Simon Stone ist der Theatermann der Stunde

Die grossen Bühnen reissen sich um den erst 31-jährigen Shootingstar, in Australien dreht er Filme mit Hollywood-Stars und am Theater Basel sorgte er als Hausregisseur für die Höhepunkte der auslaufenden Spielzeit: Simon Stone ist der Theatermann der Stunde.

Simon Stone.

(Bild: Reinhard Maximilian Werner)

Die grossen Bühnen reissen sich um den erst 31-jährigen Shootingstar, in Australien dreht er Filme mit Hollywood-Stars und am Theater Basel sorgte er als Hausregisseur für die Höhepunkte der auslaufenden Spielzeit: Simon Stone ist der Theatermann der Stunde.

Es ist nicht einfach, einen Termin mit dem international heiss gehandelten Shootingstar und Basler Hausregisseur Simon Stone zu bekommen. Die Kommunikationschefin des Theaters Basel vertröstet immer wieder – die Interviewanfrage sei deponiert, aber Simon Stone sei sehr viel unterwegs.

Das ist er tatsächlich, was einen Blick in die internationale Theateragenda zeigt: Premiere am Schauspielhaus Hamburg mit Ibsens «Peer Gynt», die Einladung zum Berliner Theatertreffen mit Ibsens «John Gabriel Borkman», der gefeierten Basler Koproduktion mit den Wiener Festwochen und dem Burgtheater, die Einladung zum Schweizer Theatertreffen in Genf mit der Basler Inszenierung von Tony Kushners «Engel in Amerika», eine aktuelle Inszenierung in Amsterdam und schliesslich zum Glück ein Termin am Basler Bildrausch-Filmfestival, während dem er für die TagesWoche greifbar wird.

In Basel geboren, in Basel Fuss gefasst

Dabei wohnt Stone eigentlich in Basel. Zumindest hat er, der zuvor lange Zeit von einer Gastunterkunft zur anderen tingelte, hier einen festen Wohnsitz. «Eine wunderschöne Wohnung mit Garten», wie er betont, und mit einer Freundin, die er gegenwärtig viel zu wenig sehe.

«Es war toll nach Basel zurückzukehren», sagt Stone, der hier 1984 als Sohn von australischen Expats – sein Vater arbeitete als Biochemiker in einem Basler Pharmaunternehmen – geboren wurde und seine ersten sieben Lebensjahre verbracht hatte. «Es verbinden mich noch auffällig viele Erinnerungen mit Basel, die jeden Tag, an dem ich mich durch die Stadt bewege, wieder wachgerufen werden», sagt er. Auch etwas Baseldeutschkenntnisse seien ihm geblieben – «aber es braucht schon drei oder vier Biere, bis ich Baseldeutsch spreche».

Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Stone bislang im englischsprachigen Raum. Zuerst in Cambridge, wo sein Vater an der Uni lehrte, und dann in Melbourne, wo er am Victoria College of the Arts studierte und mit Theater zu arbeiten begann. Bei unserem Treffen spricht er Hochdeutsch mit australischem Einschlag. Und wenn er seine Gedanken vertieft, switcht er kurz ins Englische, um dann aber problemlos wieder ins Deutsche zurückwechseln zu können.

Das Theater Basel hat als erstes angefragt

Dass er in Basel geboren wurde, ist aber nur ein Nebenaspekt für seinen Entschluss, sich hier niederzulassen. Der eigentliche Grund, warum sich «Das Talent, um das sich alle Intendanten reissen» («Die Welt») vom neuen Direktor Andreas Beck als Hausregisseur an das Theater Basel binden liess, ist ein pragmatischer: «Andreas war der Erste, der mich angefragt hat», sagt Stone.

Das Basler Dreispartenhaus wird auch der Ort für Stones erste Opernregie sein: Am 17. September wird seine Inszenierung von Erich Wolfgang Korngolds «Die tote Stadt» Premiere haben. Stone ist aber nicht der Mann für halbe Sachen. Auch ganze reichen ihm offenbar nicht, so dass er unmittelbar nach Basel gleich zwei weitere Operninszenierungen folgen lassen wird: Claude Debussys «Pelléas et Mélisande» in Oslo und Albert Reimanns «Lear» in Salzburg.

«Angebote, die ich nicht ablehnen konnte»

Die letzten Mai-Tage sind sogar für den Workaholic Stone zuviel des Guten: Bauproben für seine drei anstehenden Opernproduktionen und die Inszenierung der Bühnenadaption von Woody Allens «Husbands and Wives» für die Toneelgroep Amsterdam. Und dies nach zwei Inszenierungen in Basel, einer in Hamburg und einer an den Münchner Kammerspielen und vielen Festivaleinladungen.



Simon Stone mit den Hauptdarstellern seiner Films «The Daugther»: Oscarpreisträger Geoffrey Rush und Odessa Young.

