Strassenteufel mit Coiffeursalon

Deniz Cetiner, Coiffeursalonbesitzer, Hot Rodder und Surfer, ist mit Oldtimern auf der Überholspur.

Kennt sich mit Werkzeugen aus: Coiffeur und Hot Rodder Deniz Cetiner. (Bild: Hansjörg Walter)

Deniz Cetiner lebt für seine Leidenschaften: Hot Rods, Surfbrett und Punk-Rock. Für seinen Lebensstil übernachtet der 42-Jährige gerne auch mal in einer Holzbaracke.

Deniz Cetiner (42) steckt in seiner Werkstatt Kopf voran unter der Motorhaube eines – offensichtlich schrottreifen – 66er Plymouth Barracuda. Auf dem Fahrersitz runzelt ein Kollege die Stirn über einem wüsten Kabelgewirr. «Warum zum Teufel springt das Ding nicht an?», flucht Deniz mit blechern verzerrter Stimme aus dem Motorengehäuse.

Plötzlich stösst der Barracuda ein bösartiges Grollen aus. Die Maschine läuft. Allgemeiner Jubel – bis plötzlich stinkende Rauchwolken aus dem Motor aufsteigen. Erneut fluchend löscht Cetiner den Schwelbrand und rollt sich unter den Wagen, um nach einem Ölleck zu suchen.
 Irgendwann dann läuft der Motor des Plymouth. Fehlen nur noch Räder, Amaturenbrett Sitze, Rückspiegel.


Für Cetiner kein Grund zu hadern. Seine Werkstatt ist voll von unvollendeten antiken Fahrzeuge. «Über das Internet oder Freunde findet man Stück für Stück die passenden Teile für wenig Geld», sagt er.

Ein Mann mit vielen Leidenschaften

Cetiner ist Mitglied der Road Devils Europe. Ein internationaler Club von Hot Roddern. Oldtimerfans, die alte Fahrzeuge restaurieren und mit Hochleistungsmotoren in PS-starke «Muscelcars» verwandeln. Zum Teil fahren sie damit Sandbahnrennen. Ein Hot Rodder braucht das Geschick und den Sachverstand eines ausgewachsenen Automechanikers. Cetiner hat sich die nötigen Fertigkeiten selbst beigebracht.

Alte Autos sind jedoch nicht seine einzige Leidenschaft. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit reist er mit seiner Freundin zum Wellenreiten an die Atlantikküste oder sonst ein unruhiges Gewässer. Selbst in Basel hat er eine Möglichkeit zum Surfen gefunden: die stehenden Wellen auf der Birsig bei Hochwasser. Dort war er sogar im Dezember anzutreffen, in einem wärmenden Neoprenanzug versteht sich.

Auch Musik gehört zu Cetiner. Vor Kurzem hat er die Hardcore-Punkband «Die braunen Raketen» mitgegründet und spielt derzeit mit den Bandkollegen die erste EP ein. Sie erscheint voraussichtlich nächsten Monat.

«Es gibt Sammler, die geben Unsummen für die gleichen Autos aus, die wir für ein paar Hunderter selber zusammenbauen.»

Das alles kostet Geld und vor allem Zeit. Wie kann man sich das leisten? Cetiner stammt als Sohn eines türkischen Vaters und einer schweizerisch/französischen Mutter nicht gerade aus begüterten Verhältnissen. Und mit seinem Beruf als Coiffeur wird er auch nicht reich, auch wenn er sein eigener Chef und Mitinhaber des gut laufenden Coiffeursalons «Friendship» in der Rheingasse ist.

«Das geht nur, wenn man auf andere Sachen verzichtet», sagt er. «Ein normales bürgerliches Leben interessiert mich nicht. Ich lebe für meine Leidenschaften, nicht für meinen Job.» Cetiner habe schon immer bescheiden gelebt. Jetzt zieht er sogar mit seiner Freundin in eine WG, damit ihnen mehr Geld zum Reisen bleibt. Und beim Reisen reicht ihm auch mal sein Bus oder eine Holzbaracke als Unterkunft. Komfort interessiert ihn nicht. Dafür hohe Wellen und Adrenalin-Kicks.

