Katharina Wesselmann vergleicht Blocher mit Caesar und findet Grammatik spannend. Sie unterrichtet Latein und Griechisch am Gymi, schreibt ihre Habilitation und entwickelt eben mal so ein neues Lehrmittel für die Sek.
Wenn Katharina Wesselmann ihren Schülern von Aeneas‘ Flucht aus dem brennenden Troja erzählt, reagieren diese entrüstet: «Was, die Sau lässt seine Frau einfach in Troja verbrennen!». Wesselmann beruhigt sie dann: «Das war nicht seine Absicht.»
Wesselmann ist das, was man eine klassische Philologin nennt, auch wenn sie vielleicht nicht so aussieht. Wobei, wie sieht denn eine Latein- und Griechischkennerin eigentlich aus?
Der leuchtend pinke Nagellack blättert von den Fingernägeln, zu schwarzem Kleid und Lederjacke trägt die 40-Jährige Converse-Turnschuhe. Nur die goldene Münze am Fingerring erinnert an ihr täglich Brot: Wesselmann bringt die Antike an den Mann und die Frau.
Und das auf verschiedensten Ebenen: Sie unterrichtet Griechisch und Latein am Gymnasium Münsterplatz. Sie gibt Proseminare für Studenten an der Universität und Fachdidaktik für zukünftige Latein- und Griechischlehrer. Und sie schreibt an ihrer Habilitation. Dafür arbeitet Wesselmann am Basler Homer-Kommentar, einem Begleitwerk des griechischen Epos «Ilias».
Sie kann auch derbe Wörter
Nun sitzt Wesselmann im Café Isaak auf dem Münsterplatz und lässt ihren Latte Macchiato kalt werden. Je länger sie redet, desto mehr kommt sie in Fahrt. Das Hauptthema: Wie Latein und Griechisch dabei helfen, die Welt zu verstehen.
Das mag langweilig klingen, ist es aber nicht. Aus Wesselmanns Mund hört sich die Antike an wie eine Politserie à la House of Cards. Und sie wechselt zwischen «hochstehenden» Wörtern aus der Uni und derben Alltagsausdrücken, die sie nachher nicht in der Zeitung lesen will.
Von Caesar zu Blocher: «Immer wenn einer die Macht will, sagt er dem einfachen Volk, es werde von den Mächtigen manipuliert.»
So schlägt sie schnell mal den Bogen von Julius Caesar zu SVP-Senior Christoph Blocher und das nicht unbedingt im Guten. Blocher habe nach der verlorenen Abstimmung zur Durchsetzungsinitiative gesagt, und sie zitiere wörtlich: «Alle sind gegen die Mehrheit des Volkes.»
Diesen Satz müsse man sich einmal anhören! «Immer wenn einer die Macht will, sagt er dem einfachen Volk, es werde von den Mächtigen manipuliert.» Das habe schon Caesar so gemacht. «Dabei gehörte er einer der reichsten und adligsten Familien an.»
Die Römer haben ihre Tricks allerdings auch nicht alle selbst erfunden – vieles haben sie von den Griechen übernommen. Das ist einer der Gründe, weshalb Wesselmann zuerst nur Griechisch studiert hat.
Lausiger Lateinunterricht
Und die Tatsache, dass sie einen «lausigen Lateinunterricht» hatte, wie sie sagt. Das hatte fast schon System. «Bis in die Siebzigerjahre gab es an den Gymnasien fast nur todlangweiligen Drill.»
Die Schüler mussten Grammatik und Wörter pauken, über Mythologie erfuhren sie wenig. «Kein Wunder, dass das Latein oder Griechisch heute immer weniger geschätzt wird.» So hat Basel vor drei Jahren an der Universität das Lateinobligatorium für Geschichte und Kunstgeschichte gestrichen.
Doch Wesselmann mag nicht klagen. Sie sieht eine Zukunft für das Latein in Basel – und zwar dank des neuen Wahlpflichtfachs «Lingua Latein».
Auch Sekschüler können Latein lernen
Ab dem neuen Schuljahr können nicht mehr nur Gymnasiasten, sondern auch Sekschüler Latein lernen. Die «bz Basel» sprach deswegen sogar von einer «Renaissance des Latein». Wesselmann ist begeistert: «Das wird wahnsinnig toll.»
Sie muss es wissen, denn sie hat das Lehrmittel für den neuen Unterricht mitentwickelt. Das Ziel des Fachs: Schüler sollen nicht bloss Grammatik büffeln, sondern Latein mit Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch vergleichen. «So lernen sie, wie Sprache funktioniert.»
Ausserdem lernen sie auch die alten Römer in Basel kennen: Das Buch dreht sich um das Leben der Jugendlichen Julia und Valens. Ihre Famile lebte um das Jahr 212 in der Region.
Wesselmann hofft, dass Schüler, die mit Sprache Mühe haben oder ausländische Kinder, die schlecht Deutsch können, besonders davon profitieren. Versuche in Deutschland haben gezeigt, dass Migrantenkinder, die Latein lernen, schneller Deutsch lernen als andere. «Latein ist wie ein neutrales Territorium, Schweizer und Ausländer wissen alle nichts darüber», sagt Wesselmann.
Für sie ist aber klar: Es wird weiterhin Jugendliche geben, die das Latein angurkt. «Die haben vielleicht gerade Liebeskummer oder Eltern daheim, die sich scheiden lassen oder sie kämpfen sonstwie mit der Pubertät.»
Sie ging nicht gern zur Schule
Wesselmann kann das verstehen, sie war selber keine begeisterte Schülerin, hat auch mal geschwänzt. Das war in Tübingen, wo sie aufwuchs. Doch als sie dann nach Basel kam und neben Griechisch auch Latein studierte, weil das alle so machten, «da zog es mir den Ärmel rein».
Heute sieht sie ihren Beruf als Hobby. «Sonst würde ich das alles – Gymnasium, Fachhochschule, Uni, Lehrmittel – gar nicht schaffen.»