Simon Stone mit den Hauptdarstellern seiner Films «The Daughter»: Oscarpreisträger Geoffrey Rush und Odessa Young. (Bild: Tommaso Boddi/Getty Images)

«Es waren Angebote, die ich einfach nicht ablehnen konnte in meinen ersten Jahren in Europa», sagt Stone. Aber er habe vor, bald etwas kürzer zu treten. Und auch mal eine Theaterpause einzulegen, um Zeit für einen neuen Film zu haben. Seinen ersten Film drehte er in Australien: «The Daughter» heisst er. Für seine Filmadaption von Ibsens Drama «Die Wildente» stand Stone unter anderem mit Oscar-Preisträger Geoffrey Rush («The King’s Speach») und dem Hollywood-Mimen Sam Neill («Jurassic Parc») eine grosse Starbesetzung zur Verfügung.

Arbeiten mit Starbesetzungen

Auch am Theater arbeitet Stone mit Starbesetzungen, wenn auch nicht von ganz so internationalen Ausmassen. In seiner Inszenierung von Ibsens «John Gabriel Borman» brillierten die TV- und Bühnenstars Martin Wuttke, Birgit Minichmayr, Caroline Peters und Roland Koch, bei «Peer Gynt» in Hamburg waren es unter anderem Maria Schrader und Angela Winkler.

«Mit solchen Stars zu arbeiten macht einiges einfacher», sagt Stone, dessen Renommee ihm erlaubt, die Besetzung auch an grossen Bühnen selber auszuwählen. «Ihnen muss man nichts mehr beibringen.»

Besondere Herausforderungen

Aber sie müssen bereit sein für die Herausforderungen, die Stone stellt. Das fängt damit an, dass er als Regisseur die Schauspieler früh in die Konzeption der Inszenierung einbezieht. «Wir sassen die ersten drei bis vier Wochen gemeinsam am Tisch und übersetzten das Stück neu», erinnert sich das Basler Ensemblemitglied Nicola Matroberardino an seine erste Zusammenarbeit mit Stone bei Kushners «Engel in Amerika». «Dann ging es sehr schnell, inszeniert wurde auf Zuruf.»

Stone selber sagt, dass er auf mutige Schauspieler angewiesen ist. «Ich erwarte von ihnen die Bereitschaft, sich seelisch nackt zu zeigen», sagt er. Diese Bereitschaft ist im neuen Basler Ensemble zur Genüge vorhanden. «Ich bin glücklich, mit einem solch guten Ensemble zusammenarbeiten zu können», sagt er. «Sie haben meine hohen Erwartungen übertroffen.»

Das Überschreiben von Klassikern

«Engel in Amerika» habe er aber eigentlich nur inszeniert – «ein grosser Stoff, den man bei Gegenwartsautoren nicht so oft findet», wie er meint. Bei den Klassikern der Moderne findet er sie noch. Bei Ibsen zum Beispiel, den er sehr oft inszeniert, oder bei Tschechow, dessen Drama «Drei Schwestern» er in der kommenden Spielzeit in Basel inszenieren wird.



Martin Wuttke (John Gabriel Borkman), Birgit Minichmayr (Gunhild Borkman)

Martin Wuttke (John Gabriel Borkman), Birgit Minichmayr (Gunhild Borkman). (Bild: Reinhard Maximilian Werner)

Oder besser bearbeiten wird. Stone hat sich als Theatermann einen Namen gemacht, der alte oder nicht mehr ganz so junge Texte überschreibt oder neu dichtet. Bei «John Gabriel Borkman» konnte man dies in Basel erleben und sich daran erfreuen, wie der Run des Publikums auf die allesamt ausverkauften Vorstellungen zeigte. Im Dauer-Schneegestöber auf der Bühne waren Menschen von heute zu erleben, die per Skype mit dem Therapeuten verkehren, weil sie sich Beispiel nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen.

«Wenn ich Ibsen neu schreibe, hat das nichts mit Misstrauen dem Original gegenüber zu tun», sagt Stone. «Ibsen brachte ein Spiegelbild des Lebens auf die Bühne, ich erachte es als meine Aufgabe, den Stoff auf ein Level radikaler Aktualität zu bringen.»

Gegen das umstrittene Regietheater

Die Basler Aufführungen erbrachten den Beweis, dass dies funktioniert – gerade weil das Stück neu geschrieben wurde. «Ich glaube nicht an das, was man landläufig Regietheater nennt», sagt Stone. Damit meint er nach eigenen Angaben den Kampf der Regie gegen den Text. «Wenn ich Menschen in Schweinekostümen auf der Bühne sehe, langweilt mich das.»

Das Theater ist für Stone ein fantastisches Medium, ein Ort der Leute zusammenbringe, die ein Ritual erleben möchten, das sie anderswo nicht finden können. «Dabei sind die ersten zehn Minuten sehr wichtig», sagt er. «Wir müssen die Zuschauer gleich zu Beginn an das Geschehen auf der Bühne fesseln, wir müssen die Wunder zeigen, die nur auf der Bühne möglich sind.»

Man darf gespannt sein, welche Wunder Stone dem Basler Publikum in der nächsten Spielzeit vorsetzen wird.

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