurzeln ist ein fröhlicher Mensch. Doch die Geschichte um seinen Witz lässt ihn ernst werden.
Topal findet es beunruhigend, dass ein türkisches Gericht gegen ihn eine Verfügung erstellte. (Bild: Alexander Preobrajenski)
«Das ist doch lächerlich», sagt Topal und verwirft die Hände. Eine Klage vom Ministerpräsidenten und seinem Sohn wegen eines harmlosen Spruchs – und das in dieser angespannten Situation! «Ich habe Angst, in die Türkei zu fliegen. Und das wegen eines lächerlichen Witzes!»
Topal ist Alevit – eine islamische Glaubensrichtung – und steht der türkischen Regierung kritisch gegenüber. Bisher sprach er meist unter Freunden und Verwandten über türkische Politik. Auf sozialen Medien habe er nur selten etwas Politisches geschrieben.
Sein Vater sei zwei Jahre in einem türkischen Gefängnis gesessen, weil er in der falschen Partei war. «Das war auch der Grund, weshalb wir in die Schweiz kamen.»
«Überlege, türkischen Pass abzugeben»
Die gerichtliche Verfügung habe ihm das letzte Vertrauen in den türkischen Staat geraubt, erklärt Topal. «Ich überlege nun ernsthaft, den türkischen Pass abzugeben.» Einen Schweizer Pass besitzt er längst. Er fühle sich in der Schweiz zu Hause, nicht in der Türkei.
Der 42-Jährige traut sich vorerst nicht in die Türkei zu reisen. Derya Sahin, Richterin am Basler Strafgericht, kann das nachvollziehen. «Es ist durchaus möglich, dass in der Türkei etwas auf Topal zukommen könnte», sagt die Baslerin mit türkischen Wurzeln.
Wegen Facebook-Post verhaftet
Im gerichtlichen Bescheid, den Topal erhielt, steht zwar nur etwas zur Löschung des Tweets. Denkbar sei jedoch, dass parallel dazu ein Strafverfahren eingeleitet werde und es zu einer Festhaltung kommen könnte, so Sahin. Sie verweist auf einen ähnlichen Fall, den türkische Medien publik machten: Ein Mann aus der Türkei, der in Frankreich lebt, wurde aufgrund eines kritischen Facebook-Posts bei der Einreise in die Türkei verhaftet.
Auslöser für den fraglichen Tweet war eine Aussage von Ministerpräsident Yildirim, die Topal umdeutete. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Twitter hat den Eintrag von Topal mittlerweile gelöscht. Sahin vermutet, dass das soziale Netzwerk Äusserungen eher löschen würde, wenn eine gerichtliche Verfügung vorliege. Twitter löscht bestimmte Einträge auch, wenn Nutzer eine Persönlichkeitsverletzung melden.
Wie das türkische Gericht die E-Mail-Adresse von Topal ausfindig machte, bleibt indes unklar. Topal vermutet, dass Twitter seine Adresse an das Gericht weitergab.
Geplatzte Zukunftsträume
Wann Topal das nächste Mal in die Türkei reist, weiss er noch nicht. Er habe sich in der Türkei gerade für etwa 10’000 Franken ein Stück Land gekauft. Darauf wollte er ein Gewächshaus bauen und Tomaten ziehen. Diese Geschäftsidee hat er vorerst beiseite gelegt, das Land wolle er wieder verkaufen. «Mit der Türkei will ich nichts mehr zu tun haben.»