Seine Matur-Arbeit klingt wie Deep House

Für das Percussion-Ensemble Groove Collective Allschwil hat der 19-jährige Simon Maier Deep House und Electropop arrangiert – als Matura-Arbeit, die im Fach Musik alte Prüfungsstrukturen infrage stellt.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Für das Percussion-Ensemble Groove Collective Allschwil hat der 19-jährige Simon Maier Deep House und Electropop arrangiert – als Matura-Arbeit, die im Fach Musik alte Prüfungsstrukturen infrage stellt.

Ein Vibrafon swingt sphärisch über den Achtelnoten des Klaviers, Handclaps und Hi-Hat bilden den entspannten Rhythmus darunter. Zur Gesangsstimme verzahnen sich die Marimba, Xylo- und Vibrafone immer mehr, ein wunderbarer Groove entsteht.

«Photomaton» heisst der Titel, und auf Youtube hat er in der Originalversion der französischen Elektropopper Jabberwocky fast sechs Millionen Klicks. So akustisch allerdings hat man den Hit noch nie gehört.

Das Original:

 

Simon Maier, der 19-jährige Urheber der neuen Version sitzt zwischen jeder Menge Schlagwerk in einem Proberaum im gerade neu eröffneten Schulhaus Gartenhof in Allschwil. Während er über sein Projekt spricht, spürt man seine Begeisterung: «Ich wollte einfach die Musik, die ich am liebsten höre, auch selbst spielen können», erklärt der Deep-House- und Techno-Fan die Beweggründe für die Übertragung ins Akustische.

«Inspiriert hat mich ein Besuch bei einem Konzert der Lovebugs, die ihre Songs auch mal mit Symphonieorchester gespielt haben. Vorbild ist ausserdem mein Musiklehrer Friedemann Stert, er hat auch schon mal ein Stück von Andreas Bourani auf uns zugeschnitten.»

«Uns», das ist das Groove Collective Allschwil, ein Percussion Ensemble von Jugendlichen der Musikschule Allschwil, das der Freiburger Stert ebenso leitet wie Kaiserstuhl Percussion – mit beiden Formationen bricht er Grenzen zwischen Pop, Brasilien und Klassik auf.

Den Originalen Ton für Ton abgelauscht

In diese Philosophie passen Maiers fünf Übertragungen nahtlos hinein. «Die Musik ist menschlicher geworden, weil sie nicht mehr auf den Computerbeat hin produziert ist», urteilt er über sein Werk. In die Stücke von Jabberwocky, Kraak & Smaak oder Kygo ist er förmlich hineingekrochen, lauschte den Originalen Ton für Ton ab und verteilte mit einer Notationssoftware die Stimmen neu.

«Ich habe mir vorab schon sehr genau vorgestellt, welche Parts welche Instrumente übernehmen sollen. Marimba und Vibrafon haben ja einen verwandten Klang zu manchen elektronischen Instrumenten, das hat es erleichtert.» Von der Zielvorstellung das Material eins zu eins zu übertragen, wich er zunehmend ab, erfand neue Stimmen und Soli dazu.

Mit den Partituren ging es dann in den Proberaum, wo der 19-Jährige auch erstmals die Leitung des Ensembles übernahm, damit die Dynamik nach seinen Wünschen umgesetzt wurde. Eine junge soulige Stimme kam mit Larissa Zutter dazu, die ihren eigenen Touch aufprägte.

Als Krönchen haben Maier und Mitmusiker eine CD mit drei der fünf Titel eingespielt, und Maier lernte zum ersten Mal die Möglichkeiten eines Tonstudios kennen. Das ganze Vorhaben hat der junge Schweizer an seinem Gymnasium als Matura-Arbeit eingereicht – und damit die enggesteckten Grenzen von theoretischer und fachpraktischer Prüfung gewaltig geöffnet.

Die Anforderungen des Popmusikdesigns

Und was sagt der Lehrer? «Simons Arbeit erfüllt genau das Profil, auf das die Popakademie in Mannheim Wert legt», so die Einschätzung von Friedemann Stert, der sich zum Interview auch in den Proberaum gesellt hat und grosse Stücke auf seinen Schützling hält.

«Es geht immer mehr weg vom Musiker, der auf die Bühne kommt, spielt und wieder geht. Wir haben hier jemanden, der sich ein Musikschreibprogramm erarbeitet, arrangiert, Musiker zusammengestellt, ein Studio angemietet und schliesslich noch ein Konzert organisiert hat, bei dem er auch ökonomische Aspekte berücksichtigen musste.»

Damit hat Maier interdisziplinär auch gleich noch sein zweites Hauptfach abgedeckt, Wirtschaft und Recht: Das erste Konzert, das er im März im Rahmen seiner Prüfung bestritt, hat er mit einem Crowdfunding auf die Beine gestellt, während die Eltern beispielweise das Schreibprogramm «Sibelius» finanzierten.

«Ich habe schon jede Menge neuer Ideen im Kopf, will mehr Richtung New Pop gehen.»
Simon Maier ist noch nicht fertig.

Das Schaffen von Maier unterstreicht den Wunsch von Friedmann: «Alles zusammen entspricht dem Popmusikdesign von heute, und deshalb sollte man das Abitur vorbereitend für solche Dinge öffnen.» Simon Maier selbst allerdings will einen beruflichen Weg mit der Musik gar nicht einschlagen.

«Es soll Hobby und Ausgleich bleiben», stellt Maier klar, «wenn ich vom Groove Collective nach Hause komme, bin ich glücklich.» Und: «Ich habe schon jede Menge neuer Ideen im Kopf, will mehr Richtung New Pop gehen.»

Die Ergebnisse seines spannenden Projekts lassen sich in Kürze auf der Bühne der neuen Aula Gartenhof in Allschwil erleben, zusammen mit weiteren Arrangements, etwa einer Dreizehnachtel-Version einer Bach-Bourrée von Stert.

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Konzert: Groove Collective Allschwil, Aula Schulhaus Gartenhof, Allschwil, 26.9., 20 Uhr. Eintritt frei, Kollekte.

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