Öl ist sein Lebenselixier

Simon Müller hat ein spezielles Hobby: Er presst Öl und will damit die Welt verändern.

Die Suche nach gesunden Nahrungsmitteln beschäftigt ihn: Simon Müller in seiner «Öl-Werkstatt». (Bild: Annie Day)

Simon Müller hat ein spezielles Hobby: Er presst Öl und will damit die Welt verändern

Das Herzstück steht in einem unscheinbaren Kellerraum. Sachte schraubt Simon Müller die Öl-Mühle zusammen und kippt winzige Körner in den Trichter, der an der Maschine angebracht ist. Es ist Leindotter, verrät Müller. Wie das Öl wird, kann er aber nicht genau sagen – es ist das erste Mal, dass er diesen Rohstoff verwendet.

Simon Müller nennt sich «Ölist» und ist einer von drei Personen in der Schweiz, die das Öl mit einer speziellen Mühle gekühlt und nicht bloss kalt pressen. So enthalte das Öl mehr wichtige Enzyme und Vitamine. Im Sortiment führt Müller beispielsweise Kokosnussöl, Aprikosenkernöl, Schwarzkümmelöl – und ganz normales Sonnenblumenöl. Müller betreibt ein kleines Geschäft in der Basler Markthalle, wo er selbstgepresste Öle und exotische Lebensmittel anbietet.



Kiloweise Leindotter wird zu Öl verarbeitet. Für zwei Liter Öl wartet Simon Müller bis zu eineinhalb Stunden.

Kiloweise Leindotter wird zu Öl verarbeitet. Für zwei Liter Öl wartet Simon Müller bis zu eineinhalb Stunden. (Bild: Annie Day)

Er kommt ins Schwärmen, wenn er von den Besonderheiten der verschiedenen Öl-Sorten spricht. Aprikosenkernöl werde in der alternativen Krebstherapie angewandt. Das Kokosnussöl enthalte wichtige Fettsäuren, die der Körper braucht.

Für Müller ist Öl nicht einfach Nahrung, es ist Heilmittel, Medizin und Lebenselixier. Das gesunde Essen beschäftigt ihn schon länger.

Angefangen hat es mit starken Rückenbeschwerden. Müller konnte sich zwei Monate lang vor Schmerzen kaum bewegen, die Behandlung im Spital schlug nicht an. Er hatte das Gefühl, dass ein natürlicher Heilungsprozess der richtige Weg sei. Er entschied sich gegen Operation und chemische Medikamente – sein Körper sollte die Last ausstehen. Ein Erweckungserlebnis? «Vorher war ich auch schon ein Eigenbrötler», sagt Müller verschmitzt. Aber diese Krankheit habe ihm die Augen geöffnet.



«Oelist» Simon Müller presst sein Öl in hauseigener Produktion.

«Oelist» Simon Müller presst sein Öl in hauseigener Produktion. (Bild: Annie Day)

Er ernährte sich fortan nur noch von Rohkost, also frischem, nicht gekochtem Gemüse. Und tatsächlich: Seine Beschwerden gingen zurück, er war kaum mehr krank. Doch je strikter er war, desto unsozialer wurde er, sagt Müller rückblickend.

Alles mit Mass und Qualität

Seine akribischen Essensvorstellungen gingen soweit, dass es zu Konflikten im Freundeskreis kam. Aussenstehende verstanden ihn nicht mehr, Ärzte rieten ihm von der Nahrungsbeschränkung ab. Sich zu rechtfertigen, alles zu erklären – das war irgendwann zu anstrengend. Also gab er die kompromisslose Rohkost-Ernährung auf.

«Ich wollte mich nicht länger verrückt machen mit der Ernährung», sagt er. Heute geht er die Essensfrage gelassener an. Er trinke Bier, esse gelegentlich Fleisch und manchmal sogar Schokolade. Alles mit Mass – und wenn die Qualität stimmt.

Die Suche nach der Qualität brachte ihn zum Ölpressen. Industriell hergestelltes Öl, das bei Migros und Coop im Regal steht, kauft er schon lange nicht mehr, weil es nicht seinen Qualitätsansprüchen entspricht. Industrielle Ölproduzenten nennt Müller «e huere Mafia». «Du musst den Produzenten persönlich kennen, um zu wissen, wie die Qualität ist», sagt Müller.

Aprikosenkerne aus Pakistan

Manche mischen altes Öl bei, andere pressen nicht wirklich kalt, wie es die Etikette vortäusche, meint Müller. Beim eigenen Öl hat er alles selbst im Griff. Er kann zusehen, wie die Körner langsam zur Flüssigkeit gepresst werden.

Seine Rohstoffe bezieht Müller aus der ganzen Welt. Die Aprikosenkerne kommen beispielsweise aus Pakistan. Hat er keine Bedenken, was Arbeitsbedingungen und Herstellung in dieser Region betrifft?



Das Herzstück: Die Mühlen von Simon Müller pressen das Öl gekühlt – nicht bloss kalt.

Das Herzstück: Die Mühlen von Simon Müller pressen das Öl gekühlt – nicht bloss kalt. (Bild: Annie Day)

Den Lieferanten kenne er persönlich, versichert Müller. Ob das reicht? Natürlich könne er nicht alle Produkte nachverfolgen, manchmal sei er darauf angewiesen, seinen Zulieferern zu vertrauen.

Neben dem Ölpressen betreibt Müller ein Espresso-Mobil, das in der Markthalle stationiert ist. Damit verdient er den Hauptteil seines Lebensunterhalts. Das Öl ist bisher nur ein extensives Hobby, das er jedoch zu seinem Beruf ausbauen will.

Medizinmann im Heilmittellabor

Wer sich die Preise der Öl-Fläschchen anschaut, könnte meinen, Müller wäre ein reicher Mann. 250 Milliliter Aprikosenkernöl kosten 28 Franken. «Dafür brauche ich ungefähr ein Kilogramm Aprikosenkerne und das allein kostet 14 Franken», beschwichtigt Müller.

Die Öl-Mühle hat mittlerweile aufgehört zu rattern. Die Plastikkanne ist halb voll mit Leindotteröl. «Probier mal», sagt Müller und reicht einen vollen Löffel. Etwas erdig, wie eine Erbse im Geschmack.

Behutsam kippt Müller das Öl in die braunen Fläschchen. Wie ein Medizinmann mutet er dabei an, seine Werkstatt wirkt in diesem Moment wie ein Heilmittellabor.

Aus Profitgründen macht Müller das nicht, was er macht. Er ist ein Idealist. Seine braunen Öl-Fläschchen verkauft er, um gegen die Massenproduktion zu protestieren, um seinen Kunden etwas «Echtes» zu verkaufen, um die Welt zu verbessern.



Er hat Spass, an dem, was er macht.

Er hat Spass, an dem, was er macht. (Bild: Annie Day)

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