Ray Knecht – der Typ, dem die Jungen vertrauen

Seine Nummer ist auf den Handys der meisten Jugendlichen im Bläsiringquartier gespeichert. Ray Knecht ist als Leiter der Mobilen Jugendarbeit Basel-Stadt so nah an den Jugendlichen wie sonst kaum jemand. Das bedingt Vertrauen – und viel Selbstdisziplin.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Seine Nummer ist auf den Handys der meisten Jugendlichen im Bläsiringquartier gespeichert. Ray Knecht ist als Leiter der Mobilen Jugendarbeit Basel-Stadt so nah an den Jugendlichen wie sonst kaum jemand. Das bedingt Vertrauen – und viel Selbstdisziplin.

Es liegt nicht an der Enge des kleinen Büros, es liegt am Hausherrn. An Ray Knecht mogelt man sich nicht vorbei, seine Präsenz konfrontiert. «Hallo, ich bin Ray», sagt er. Fester Handschlag, leuchtende Augen. Er sieht jung aus – und dennoch liegt nichts Jugendliches in seinen Zügen. Er wird sich später als «bunten Hund» bezeichnen, Ray Knecht: ein Streuner?

Seine Basis hat der 42-Jährige an der Oetlingerstrasse, hier befindet sich das Zentrum der Mobilen Jugendarbeit Basel und Riehen, dessen Leitung er seit Januar 2015 innehat. Ein kleiner Raum mit Küche, drei Arbeitsplätzen und einer Sofaecke, die von zwei Jungs in Beschlag genommen wurde. Mittwochnachmittag, Zeit zum Chillen. An den Wänden hängen Relikte vergangener Projekte, Stadtkarten, Fotos, Notizzettel. Ray Knecht scheint gut angekommen zu sein, «Super Ray», steht handgeschrieben auf einem Zettel an der Wand über dem Schreibtisch.

Die meisten Jugendlichen kennen Knechts Gesicht

In diesen vier Wänden beginnen Knecht und sein Team ihren Arbeitstag, hier ist die Schaltzentrale für das Kleinbasel. Hier werden die nächsten Projekte wie etwa das jährlich stattfindende Strassenfussballturnier «buntkicktgut» (siehe Box) initiiert, von hier aus wird das rosa Sofa auf seine Reise durch die Quartiere geschickt. Und hier kommen Jugendliche zu Besuch, wenn sie etwas Konkretes wollen. Unterlagen kopieren zum Beispiel. Oder eben – chillen.

Den Grossteil der Arbeitszeit verbringen die Mitarbeiter der Mobilen Jugendarbeit aber auf der Strasse, das Logo prangt gut sichtbar auf T-Shirts und Taschen. Knecht würde aber auch ohne Emblem erkannt, die meisten der 12- bis 17-Jährigen im Quartier kennen sein Gesicht.




Normalerweise findet die mobile Jugendarbeit ja eher draussen statt. Mittlerweile hat sich aber herumgesprochen, dass im Büro an der Oetlingerstrasse bequeme Sofas stehen.. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Wir verlassen die Basis und betreten die Strasse, Knechts Sensor geht an. Wo sich die Jugendlichen am liebsten aufhalten, weiss er genau, aber vielleicht etabliert sich ja auf den Sommer hin ein neuer Hotspot? Ein Begriff übrigens, den Knecht nicht verwendet, er mag auch den bei Politikern und Beamten beliebten Terminus «Brennpunkt» nicht. «Ich sehe hier keinen Brennpunkt», sagt er etwa am Sport- und Spielplatz bei der Dreirosenbrücke, «oder sehen Sie es hier irgendwo brennen?»