Cetiners Hobbys reihen sich nahtlos in seinen Lebenslauf. Als Jugendlicher machte er als Punk und Skateboarder die Strassen unsicher. Die Suche nach den Wurzeln des Skateboardens führte ihn und seine Freunde irgendwann zur Surfer-Szene in Biarritz. «Da ist es passiert. Statt Essen habe ich mir ein Surfbrett gekauft. Seither bin ich den Wellen verfallen.»

Aus Schrott mach Gold

Die rebellische Ader hat Cetiner auch im gestandenen Mannesalter nicht verloren. «Ich hatte immer schon Probleme mit Autoritäten», sagt er. Deshalb habe er vor 13 Jahren auch den eigenen Salon aufgemacht, damals noch gekoppelt mit einem Skateshop. «In einem Anstellungsverhältnis mit Chef werde ich nicht alt, das hat mir schon mein Lehrmeister prophezeit.»  

Auch das Restaurieren und Frisieren von Autos, die mit einem Rad schon auf dem Müll lagen, gehört für ihn zur Punk-Philosophie: Selber machen statt konsumieren. «Es gibt Sammler, die geben Unsummen für die gleichen Autos aus, die wir für ein paar Hunderter selber zusammenbauen.» An einem fahrbereiten Boliden hätte Cetiner gar kein Interesse. «Aber mit einem selbst restaurierten und aufgemotzten Oldtimer einen nagelneuen und sauteuren BMW abzuhängen, das ist schon geil.»

Zufrieden macht es ihn auch, wenn er etwas wiederbeleben kann, das ihn selbst überdauern wird. «Die Dinger waren auf dem Schrott. Was wir restauriert haben, verschrottet heute sicher niemand mehr.»

Hot-Rod-Festival in Weil am Rhein

Die Road Devils sind ein exklusiver Club. Nur enge Freunde von Mitgliedern können sich der Truppe anschliessen. Uneingeweihte bekommen die scharfen Kisten und Motorräder der Hot Rodder entsprechend selten zu Gesicht. Aber am 23. August findet in Weil am Rhein wieder ein Hot Rod Festival statt. Neben sechs Rock- und Punk-Bands gibt es dort auch eine Ausstellung mit besonders schönen Oldtimern und Motorrädern aus ganz Europa.

Natürlich steckt auch hinter dem Hot Rod Festival wieder Deniz Cetiner und einige Freunde. Cetiner hat das erste Festival 2006 auf dem NT-Areal organisiert. Dort wurde ein Vertreter von Edwin-Jeans auf ihn aufmerksam. Seitdem ist Edwin Jeans Hauptsponsor und das Festival kann in Weil auf dem grösseren Edwin-Gelände stattfinden. Inklusive Indoor-Austellungsfläche für die motorisierten Kostbarkeiten, Paintbrushkünstler, Tatovierer und was sonst noch zur Hot-Rod-Kultur gehört.

Mit bis zu 2000 Besuchern wurde der Anlass Cetiner und den anderen Ehrenamtlichen mit der Zeit zu stressig und unpersönlich. Deshalb haben sie zwei Jahre ausgesetzt und treten dieses Jahr in etwas redimensioniertem Rahmen wieder an. Warum? Cetiner lacht. «Weil mein bester Kumpel gesagt hat, das machen wir dieses Jahr wieder.»

Extrovertierte Szene

Die Leidenschaft für alte Autos ist nun mal nicht rational erklärbar. Und so exklusiv der Hot-Rod-Club auch ist, «die Szene ist ja doch eher extrovertiert – sie ist bunt, laut, schnell und stinkt.» Und das will man natürlich auch zeigen. «Manche Hot Rodder rennen immer in 50er-Klamotten rum. Manche besuchen solche Veranstaltungen wie einen Maskenball und verkleiden sich dafür.»

Und Cetiner selbst? «Ich kann mit dem Fifties-Look nichts anfangen. Mich kann man höchstens durch das Road-Devils-T-Shirt zuordnen. Ansonsten trag ich die Uniform der Nonkonformisten: Denim und Leder.»



Die rebellische Ader hat Deniz bis heute nicht verloren.

Die rebellische Ader hat Deniz bis heute nicht verloren. (Bild: Hans-Jörg Walter)

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