Knecht hat sich diese Gelassenheit nicht künstlich zulegen müssen, sie scheint tief in ihm verwurzelt. Als Jugendarbeiter tritt er ein in die Lebenswelt junger Menschen, die von aussen gerne mit allerlei Konnotationen versehen wird. Die Prädikate «heikel» oder «schwer zu erreichen» gehören noch zu den netteren Beschreibungen, für viele sind Jugendliche schlicht «gefährlich». «Ich habe noch nie eine gefährliche Situation erlebt», sagt Knecht, «wer solche Zuschreibungen benutzt, hat meistens gar keine Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen.»

Knecht hat sie, er weiss, wie er das Vertrauen der Jugendlichen gewinnt, ohne sich dabei verstellen zu müssen. Er beschreibt sich als volljährigen Kollegen, der zwar als Erwachsener akzeptiert wird, aber dennoch einen Sonderstatus geniesst. «Ich bin keine strukturelle Autoritätsperson», sagt Knecht über sich selbst und meint damit die Zwanglosigkeit, mit der er jungen Menschen begegnet.

Aber wie muss man sich diese Zwanglosigkeit vorstellen, wie entsteht eine Vertrauensbasis zwischen einem 42-Jährigen und einer Gruppe kiffender 16-Jähriger? Zum Beispiel so: «Ich gehe hin, stelle mich vor. Die Jugendlichen spüren, dass sie vor mir nichts verbergen müssen. Vielleicht quatschen wir ein wenig, vielleicht wollen sie auch lieber allein gelassen werden. Ich gebe ihnen einen Flyer, der sie über ihre Rechte und Pflichten gegenüber der Polizei aufklärt. Damit wissen sie, dass sie in mir eine Wissensbasis an ihrer Seite haben.» Die meisten Jugendlichen im Quartier haben Knechts Handynummer.

Sein eigenes Arbeitsinstrument

So nahe an den Jugendlichen zu sein, verlangt von Knecht ein hohes Mass an Selbstdisziplin. So muss er manchmal den Reflex unterdrücken, nicht doch eine Anweisung auszusprechen, die Sätze «tu das nicht» oder «das ist verboten» gehören nicht zu seinem Dienstvokabular. Selten gibt es Grenzsituationen, in denen er dennoch etwas verbietet. Aus Selbstschutz beispielsweise, oder wenn explizit nach seiner Meinung gefragt wird.

Manchmal hat Knecht auch keine Kraft, auf Menschen zuzugehen, dann macht er lieber Büroarbeit und spart seine Energie für den nächsten Rundgang. «Ich bin mein eigenes Arbeitsinstrument», sagt er, «da muss ich schauen, dass an mir nichts kaputtgeht.»

Wie jeder in seinem Team hat auch er ein Ritual, mit dem er seinen Arbeitstag abschliesst. «Ich setzte mich irgendwo im öffentlichen Raum hin und lasse den Tag nochmals durch den Kopf gehen. Dann entlasse ich mich emotional aus der Arbeit.» Knecht lebt mitten in der Stadt, mitten in «seinem» Quartier, in dem er tagsüber unterwegs ist und arbeitet. Da muss er nach Feierabend ganz bewusst den Knopf betätigen, der den inneren Sensor abschaltet. Ray Knecht ist dann einfach ein Quartierbewohner unter vielen.

10 Jahre «buntkicktgut» in Basel

Fussball für Jugendliche, organisiert von Jugendlichen. Das ist das Konzept der Strassenfussballturniere von «buntkicktgut». Die Mobile Jugendarbeit schafft zwar die Rahmenbedingungen, von der Ausarbeitung der Spielpläne über die Wahl der Spielfelder in sechs Quartieren bis zur Aufstellung der Schiedsrichter liegt die Verantwortung dann aber bei den Jugendlichen. Neben dem sportlichen ersten Preis für das Gewinnerteam (eine Reise zum Hauptturnier nach München) winkt auch noch eine Fair-Play-Trophy, die ebenfalls sehr begehrt ist. In diesem Jahr geht «buntkicktgut» in Basel bereits in die 10. Runde, erwartet werden gegen 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Am 3. Oktober wird auf dem Messeplatz der Schweizermeister erkoren.

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